Die Vereinfachungsverordnung der italienischen Regierung bringt einige wichtige Neuerungen mit sich. Von öffentlichen Aufträgen bis zum Superbonus: die Maßnahmen im Detail. <BR /><BR /><BR />Die als „Vereinfachungsverordnung“ (decreto semplificazioni 77/2021) bezeichneten Bestimmungen sollen auch zur Überwindung der digitalen Kluft in der Bevölkerung beitragen und die Ausstellung von öffentlichen Bescheinigungen über das Internet fördern. Vereinfachungen sind auch für den sogenannten Superbonus von 110 Prozent für die energetische Sanierung von Gebäuden vorgesehen. Mit der Verordnung wird auch ein Verwaltungsapparat geschaffen, der die rasche und genaue Verwirklichung der im Aufbauplan vorgesehenen Projekte gewährleisten soll.<BR /><BR /><b>Öffentliche Aufträge schneller vergeben</b><BR /><BR />Mit der Vereinfachungsverordnung soll die Vergabe von öffentlichen Bau-, Dienstleistungs- und Lieferaufträgen beschleunigt werden. Das ist besonders für jene Mittel von Bedeutung, die von der EU für den Aufbau- und Resilienzplan sowie für andere Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Es handelt um insgesamt 248 Milliarden Euro, wovon ein Teil als Zuschüsse gewährt wird, die nicht zurückbezahlt werden müssen. Der größere Teil wird mit Darlehen finanziert, wozu die EU Anleihen auf den Finanzmärkten platziert. Diese Darlehen müssen ratenweise ab 2026 zurückbezahlt werden.<BR /><BR />Die Finanzierungen der EU sind mit Auflagen verbunden. Insbesondere müssen die verschiedenen Projekte bis 2026 abgeschlossen werden. Aus diesem Grund hat die Regierung mit der Vereinfachungsverordnung die Durchführung von öffentlichen Bau-, Dienstleistungs- und Lieferaufträgen beschleunigt.<BR /><BR /><b>Ein heißes Eisen</b><BR /><BR /> Die öffentliche Vergabeordnung ist äußerst komplex, weil so für alle Bieter möglichst faire und transparente Zugangsbedingungen geboten werden sollen. Abhängig von der Auftragshöhe sind Schwellenbeträge vorgesehen, bis zu denen vereinfachte Vergabeverfahren angewandt werden können. Für größere Aufträge ist die EU-weite Veröffentlichung vorgesehen, um so einen entsprechend breiten Wettbewerb zu sichern.<BR /><BR />Ein heißes Eisen im Zusammenhang mit öffentliche Bauaufträgen ist die Weitergabe von Aufträgen an Subunternehmer (subappalto). Dazu wurde ein Kompromiss gefunden: Bis 31. Oktober können bis zu 50 Prozent der Aufträge an Subunternehmer weitergegeben werden. Diese sind besonders verpflichtet, die Arbeitsschutzbestimmungen und die einschlägigen Kollektivverträge einzuhalten. Ab 1. November sind die Regeln der EU-Richtlinie für die Vergabe von Arbeiten an Subunternehmer einzuhalten. Immer aktuell bleiben die Vorschriften, die besonders den Ausschluss der Mafia und anderer krimineller Organisationen von der Beteiligung an öffentlichen Bau- und Lieferauftragen möglichst verhindern sollten.<BR /><BR />Um die Bauvorhaben für große Infrastrukturvorhaben zu beschleunigen, sind die Fristen für die Umweltverträglichkeitsprüfung und anderer Genehmigungen verkürzt und die Verfahren vereinfacht werden. Um die Beschäftigung von Frauen sowie von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu fördern, sind für solche Maßnahmen entsprechende positive Bewertungen für die eingereichten Angebote vorgesehen.<BR /><BR /> Auch für Südtirol dürfte interessant sein, dass die direkte Vergabe von Dienstleistungen nun bis zu einem Betrag 139.000 Euro möglich ist.<BR /><BR /><b>Digitale Kluft überwinden</b><BR /><BR />Wer das Internet nicht nutzen kann und auch keinen Zugang zu anderen elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten hat, dem entgehen wichtige gesellschaftliche und wirtschaftliche Gelegenheiten. Im Zusammenhang mit dem Aufbauplan (Piano nazionale di recupero e resilienza) soll deshalb die digitale Kluft abgebaut werden. Ausschlaggebend für die Benachteiligung sind das Alter, die Zugehörigkeit zu schwachen Schichten und ein unzureichender Internetzugang. <BR /><BR />Für Menschen, die aufgrund ihres Alters oder wegen einer geistigen Behinderung das Internet nicht benutzen können, besteht nun die Möglichkeit, dazu eine andere Person zu beauftragen. Ein Vater oder Großvater, der sich mit dem elektronischen „Zeug“ nicht plagen will, könnte damit zum Beispiel eines seiner Kinder oder einen Neffen beauftragen. Für eine geistig behinderte Person könnte ein Sachwalter diese Aufgabe übernehmen. Die Beauftragten können so mit ihrem eigenen SPID-Internet-Code auch auf Informationen für die Person zugreifen, in deren Auftrag sie den Internet-Zugang durchführen. Besonders wichtig dürfte der Zugang zur Internetplattform des staatlichen Instituts für soziale Vorsorge INPS sein. Auch die persönlichen Daten sowie die betreffenden Steuerforderungen und -guthaben auf dem geschützten Teil der Plattform der Einnahmenagentur werden sicher von Bedeutung sein.<BR /><BR />Um diesen neuen Dienst für beauftragte Internetnutzer nutzen verwenden zu können, dürfte es wahrscheinlich noch bis Oktober dauern.<BR /><BR /><b>Digitale Bescheinigungen kostenfrei</b><BR /><BR />Mit dem Aufbau- und Resilienzplan soll die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltungen umfassend ausgebaut werden. Damit erhofft man sich auch einen leichteren Zugang der Bürger und der Unternehmen zu den Diensten der öffentlichen Ämter. Die Vereinfachungsverordnung sieht vor, dass für 2021 die über Internet ausgestellten amtlichen Bescheinigungen von der Stempelsteuer befreit sind. Auch etwaige Sekretariatsspesen entfallen.<BR /><BR />Um Daten zum Personenstand leichter zu nutzen, können die Bürger mit dem SPID-Code auf ihre Daten auf der ANPR-Datenbank (anagrafe nazionale della popolazione residente) beim Innenministerium zugreifen. Es handelt sich um Angaben zum Personenstand, die stets auf dem letzten Stand sind und das gesamte Staatsgebiet betreffen. Die vom Innenministerium ausgestellten digitalen Bescheinigungen sind durch ein besonders qualifiziertes digitales „Siegel“ geschützt und können somit nicht gefälscht werden.<BR /><BR /><b>Superbonus: Weitere Änderungen erwartet</b><BR /><BR />Die grundlegenden energetischen Sanierungen werden vom Staat mit dem sogenannten Superbonus von 110 Prozent der Baukosten gefördert. Diese großzügige Förderung hat dem Baugewerbe wichtige Aufträge gebracht. Bei der praktischen Umsetzung der Bauvorhaben hat es jedoch bürokratische Probleme gegeben, die jetzt mit der Vereinfachungsverordnung wenigstens teilweise behoben wurden. <BR /><BR />Die von einem Freiberufler beglaubigte Baubeginn-Meldung (CILA – Comunicazione di inizio lavori asseverata) setzte die Einsicht in die Dokumente beim Bauamt der Gemeinde voraus. Vor allem sind die Baugenehmigungen und die Genehmigungen für Umbauarbeiten für das betreffende Gebäude sowie die bestimmungsgemäßen Nutzungsvorschriften von Bedeutung. Auch die etwaige Sanierung von Bausünden (codono edilizio) und die Katastereintragungen sind wichtig. <BR /><BR />Jetzt kann die CILA-Baubeginn-Meldung auch ohne die erforderliche Kontrolle der Dokumente bei Bauamt der Gemeinde durchgeführt werden. Dadurch sind könnte es aber zu späteren Überprüfungen der Arbeiten durch die Gemeinde kommen. Das könnte zur vorübergehenden oder sogar zur dauerhaften unbegrenzten Einstellung der Arbeiten führen. In den Südtiroler Gemeinden dürften solche Probleme aber sicher die Ausnahme darstellen. <BR /><BR />Ausgenommen von den Vereinfachungen für die CILA-Baubeginn-Meldung sind Sanierungsarbeiten, die den Abriss und den Wiederaufbau der Immobilie betreffen. Das würde nämlich dem vielfältigen Missbrauch Tür und Tor öffnen.<BR /><BR />In den Ämtern des Ministeriums für öffentliche Verwaltungen ist man bereits dabei, die einheitlichen Vordrucke für die beglaubigte Baubeginn-Meldung auszuarbeiten. Dadurch soll den Freiberuflern und den Bauherren mehr Klarheit geboten werden.<BR /><BR />Bei der Umwandlung der Vereinfachungsverordnung in ein Gesetz könnten im Parlament noch wichtige Änderungen vorgenommen werden. Für Südtirol wäre die Ausweitung des 110-Prozent-Bonus auf die Gastbetriebe von besonderer Bedeutung. Diese Bestimmung ist nämlich kurz vor der Genehmigung der Dringlichkeitsverordnung durch den Ministerrat aus dem Entwurf gestrichen worden. Im Parlament könnte es eine Klärung zu den selbständigen Immobilie (immobile autonomo) kommen geben, deren Sanierungsarbeiten mit 110 Prozent geförderten werden. Auch was unter einer Heizanlage zu verstehen ist, könnte eine deutliche Vereinfachung erfahren.<BR /><BR />Sehr wichtig wäre die Forderung vieler Techniker, die versprochene Verlängerung des Superbonus für 2023 bereits mit dem Umwandlungsgesetz für die Vereinfachungsverordnung festzulegen. Die im Haushaltsgesetz 2023 geplante Terminverlängerung würde nämlich zu großen Unsicherheiten und Planungsschwierigkeiten für Techniker und Bauherren führen.<BR /><BR /><BR />