Ein halbes Dutzend Eishockeyschläger in der einen Hand, ein vollbepackter Rollkoffer in der anderen und auf dem breit geformten Rücken noch ein gigantischer Reisesack. Wenn die ausländischen Puckakrobaten des HCB im Hochsommer hierzulande aus dem Flieger steigen und von einem Vereinsbus zu ihrem neuen (oder alten) Arbeitsplatz nach Bozen kutschiert werden, ist das immer ein kleines Abenteuer – und eine logistische Herausforderung. Mike Dalhuisen hatte dieses Problem nicht. Er trat die Reise zu seiner neuen Arbeitsstelle im Sommer nicht etwa per Flugzeug an, auch nicht mit dem Auto. Nein, der Defensiv-Koloss kurvte mit seinem Camper nach Südtirol.<BR /><BR />„In der Coronazeit habe ich mir ein Fahrzeug zugelegt, das früher als mobile Zahnarztpraxis fungierte“, erzählt Dalhuisen begeistert. „Diesen Wagen baute ich dann in ein Wohnmobil um. Seitdem reise ich mit meiner Freundin Ira und meinem kleinen Hund durch die verschiedensten Länder.“ Von ungefähr kommt diese Passion freilich nicht. „Ich bin ja Niederländer, da ist ein Wohnmobil fast schon ein Muss.“ Wenig verwunderlich, dass bei diesen Worten für einmal nicht Dalhuisens auffallender Movember-Schnurrbart, sondern vielmehr sein verschmitztes Lächeln ins Auge sticht.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="830243_image" /></div> <BR />Seit August ist Dalhuisens Camper nun schon vor seiner Wohnung in Eppan geparkt. Und seit August parkt auch der Niederländer seinen etwas mehr als 100 Kilogramm schweren Mucki-Body vor dem Gehäuse des HC Bozen. Der 33-jährige Verteidiger verkörpert dabei genau das, was die Bozner Fans sehen wollen. Er spielt kompromisslos, hart, versprüht am Eis mitunter eine furchteinflößende Aura, er ist mit seinen Kommandos ein Leader in der Defensive und zudem noch einer der besten Plus-Minus-Spieler im Team. Es ist aber vor allem Dalhuisens spannende, teilweise auch bewegende Vergangenheit, die aus ihm einen nicht alltäglichen HCB-Spieler macht.<BR /><BR /><h3> Die Familie gab ihr Leben auf – für seinen Traum</h3>Sein Vater, so erzählt der sehr offene Dalhuisen nach einem Bozner Training im Kabinentrakt, sei schon immer ein Eishockeyfan gewesen. Und so versuchte sich auch der dazumal kleine Mike in dieser Sportart. Er fand schnell großen Gefallen daran, es gab jedoch ein Problem: Dalhuisen ist Niederländer, er kommt aus Nijmegen an der Grenze zu Deutschland. Also dort, wo Fußball oder Schwimmen populär sind, nicht aber Eishockey.<BR /><BR />„Mit sieben, acht Jahren habe ich in Kanada Eishockeycamps besucht. Der dortige Trainer meinte schließlich zu meinem Vater, dass ich talentiert sei. Um es zum Profi zu schaffen, hätte ich aber meine Heimat verlassen und nach Nordamerika ziehen müssen“, so der HCB-Verteidiger. Danach passierte etwas, das Dalhuisens Leben prägen sollte – und von dem er selbst sagt, dass er so etwas ansonsten noch nie gehört habe. „Meine Familie ist mit mir nach Kanada gezogen. Alle haben also ihr ganzes Leben in den Niederlanden aufgegeben, damit ich meinen Traum verwirklichen kann. Das ist bis heute noch meine größte Motivation: Ich gebe bei jedem Training, bei jedem Spiel alles, weil ich weiß, dass meine Eltern und meine Schwester alles für mich gegeben haben.“<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="830168_image" /></div> <BR />Dalhuisen, dessen Vater ein weltweit tätiger Unternehmer ist, verbrachte den zweiten Teil seiner Kindheit also im kanadischen Ontario und schaffte es tatsächlich zum Profi, auch wenn ihm der große Durchbruch in Nordamerika nicht gelang. 12 Mal spielte er in der AHL, ehe es ihn wieder zurück über den großen Teich zog. „Ich war müde vom Eishockey in den Vereinigten Staaten, da ich vorwiegend für die Prügeleien aufs Eis geschickt wurde. Pro Saison hatte ich manchmal 25 Faustkämpfe. Ich wollte das Spiel an sich aber wieder mehr genießen“, so Dalhuisen, der in Europa wesentlich erfolgreicher war und in Dänemark sowie im Vorjahr in der ICE Hockey League mit Salzburg den Titel holte.<BR /><BR /><h3> Zwei Schicksalsschläge</h3>Die Karriere, das Leben von Mike Dalhuisen ist aber auch von Schicksalsschlägen geprägt. „Als ich 18 Jahre alt war, starb meine Mutter an Krebs. Das war eine harte Zeit. Zudem verlor ich ebenfalls im Teenager-Alter meinen besten Freund, Bryan Rufenach. Bei einem Urlaub in der Schweiz kletterte er nach dem Ausgehen auf einen Zug und wollte dort ein Foto machen, bekam dabei aber einen tödlichen Stromschlag. Bryan war ebenfalls Eishockeyspieler, ein sehr talentierter noch dazu“, bedauert Dalhuisen, der in Gedenken an seinen Freund mit der Nummer 89 aufläuft.<BR /><BR />Es sind auch diese Episoden, die Dalhuisens heutige Denkweise prägen. „Ich bin jemand, der aus den kleinen Dingen große Freude schöpft. Ein schöner Ausblick, ein süßer Hund, ein kleines Kind, das lacht: Das sind Sachen, die mir Freude bereiten, aus denen ich Energie generiere. Ich weiß, dass das Leben kurz ist, deshalb versuche ich, jeden Moment auszukosten“, erklärt der Niederländer, der einen großen Fan hat. „Meine Oma ist jetzt 88 Jahre alt, und sie kommt jedes Jahr ein Spiel von mir schauen. Auch in Bozen war sie schon“, schwärmt der Familienmensch.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="830171_image" /></div> <BR />So warmherzig, so harmonisch, so tiefgründig – das ist schon ein krasses Kontrastprogramm zu dem, was man vom Defensiv-Koloss bei seiner sportlichen Arbeit gewohnt ist. „Auf dem Eis bin ich eben ein Crack, der alles dafür tut, um zu gewinnen. Außerhalb bin ich ein anderer Mensch.“ Gewinnen, das ist das richtige Stichwort für die obligatorische Abschlussfrage. Hat der HC Bozen das Zeug, heuer den großen Pott zu holen? Im 20-minütigen Gespräch hatte Mike Dalhuisen bisher immer äußerst wortreich, detailliert, gründlich geantwortet. Dieses Mal kontert er nur karg: „Ja, keine Frage.“<BR />