Wir haben bei Marketing-Direktor Wolfgang Töchterle nachgefragt. <BR /><BR /><b>Herr Töchterle, Südtirol ist als Urlaubsdestination vielerorts bereits wohlbekannt. Warum setzt IDM Südtirol dennoch weiterhin auf dessen Bewerbung?</b><BR />Wolfgang Töchterle: Es stimmt: Auch ohne Werbung würden Menschen nach Südtirol strömen. Die Frage ist eher: Welche Gäste wollen wir in Südtirol? Solche, die ein- bis zweimal in Südtirol übernachten, ein Instagram-Foto schießen und sich dabei wenig für unsere Kultur und unser hochwertiges Angebot interessieren? Oder wollen wir einen Kunden, der sich eine ganze Woche Zeit nimmt, das Land und seine Menschen kennenzulernen und unsere Wertehaltung teilt, unsere Nachhaltigkeitsbestrebungen versteht und auch unterstützt, indem er zum Beispiel die öffentlichen Verkehrsmittel nutzt? Um ebendiesen Gast nach Südtirol zu bringen, muss man nun mal in hochwertigen Medien wie „Die Zeit“, „Neue Zürcher Zeitung“ oder „Brand Eins“ präsent sein, um nur einige Beispiele zu nennen. Diese und andere Medien werden von unserer Wunschzielgruppe gelesen. Es geht also nicht um mehr Gäste, sondern um die richtigen Gäste für Südtirol, die unsere Betten füllen.<BR /><BR /><b>Wo findet man diese Gäste, welche Märkte werden hier gezielt angesprochen?</b><BR /> Töchterle: Unser Fokus liegt auf den Hauptmärkten Deutschland und Italien, gefolgt von der Schweiz und Österreich, die durch ihre geografische Nähe und Südtirol-Affinität ein hohes Potenzial aufweisen. Weiters investieren wir in die Aufbaumärkte Niederlande und Belgien sowie in Tschechien und Polen. Eine breitangelegte Potenzialanalyse hat ergeben, dass gerade die Hauptmärkte in der Nebensaison noch Luft nach oben von 300 Prozent und mehr haben. So ist Südtirol etwa in Norddeutschland rund um Hamburg, Berlin oder Leipzig derzeit noch wenig bekannt. <BR /><BR /><b>Hat es in letzter Zeit größere Veränderungen im Südtirol-Marketing gegeben, und wenn ja, welche?</b><BR />Töchterle: Absolut, unser Marketing hat einen radikalen Paradigmenwechsel erlebt: Erstens konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Nebensaisonen Frühling und Herbst sowie die Randperioden des Winters, also auf die Saisonen mit geringerer touristischer Auslastung. Für die Hauptsaisonen schalten wir seit Jahren keine Werbekampagnen mehr. <BR /><BR />Zweitens wenden wir uns sehr selektiv an die passenden Zielgruppen. Wir sprechen also gezielt Menschen an, die einen naturnahen Urlaub in der Nebensaison planen und somit ausgetretene Pfade meiden, wenn man so will. So tragen wir dazu bei, die Saisonen zu entzerren, was viele Vorteile hat: Für die Unterkunftsbetriebe bedeutet es eine bessere Auslastung und in der Konsequenz bessere Arbeits- und Vertragsbedingungen für die Mitarbeiter, die dann auch ganzjährig angestellt werden können. Derzeit haben im Jahresschnitt 35 Prozent der mehr als 40.000 Mitarbeiter im Tourismus nur Saisonsverträge. Eine bessere Auslastung in der Nebensaison hilft auch den „Urlaub auf dem Bauernhof“-Betrieben. Wenn es sich lohnt, am Berg zu bleiben, ist das auch ein Garant dafür, dass unsere Kulturlandschaft weiter gepflegt bleibt. Gleichzeitig vermeiden wir ein Preisdumping der großen Betriebe in der Nebensaison, das die kleinen Betriebe unter Druck setzt. Und natürlich werden auch Verkehrsströme vor Ort entzerrt, wobei wir auch proaktiv und gemeinsam mit Deutscher Bahn, Österreichische Bundesbahnen und Trenitalia die Anreise mit der Bahn bewerben.<BR /><BR /><b>Gibt es auch neue Märkte, die als Tourismusquelle noch nicht erschlossen sind und man nun ins Auge fasst, etwa China, die USA oder Indien?</b><BR />Töchterle: Wie gesagt: Wir konzentrieren uns auf die bestehenden Märkte mit noch ausreichend Potenzial für die Nebensaisonen. Diese Gäste reisen in der Regel auch nachhaltiger an als Gäste aus weiter entfernten Märkten wie etwa USA, China oder Indien, die auf das Flugzeug angewiesen sind. Außerdem müssen wir natürlich mit den zur Verfügung stehenden Budgets so effizient wie möglich wirtschaften. Neue, weit entfernte Herkunftsmärkte würden enorme Budgets über viele Jahre hinweg erfordern, und da stellt sich dann die Frage nach der Rentabilität. <BR /><BR /><b>Also rentiert es sich mehr, in bereits erschlossene Märkte weiter zu investieren, als neue zu erschließen...</b><BR />Töchterle: Ganz klar – denn hier können wir auch mit den Nebensaisonen und der nachhaltigen Anreise die richtigen Themen setzen, anstatt erklären zu müssen, wo Südtirol überhaupt liegt. Oft hören wir das Argument, dass eine höhere Zahl an Märkten das Risiko im Krisenfall reduzieren würde, was grundsätzlich im Ansatz korrekt sein kann. Man bedenke allerdings: Wenn es Deutschland oder Italien wirtschaftlich schlecht geht, dann gilt das in der Regel auch für die anderen europäischen Märkte. Alles hängt zusammen. Kein Land ist eine Insel. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="873092_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie groß ist das Budget für Südtirol-Werbung in Italien und ins Ausland, und in welche Länder fließt es zu welchen Teilen?</b><BR />Töchterle: Wir investieren pro Saison zwischen 1,5 und 2 Millionen Euro in die touristische Bewerbung. Dazu kommen Budgets von lokalen Destinationen, die sich im Windschatten der Südtirol-Kampagnen positionieren möchten. Der größte Anteil geht mit rund 50 Prozent in die deutschsprachigen Märkte, also Deutschland, die Schweiz und Österreich. Knapp 30 Prozent fließen nach Italien, der Rest verteilt sich auf die internationalen Aufbaumärkte, in denen man aufgrund der geringen Ländergröße und der eingeschränkten Medienlandschaft meist deutlich günstiger einkauft. <BR /><BR />Durch die derzeit diskutierte Reform der Ortstaxe wird unser Budget für die touristische Südtirol-Werbung übrigens nicht signifikant erhöht, es ändert sich nur die Finanzierungsquelle: Der Anteil der Ortstaxen wird erhöht, dafür streicht das Land Beträge aus der Basisfinanzierung. Das heißt also: Der Steuerzahler wird entlastet, der Gast finanziert über die Ortstaxe entsprechend mehr. Wie zusätzliche Gelder auf Seiten der Tourismusorganisationen investiert werden, entscheiden diese autonom.<BR /><BR /><b>Auf welchen Kanälen und mit welchen Werbeformen macht die IDM auf Südtirol als Reiseziel aufmerksam?</b><BR />Töchterle: Für die zielgenaue Ansprache der richtigen Zielgruppen kommen mehr und mehr digitale Medien zum Einsatz. Das minimiert Streuverluste, da Gäste deutlich gezielter und zum Teil sogar persönlich angesprochen werden können. <BR /><BR />Aber auch der Kontext ist wichtig: So kommunizieren wir aktuell den warmen Südtiroler Frühling auf digitalen Premium-Bildschirmen in Fußgängerzonen deutscher Städte mit noch kalten Außentemperaturen oder auf Wetterportalen mit Werbeformaten, die den klimatischen Unterschied hervorstreichen und damit Begehrlichkeit für unsere südliche Destination auslösen. Zudem setzen wir vermehrt auf Bewegtbild, also auf Videos bis hin zu TV-Spots im Connected-TV (Digital-TV) oder auch mal spektakulär auf der Großleinwand in Kinos. Zahlreiche Studien belegen, dass Bewegtbild beim potenziellen Gast die stärksten Emotionen auslöst und auch besser im Gedächtnis bleibt. <BR /><BR /><b>Gibt es signifikante Unterschiede in der Werbung zwischen verschiedenen Märkten oder Ländern?</b><BR />Töchterle: Die Maßnahmen richten sich immer nach der Zielsetzung. Um die Marke Südtirol in den Aufbaumärkten, in denen wir weniger bekannt sind, klar zu positionieren, braucht es Medien mit großer Reichweite in Kombination mit starker redaktioneller Berichterstattung. Wir müssen unser Land und sein Angebot in Form von Geschichten erzählen. Diese authentische, redaktionelle Berichterstattung durch einen Journalisten erhält man aber kontinuierlich nur dann, wenn man in das jeweilige Medium auch investiert. Auch deshalb ist bezahlte Werbung als Säule in der Kommunikation nicht ausgrenzbar.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="873095_image" /></div> <BR />In näher gelegenen Märkten können wir zielgenau in digitalen Medien Themen zu Südtirol sowie konkrete Angebote platzieren. Hohe Aufmerksamkeit in kurzer Zeit erreichen wir hier zum Beispiel mit Außenwerbung in Ballungsräumen. <BR /><BR /><b>Gibt es auch altersspezifische Werbeformate?</b><BR />Töchterle: Natürlich wissen wir um die Tatsache, dass jüngere Zielgruppen auf sogenannten linearen Medien wie TV oder Print sowie nicht-digitalen Kanälen nur noch schwer erreichbar sind. Wir sind daher auch auf den Social Media präsent, also auf Facebook, Instagram, YouTube & Co, selektieren aber sehr genau die Kunden, mit denen wir auf diesen Kanälen sprechen. Ein positiver Effekt ist jener, dass man in diesen Kanälen im Idealfall Gespräche erzeugt. Es sind dialogorientierte Medien, in denen sich Menschen mit Themen und Angeboten auseinandersetzen und diese kostenlos weiterverbreiten.<BR /><BR /><b>Welche Strategien würde die IDM für Märkte anwenden, die Südtirol vielleicht noch gar nicht kennen?</b><BR />Töchterle: Wie schon erwähnt, kommen solche Märkte für klassische Werbekampagnen nicht in Frage. Die finanziellen Mittel dafür sind schlicht nicht vorhanden. Vielmehr unterstützen wir im Falle solcher Märkte die jeweiligen Reiseveranstalter, das heißt wir helfen ihnen dabei, passende Unterkünfte für ihr Programm zu finden. Dies tun wir gemeinsam mit den privaten Incoming-Agenturen in Südtirol, die sich darauf spezialisiert haben. <BR /><BR /><b>Was, wenn das Budget der IDM größer wäre, sagen wir mal um 20, 30 Millionen Euro?</b><BR />Töchterle: So verlockend diese Summen für einen Marketer klingen, sie wären übertrieben. Einen Teil davon würden wir allerdings gut im Sinne der ganzheitlichen Kommunikation der Regionenmarke Südtirol investieren können, so wie wir das erstmals bei der Brandkampagne 2020 bis 2022 mit weit bescheideneren Budgets gemacht haben. <BR /><BR />Die Werbewirkungsmessungen haben bestätigt, dass sich starke Wechselwirkungen zwischen Tourismus, Agrarprodukten und Südtirol als Standort für innovatives Handwerk und Industrie ergeben. Soll heißen: Wenn ich Südtirol ganzheitlich zeige, profitieren alle Wirtschaftssektoren davon. Eine starke Marke Südtirol sichert vor allem in Krisenzeiten den sicheren Absatz der Produkte zum richtigen Preis. Dies wiederum kommt allen Südtirolern zugute, weil dadurch Arbeitsplätze erhalten bleiben und faire Löhne bezahlt werden können. <BR /><BR />