Vor allen Dingen aber war der Nachfolger von Franz Beckenbauer erleichtert. „Ich habe mit mehr Druck gerechnet“, gestand der 57-Jährige kurz nach Mitternacht. „Am Anfang war das eine neutrale bis etwas schlechtere Stimmung. Am Ende hatte ich das Gefühl, dass alles sehr harmonisch war.“Eine harmonische Versammlung hatten sich die beiden Protagonisten des Abends, gemessen an ihren jahrelangen Verdiensten, nicht nur gewünscht, sondern vor allem auch verdient. Zufrieden saßen der drei Jahrzehnte als Manager auftretende Hoeneß und sein präsidialer Vorgänger bei ihrer ersten gemeinsamen Pressekonferenz in den neuen Ämtern nebeneinander. Nachdem Hoeneß mit 99,3 Prozent der Stimmen gewählt worden war, ernannte er Beckenbauer in einer seiner ersten Amtshandlungen zum zweiten Ehrenvorsitzenden des deutschen Fußball-Rekordmeisters nach Wilhelm Neudecker. „Er hat es verdient wie kein anderer“, sagte Hoeneß, der sich zuvor selbst über jede Menge Anerkennung freuen durfte.Die Jubelarie um die zwei FC-Bayern-Urgesteine ließ auch die sportlichen Sorgen vergessen. In der Bundesliga ist der Club nach einer titellosen Saison nur Mittelmaß, in der Champions League steht am 8. Dezember ein Gruppen-Endspiel gegen Juventus Turin bevor.Die Pfiffe für Trainer Louis van Gaal und seine drei Kapitäne hielten sich dennoch ziemlich in Grenzen. „Wir haben ein kleines Tief und da müssen wir gemeinsam raus“, formierte Hoeneß die Bayern-Gemeinschaft, die nun über 150.000 Mitglieder groß ist. „Die Fans waren erst sehr kritisch. Aber wir haben sie eingefangen mit unseren Meinungen und Stimmungen, dass man als Verein in guten wie in schlechten Zeiten zusammen stehen muss.“Mögen die Zeiten sportlich derzeit nicht wie gewünscht sein, gemessen an den Zahlen geht es dem FC Bayern - wie gewohnt - gut. „Ich glaube, man kann mit Fug und Recht sagen, dass wir mit einem Gewinn von 2,5 Millionen Euro unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse in dieser Zeit zufrieden sein dürfen“, sagte Finanzvorstand Karl Hopfner. Der Gewinn stieg von 2,1 auf 2,5 Millionen Euro. Nach der Bestmarke von 286,8 Millionen Euro in 2007/08 betrugen die Einnahmen wegen gesunkener Transfererlöse 268,7 Millionen Euro.Zwar bedeutete der lange Abend in der Münchner Messe eine Zäsur im Verein, aber wie sich das auf die tägliche Arbeit auswirkt, müssen Hoeneß und Co. noch abwarten. „Ich weiß nicht genau, wie das in der Praxis ausschaut. Der Schnitt kommt auf jeden Fall am 1. Jänner, und ich denke, dass wir bis dahin so weiter arbeiten“, sagte Hoeneß, denn die sportliche Aufholjagd hat nun allerhöchste Priorität. In der Winterpause aber wird der 57-Jährige ein erstes Zeichen der Abnabelung vom Tagesgeschäft setzen. „Ich werde bewusst nicht mit ins Trainingslager fahren.“apa