Allerdings werden nach der weiter heftig diskutierten Fundamentalkritik des 62-maligen Auswahlkickers am FC Bayern auch beim Jahresabschluss des DFB-Teams gegen die WM-Teilnehmer Chile und Elfenbeinküste alle Augen auf den Münchner „Rebell“ gerichtet sein. Schon an diesem Dienstag bei der offiziellen Präsentation des deutschen WM-Trikots für Südafrika 2010 in Herzogenaurach wird Lahm wieder ins Scheinwerferlicht rücken. „Im Endeffekt ist alles, was an die Öffentlichkeit geht, immer gefährlich“, erklärte DFB-Kapitän Michael Ballack. Er spricht aus eigener Erfahrung. Vor einem Jahr hatte seine öffentlich geäußerte Kritik am Führungsstil des deutschen Bundestrainers Joachim Löw für einen landesweiten Aufschrei und eine langanhaltende Krise beim Vize- Europameister gesorgt. Ballack kann Lahm zwar verstehen, kennt nach dem monatelangen Zwist mit Löw und einigen Auswahlkollegen, der erst mit einem großen Kraftaufwand bereinigt werden konnte, aber auch bestens die Gefahren. „Er wollte sicherlich wachrütteln, wollte positive Impulse setzen, hat Dinge angesprochen“, bemerkte Nationalmannschafts-Wortführer Ballack im TV-Sender „Sky“. „Wenn man das intern macht, kommt es nicht in die Öffentlichkeit“, gab der Routinier zu Bedenken. Auch über den derzeitigen Zustand der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hatte sich Lahm in dem für viel Wirbel sorgenden Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ Gedanken gemacht. „Jetzt haben wir erstmal die Qualifikation geschafft, und in Russland, finde ich, haben wir auch eine ordentliche Leistung geboten. Nicht überragend, aber ordentlich. Aber auch da gilt, was für den FC Bayern gilt: Wir müssen um einiges besser spielen“, äußerte der Defensiv-Mann, der am Mittwoch seinen 26. Geburtstag feiert. Lahm konkretisierte: „Wir haben enorme Probleme gegen Teams, die hinten drin stehen. Wir können keine Mannschaft auseinandernehmen - das ist das Problem, bei der Nationalmannschaft wie beim FC Bayern.“ Auch um im Hinblick auf die WM dieses Problem zu beheben, hat der deutsche Bundestrainer für den Länderspiel-Doppelpack am Samstag in Köln und vier Tage später in Gelsenkirchen die Gegner Chile sowie die Elfenbeinküste mit Ballacks Chelsea-Kollege Didier Drogba ausgesucht. Bei den Testspielen muss dem Leiter des WM-Projekts 2010 der Spagat zwischen notwendigen Experimenten und Zuschauerinteressen gelingen. Der Vorverkauf läuft zögerlich, die jüngste unattraktive Casting-Show beim 1:1 gegen Finnland in Hamburg hat bei der zahlenden Kundschaft Wirkung hinterlassen.So dürfte Löw, der sich erst nach den letzten Länderspielen des Jahres mit einer möglichen vorzeitigen Vertragsverlängerung über die WM 2010 hinaus beschäftigen will, nur punktuell Neubesetzungen vornehmen. Etwa mit den Debütanten Aaron Hunt (Bremen) und Thomas Müller (München). Letzterer ist allerdings erst beim zweiten Spiel gegen die Afrikaner dabei, zuvor wird er noch mit dem U 21-Team das EM-Qualifikationsspiel in Nordirland bestreiten. Negative Auswirkungen der Debatten um Bayern-Kritiker Lahm für das Nationalteam befürchtet Ballack nicht. „Philipp ist stark genug, um jetzt die Kritik auszuhalten, dann geht es wieder vorwärts“, betonte der Kapitän, der vor seinen Länderspielen Nummer 98 und 99 steht. „Im Endeffekt ist Philipp natürlich ein wichtiger Spieler für den FC Bayern, der Verantwortung trägt, der sich verantwortlich fühlt für die Mannschaft“, wies Ballack auf Lahms mögliche Beweggründe hin: „Es ist immer ein Zwiespalt, wie der Verein reagiert und wie der Spieler. In welcher Form, ist danach die Frage.“ Der FC Bayern hatte erst einmal mit einer Rekord-Geldstrafe für Lahm reagiert. Hinter verschlossenen Türen wird Lahm den Bayern- Bossen um Manager Uli Hoeneß sein aufrüttelndes Interview noch einmal genauer erläutern müssen. Der Kritiker selbst wird am Dienstagmittag in der fränkischen Konzernzentrale von Adidas wieder öffentlich auftreten und neben Ballack das Trikot präsentieren, mit dem Deutschland im Sommer 2010 Anlauf auf den vierten WM-Titel nach 1954, 1974 und 1990 nehmen will. Mehr Interesse für seine Kampagne Richtung Fußball-WM in Südafrika hätte sich der Ausrüster des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) kaum wünschen können.dpa