Im März lag die Teuerungsrate in Südtirol zum 13. Mal in Folge über 5 Prozent. Die Südtiroler Arbeitnehmer sind um ein Sechstel ärmer als noch 2021 – das zeigt eine aktuelle Studie. Vor diesem Hintergrund forderten die heimischen Gewerkschaften geschlossen eine Lohnerhöhung von 100 bis 150 Euro brutto für alle Südtiroler Arbeitnehmer. Mit dieser Forderung gingen sie heute in die Verhandlungen mit den Arbeitgebervertretern – allesamt Mitglieder im Südtiroler Wirtschaftsring. <BR /><BR />Was unterm Strich dabei herausschaute, war aus Sicht der Gewerkschaften – und damit der Arbeitnehmer – mehr als ernüchternd: „Die Idee wurde kurzerhand begraben“, so ASGB-Chef Tony Tschenett erbost. „Zwar zeigten die Arbeitgeberverbände Verständnis für die schwierige Situation, in der sich mittlerweile viele Südtiroler befinden, aber man ist nicht bereit, etwas dagegen zu tun. Das ist beschämend“, erläutert Tschenett gegenüber s+. <BR /><BR /><embed id="dtext86-59327881_quote" /><BR /><BR />Der Weg über ein zusätzliches, lokales Lohnelement wäre einfach, schnell und unbürokratisch möglich gewesen. „Jeder Südtiroler hätte damit unmittelbar mehr in der Lohntüte gehabt. Doch darauf wollte man sich nicht einlassen.“ Vielmehr habe man größtenteils auf Rom verwiesen. Man wolle erst die Anpassung der gesamtstaatlichen Kollektivverträge abwarten, so der Tenor. „Dass wir so lange nicht warten können, dürfte angesichts der extrem gestiegenen Lebenshaltungskosten in Südtirol auf der Hand liegen.“ <BR /><BR />Tschenett führt das Beispiel Handel an: „Dort gibt es zwar ein lokales Lohnelement, das liegt allerdings nur bei 8 Euro im Monat. Das ist ein Witz, wenn man bedenkt, dass sogar in Palermo 10 Euro bezahlt werden.“ Und: „Sieht man sich im Handel die Löhne genauer an, stellt man fest, dass in den meisten Fällen nur der Tariflohn bezahlt wird. Das passt einfach auf keine Kuhhaut, wenn in Südtirol ein Mitarbeiter mit 1300 Euro im Monat auskommen muss.“ In anderen Branchen sei die Situation ähnlich – und trotzdem weigere man sich, etwas zu unternehmen. „Eine Ausnahme im positiven Sinne bildet die Industrie, in der die Möglichkeit eines zusätzlichen Lohnelements nicht besteht, aber in letzter Zeit vielfach über Betriebsabkommen die Löhne angepasst wurden. Da ist wirklich schon sehr viel passiert.“ <h3> Tschenett will sich nicht geschlagen geben</h3>Alle anderen Arbeitnehmer würden zurecht die Welt nicht mehr verstehen: „Überall steigen die Löhne, in Österreich und Deutschland teils um 11 bis 12 Prozent, hierzulande geschieht nichts, absolut rein gar nichts. Diese Ausreden kann ich einfach nicht mehr hören“, so Tschenett, der sich nach wie vor kämpferisch zeigt. Obwohl die 100-Euro-Idee begraben ist, will sich der ASGB-Chef nämlich weiter für Lohnerhöhungen einsetzen: „Nächste Woche wird es eine gemeinsame Pressekonferenz aller Gewerkschaften geben. Dabei werden wir unsere Maßnahmen vorstellen.“ <BR /><BR />Zu diesen Maßnahmen gehören laut Tschenett auch Protestkundgebungen: „Wir werden auf die Straße gehen, das steht fest.“<BR /><BR /><embed id="dtext86-59330483_quote" /><BR /><BR />Die harsche Kritik von Gewerkschaftsseite weist man beim Wirtschaftsverband hds entschieden zurück: „Es stimmt, dass wir der Idee mit den 100 Euro als lokales, interkonföderales Element nicht viel abgewinnen können. Das hat aber einen einfachen Grund: Aktuell laufen in Rom Kollektivvertragsverhandlungen. Denen mit einem zusätzlichen Lohnelement vorzugreifen, wäre nicht sonderlich geschickt“, so hds-Direktorin Sabine Mayr. „Wenn wir wissen, wie die neuen Verträge aussehen, sind wir gerne bereit, uns über ein territoriales Zusatzabkommen zu unterhalten, sektoriell, nicht sektorenübergreifend – wie wir es in Vergangenheit ja auch immer gemacht haben.“ Man sperre sich also nicht gegen Lohnerhöhungen – das Gegenteil sei der Fall. <BR /><BR />Wie lange können sich die gesamtstaatlichen Verhandlungen aber noch hinziehen? „Wir gehen davon aus, dass sie noch heuer zum Abschluss gebracht werden. Das ist auch das, was wir von unseren Kollegen von Confcommercio hören.“ Zudem seien über die nationale Schiene Einmalzahlungen beschlossen worden, um die schwierige Situation zu überbrücken: „Den Mitarbeitern in der 4. Kategorie wurden im Jänner und März je 150 Euro brutto ausbezahlt, zusätzlich im April noch einmal 30 Euro“, so Mayr. <BR />