Bahnbrechend ist das Urteil (Nr. 25698/2022) vor allem deshalb, weil nun, nach Jahrzehnten der falschen Handhabung durch den italienischen Staat, endlich die internationale Doppelbesteuerung beseitigt wird, die dadurch entstanden ist, dass dieselben Dividenden eines Steuerpflichtigen in mehreren Staaten besteuert wurden. Was das bedeutet, erklärt Steuerexperte Gert Gasser*.<h3> Die Besteuerung von Dividenden</h3>Natürliche Personen, die in Italien ansässig sind und Dividenden ausländischer Herkunft erhalten, unterliegen im Normalfall einer Quellensteuer in Höhe von 26 Prozent, die von der an ihrer Einhebung beteiligten Bank anzuwenden ist, oder, falls es keine Bank gibt, einer Ersatzsteuer zum gleichen Satz, welche der Steuerzahler im Rahmen der Abgabe seiner Steuererklärung erklären und abführen muss. <BR /><BR />Die Dividenden werden im Normalfall jedoch auch im Quellenstaat besteuert, in dem die ausländische Gesellschaft ihren Sitz hat. <BR /><BR />In der Theorie dürfte es eine Doppelbesteuerung zwar gar nicht geben, weil es zwischen Italien und den wichtigsten Staaten sogenannte Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) gibt, die eine Besteuerung desselben Einkommens bei einer Ansässigkeit des Steuerzahlers in Italien und der Auszahlung in einem anderen Staat verhindern sollte. Um die Doppelbesteuerung zu vermeiden, wird die im Ausland bezahlte Steuer angerechnet.<h3> Probleme mit Doppelbesteuerung</h3>In der Praxis allerdings gab es Probleme, da sich das Finanzamt bei der Beurteilung dieser internationalen Sachverhalte primär an das italienische Steuerrecht hielt und nicht an das eigentlich übergeordnete internationale Recht, welches in den DBAs eine günstigere Besteuerung vorsah. <BR /><BR />Laut italienischem Steuerrecht können die im Ausland bezahlten Steuern nur unter der Bedingung angerechnet werden, dass die Einkünfte aus ausländischer Quelle zum Gesamteinkommen dazugezählt werden und somit der progressiven Einkommensteuer unterliegen. Da die Dividenden aus ausländischer Herkunft jedoch in Italien immer einer Quellen- bzw. Ersatzsteuer in Höhe von 26 Prozent unterliegen und man für diese Einkommen nicht die Option für die progressive Besteuerung wählen darf, war laut der restriktiven Auslegung des italienischen Finanzamtes auch die Anrechnung der im Ausland bezahlten Steuern nicht möglich. <BR /><BR />In Zahlen ausgedrückt: Bezog eine in Italien ansässige Person eine Dividende aus Deutschland, unterlag diese bis dato im Quellenstaat Deutschland einer Besteuerung in Höhe von 15 Prozent und dann zusätzlich auch im Ansässigkeitsstaat Italien einer Ersatzsteuer mit 26 Prozent. <BR /><BR />Dies hatte unter anderem auch zur Folge, dass ein Dividendeneinkommen aus dem Ausland wesentlich höher besteuert wurde wie das gleiche Einkommen aus italienischer Quelle, welches ausschließlich einer Ersatzsteuer in Höhe von 26 Prozent unterlag. Das stellte aber eine Diskriminierung zu Ungunsten der ausländischen Gesellschaften und damit auch eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar.<BR /><BR />Damit ist nun endlich Schluss. Nun hat der Oberste Kassationsgerichtshof in seinem Urteil 25698/2022 eindeutig das Recht von natürlichen Personen auf die Anrechenbarkeit der ausländischen Steuern auf Dividendenzahlungen bestätigt. <h3> Internationales Recht herrscht vor</h3>Primär bekräftigt der Kassationsgerichtshof, dass der Konflikt zwischen dem italienischen Steuergesetz und der übergeordneten internationalen Abmachung des DBAs zu Gunsten der vorrangigen internationalen Abmachungen entschieden werden muss. <BR /><BR />Die meisten von Italien abgeschlossenen DBA (einschließlich des Abkommens mit den Vereinigten Staaten, das Gegenstand des vom Obersten Gerichtshofs geprüften Falles war) sehen vor, dass Italien die Steuergutschrift anerkennen muss, es sei denn, das Einkommen unterliegt auf Antrag des Steuerpflichtigen einem Quellensteuerabzug. Da die Dividenden aus ausländischer Quelle laut geltendem italienischem Steuerrecht jedoch zwingend dem Quellensteuerabzug unterliegen – und der Steuerpflichtige gar nicht dafür optieren kann –, dürfen Steuerzahler die ausländischen Steuern anrechnen. Dies gilt zum Beispiel für Dividenden aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, aus Amerika, und Frankreich.<BR /><BR />Die Anrechnung der im Ausland bezahlten Steuer ist gemäß oberstem Gerichtshof nur dann weiterhin auszuschließen, wenn das mit dem ausländischen Staat abgeschlossene DBA dies ausdrücklich vorsieht: Dass also die Gutschrift auch dann nicht anerkannt wird, wenn der Einkommensbestandteil zwingend der Quellensteuer unterliegt. Dies betrifft jedoch eher exotische Staaten wie Jamaika, Saudi-Arabien und Hong Kong, und nicht den Großteil der Abmachungen, die Italien geschlossen hat. <h3> Wie geht man nun vor?</h3>Für die heurige Steuererklärung betreffend die Steuerperiode 2021 kann man mit dem aktuellen Modell keine Anrechnung erzielen. Wer 2021 oder in den vorhergehenden Jahren eine Doppelbesteuerung auf Auslandsdividenden hinnehmen musste, muss einen Rückerstattungsantrag an das Finanzamt stellen. Beim aktuellem Stand der Dinge ist davon auszugehen, dass man hierzu ein Steuerstreitverfahren anstrengen muss, um zu seinem Geld zu kommen.<BR /><BR />Für das nächste Jahr ist davon auszugehen, dass das Finanzamt die Anrechnung direkt in der Steuererklärung ermöglicht.<BR /><BR />Interessantes Detail am Rande: Der im Jahr 2022 entschiedene Fall bezog sich auf die Steuerzahlung des Jahres 2005 – es brauchte somit 17 Jahre, damit das Unrecht endlich beseitigt wurde. Dass so lange gestritten wurde, gereichte zwischenzeitlich dem italienischen Staat eindeutig zum Vorteil – er konnte so 17 Jahre Milliarden mehr kassieren, als ihm eigentlich zugestanden wären. <BR /><BR /><i>* Gert Gasser ist Steuerberater und arbeitet in der Kanzlei Gasser, Springer, Perathoner, Eder & Oliva  in Bozen, Lana und Naturns.</i><BR />