Nach den Polen ist auch der zweite Gastgeber der ersten Fußball-Europameisterschaft im ehemaligen Ostblock schon nach der Vorrunde gescheitert. Was die Gemüter der Ukrainer so erregte, war eine Szene nach gut einer Stunde Spielzeit und eine fatale Fehlentscheidung der zuvor noch so gepriesenen Torrichters.Es lief die 62. Minute an diesem denkwürdigen Abend in der Donbass Arena in Donezk. Ein Schuss des ukrainischen Angreifers Marko Devic senkte sich über Englands Torwart Joe Hart hinab. Der Ball überquerte knapp, aber doch deutlich für alle Fernsehkameras sichtbar die Linie, bevor ihn Englands Routinier John Terry wieder ins Feld beförderte.Was alle TV-Kameras einfingen, was alle Menschen im Stadion später zu sehen bekamen und was als die Fehlentscheidung dieser EM-Vorrunde in die Rückblicke eingehen wird, hatte der Torrichter nicht erkannt. „Das ist eine Tatsachenentscheidung“, meinte Hart nur gleichsam lapidar wie erleichtert. Das Spiel lief weiter, die Ukraine war um den verdienten Ausgleich gebracht – und musste sich am Ende nach dem 0:1 durch das Tor von Wayne Rooney von dieser EM verabschieden.Für die Turnierstimmung ein herber Verlust, für die Europäische Fußball-Union ein schwerer Rückschlag. Bis zu diesem letzten Vorrunden-Spieltag hatten sie in der UEFA von Schiedsrichterchef Pierluigi Collina bis zu Präsident Michel Platini noch alle das erstmals bei einer großen Veranstaltung getestete System mit den sogenannten additional assistant referees gepriesen.„Das ist das Turnier mit den besten Schiedsrichterleistungen bisher“, hatte Platini noch am Montag in seiner Vorrundenbilanz gesagt und seine Kritik an der von der FIFA favorisierten Torlinientechnologie erneuert. „Man braucht solche Systeme nicht, Technik, Satellit, GPS oder Chip im Ball“, hatte der Franzose betont und gesagt, dass das legendäre nicht-gegebene Tor von Frank Lampard im Spiel gegen Deutschland bei der WM 2010 in Südafrika mit einem Torrichter auf alle Fälle erkannt worden wäre. „Weil es sein Job ist, zu sehen, ob der Ball hinter der Linie ist“, sagte Platini.Nur einen Tag später sollte ihn diese Aussage einholen. Denn beim ukrainischen Torklau tauchte wieder die Frage auf, warum es bei der EURO Torrichter gibt, wenn diese trotz bester Sicht auf das Geschehen in kritischen Momenten versagen.So wie übrigens auch der Torrichter Florian Mayer beim ausgebliebenen Elfmeterpfiff von Wolfgang Stark nach dem Foul von Sergio Ramos an Mario Mandzukic im Spiel Spanien gegen Kroatien. „Der Treffer hätte das Spiel verändert“, klagte Ukraines Superstar Andrej Schewtschenko nach dem Torklau von Donezk, „ich denke nicht, dass es Diebstahl war, aber ich verstehe nicht, warum wir keine Technologie benutzen.“dpa