Wir haben mit Stefan Luther, dem Direktor des Arbeitsmarktservice, darüber gesprochen, wer diese Personen sind – und was sich jetzt für sie ändert.<BR /><BR /><b>Herr Luther, in Südtirol beziehen durchschnittlich 15.000 Personen Arbeitslosengeld. Wer sind diese Personen?</b><BR />Stefan Luther: Es ist eine sehr breite Palette, die hier vertreten ist, von Personen, die schwer vermittelbar sind, bis hin zu jenen, die eigentlich leicht vermittelbar sind. Durchschnittlich sprechen wir von etwa 15.000 Personen, die Arbeitslosengeld beziehen, doch eigentlich sind es viel mehr. Immerhin sind es nicht immer die gleichen 15.000 Leute – abgesehen von einem harten Sockel, der kaum mehr in den Arbeitsmarkt zu integrieren ist. Man kann es sich vorstellen wie ein Bus, der von A nach B fährt. Immer wieder steigen Leute ein, dann wieder aus, dafür andere wieder ein. Und dann gibt es jene, die die ganze Strecke mitfahren. Hinter der Durchschnittszahl von 15.000 Arbeitslosen stehen also vielmehr 25.000 bis 30.000 Personen, die ab und an Arbeitslosengeld beziehen.<BR /><BR /><b>Wie viel Prozent davon sind saisonale Arbeiter, die nur in der Zwischensaison Arbeitslosengeld beziehen?</b><BR />Luther: Der Anteil jener, die zwischen Arbeitslosigkeit und Arbeit pendeln, schwankt je nach Monat sehr stark, immerhin ist dieses Phänomen stark saisonal ausgeprägt. So waren im Februar 2023 von 17.348 Personen, die Arbeitslosengeld bezogen, 7800 saisonal angestellt. Aufs ganze Jahr gerechnet sind es meist 40 Prozent, manchmal auch über 50 Prozent, im November erreichen wir auch 60 Prozent. Dafür sind es im August dann 20 Prozent, das sind dann jene, die nur im Winter arbeiten. Auch hier sind wir gesetzlich verpflichtet, genauer hinzuschauen und zu prüfen, ob sie nicht doch für den Arbeitsmarkt verfügbar wären. Bei einigen dauert es nämlich recht lange, bis die nächste Saison wieder beginnt. Problematisch sind natürlich auch jene Fälle, die aufgrund ihrer persönlichen Situation oder mangelnden Qualifikation wenig Chancen bei einem Arbeitgeber oder aber kein wirkliches Interesse haben, eine Beschäftigung aufzunehmen, und daher allerhand Gründe vorschieben oder sich entsprechend bei Vorstellungsgesprächen bewusst negativ verhalten, damit es zu keiner Zusage kommt.<BR /><BR /><b>Wird in Zeiten des Arbeitskräftemangels verstärkt versucht werden, Saisonarbeiter auch außerhalb der Saison zu mobilisieren?</b><BR />Luther: Hier ist zu betonen, dass es viele gibt, die mit der aktuellen Situation zufrieden sind. Vielen Arbeitgebern und Beschäftigten ist es recht sein, wenn ihre Angestellten bzw. die Beschäftigten selbst außerhalb der Saison Arbeitslosengeld beziehen und sozusagen „versorgt“ sind, bis sie ihre Stelle wieder antreten. Diese Form geschützter Arbeitslosigkeit fördert dann sozusagen das Gastgewerbe – eine These, die bereits vor 25 Jahren diskutiert wurde. <BR /><BR />Aber gerade in Zeiten wie diesen wird sich das nicht mehr immer rechnen. Wir werden es uns nicht mehr leisten können, Personen ein halbes Jahr oder länger zu überbrücken. Die Weitervermittlung an einen Betrieb ist dabei aber nicht ganz einfach. Die neue Beschäftigung muss innerhalb eines gewissen Radius liegen, gewisse Qualifikationen fordern und eine gewisse Entlohnung bieten – ein angemessenes Stellenangebot also. Hier macht es uns der Gesetzgeber nicht leicht, die Regeln sind zu sehr auf Schutz ausgerichtet und zu wenig auf Aktivierung. Arbeitslosengeldbezug ist aber nicht bedingungslos, sondern an Auflagen gebunden. Kommt ein Arbeitsloser seinen Verpflichtungen nicht nach, wird er auch sanktioniert.<BR /><BR /><b>Was genau sind das für Sanktionen?</b><BR />Luther: Es gibt 3 Stufen. Die erste ist der Einbehalt eines Viertels des Monatsbezuges, die zweite ist der Einbehalt des ganzen Monatsbezuges, und als dritte Stufe droht die totale Aberkennung des Arbeitslosengeldes. Mit der Aufstockung des Personals und der besseren und vor allem intensiveren Betreuung und Kontrolle, ob die Vereinbarungen eingehalten werden, geht es uns aber keineswegs darum, einfach nur mehr zu sanktionieren, im Gegenteil. Wir nehmen unsere Arbeitslosen mehr in die Pflicht, bieten ihnen aber auch neue Chancen und Angebote. Und werden bei jenen, die glauben zu wissen, wie man das System umgehen kann, genauer hinschauen. Und dann entsprechend auch verstärkt Sanktionen verhängen müssen. <BR /><BR /><b>Neben den Saisonarbeitern gibt es auch Frauen, die nach ihrer Mutterschaft Arbeitslosengeld beantragen, um länger zu Hause bleiben zu können. Werden auch sie künftig strenger ins Auge gefasst?</b><BR />Luther: Ehrlich gesagt: Im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes lassen wir die Mütter mal vorerst noch „in Ruhe“. Immerhin haben sie rechtlich durchaus die Möglichkeit, Arbeitslosengeld zu beantragen. Meiner Meinung müsste man sich hier eher die Frage stellen, ob das Arbeitslosengeld auch wirklich das richtige Instrument ist, die Mutterschaft zu verlängern. Immerhin waren im Februar von den 17.000 Arbeitslosen 2000 Mütter eingetragen. Jedenfalls: Im ersten Lebensjahr des Kindes kontaktieren wir sie selten. Erst danach klären wir die Situation. Grundsätzlich ist der Wiedereinstieg der Mütter aber relativ hoch – und das, obwohl er meist mit einer beruflichen Herabstufung einhergeht, was durchaus auch kritisch gesehen werden darf. In den meisten Fällen hatten die Frauen vor der Schwangerschaft einen besseren Job mit höherem Gehalt und interessanteren Karriereaussichten. Gar einige kehren in eine schlechtere Anstellung unter ihrer Qualifikation zurück, weil der Arbeitsort näher liegt und nur so mit den Familienverpflichtungen vereinbar ist.<BR /><BR /><b>Wie wird das Arbeitslosengeld berechnet?</b><BR />Luther: Es richtet sich nach mehreren Parametern. Für den zeitlichen Rahmen werden die vergangenen 4 Jahre berücksichtigt: Hat der Antragsteller in den letzten 4 Jahren durchgehend gearbeitet, hat er Anspruch auf 2 Jahre Arbeitslosengeld – also die Hälfte der Zeit. Finanziell ist der Betrag nach oben gedeckelt, bis zu 1360 Euro brutto. Nach 4 Monaten wird das Arbeitslosengeld jeden Monat um 3 Prozent gekürzt.<BR /><BR /><b>In Kürze werden die Arbeitsvermittlungszentren personell aufgestockt, bis zu 60 Neueinstellungen sind geplant. Was erhofft man sich dadurch?</b><BR />Luther: Mit dem Zuwachs hoffen wir auf eine bessere und auch intensivere Betreuungsarbeit. Derzeit arbeiten wir in Betreuungsgruppen, die je nach Bedarf intensiver oder weniger intensiv begleitet werden. Dabei wollen wir vor allem die Intensität in den ersten Monaten erhöhen, denn genau diese ersten Monate sind entscheidend für den Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt. Wenn wir das schaffen, vermeiden wir die Langzeitarbeitslosigkeit, weil die Personen gar nicht erst in diese Haltung abdriften. <BR /><BR />Ebenfalls wichtig ist: Je mehr Betriebe uns ihre Arbeitsangebote schicken, desto leichter schaffen wir es, Leute zu vermitteln. Und da ist noch Luft nach oben. Dies ist schließlich entscheidend für unseren Erfolg. Der Aufbau des Arbeitgeberservices ist daher in unserem Fokus und ein Drittel des neuen Personals wird sich vor allem darum kümmern.<BR /><BR />Interview: Elisabeth Turker