Im Jahr 2000 wurde erstmals nachgewiesen, dass eine größere Zahl von Auswahlmöglichkeiten dazu führt, dass sich Kunden schlechter entscheiden können. Je mehr Optionen angeboten werden, zum Beispiel in unterschiedlichen Farben, Größen oder Materialien, desto geringer ist die Entscheidungslust der Konsumenten. Doch was genau ist das als Auswahl-Paradoxon bekannte Phänomen – und mit welchen einfachen Strategien können Unternehmen das Problem lösen, ohne auf eine große Produktvielfalt zu verzichten?<BR /><BR />Wenn man Kunden befragt, wünschen sie sich ein großes Warenangebot mit möglichst viel Auswahl. Ein breites Sortiment führt vermeintlich dazu, einfacher das perfekte Produkt zu finden, das die individuellen Wünsche befriedigt. In zahlreichen Forschungsprojekten wurde allerdings das Gegenteil nachgewiesen: Je größer die Artikelvielfalt ist, desto unwahrscheinlicher kommt es zum Kauf. Ein Paradox: Kunden wünschen sich mehr Auswahl, kaufen dann aber weniger ein. <BR /><BR />Die US-Wissenschaftler Iyengar und Lepper haben im Jahr 2000 ein Experiment in einem Lebensmittelgeschäft durchgeführt. Die Supermarktbesucher sahen entweder eine Auswahl von 6 oder von 24 Marmeladegläsern auf einem Verkaufsstand. Es wurde festgestellt, dass Kunden, die die größere Auswahl hatten, eher eine Kostprobe nahmen und insgesamt mehr Gläser probierten als bei nur 6 Gläsern. In der Gruppe mit 24 Gläsern haben allerdings nur 3 Prozent auch tatsächlich eine Marmelade erstanden. Bei 6 Gläsern haben 30 Prozent ein Glas gekauft.<h3> Angst vor falschen Entscheidungen </h3>Das Auswahl-Paradoxon (Englisch: paradox of choice) hat verschiedene Namen: Auswahlüberlastung (choice overload), Entscheidungsparalyse (decision paralysis), Produktvielfaltsparadox (product variety paradox) oder einfach nur Überangebot (overchoice). Die Bedeutungen dieser Begriffe unterscheiden sich zwar in Feinheiten, die Erklärung ist aber immer dieselbe: Bei zu viel Auswahl können sich Kunden schwerer auf eine Variante festlegen und entscheiden sich deshalb häufig überhaupt nicht. Der psychologische Grund dafür ist, dass Menschen Angst vor falschen Entscheidungen haben. Es ist also sicherer, gar keine Marmelade zu kaufen als eine falsche. <BR /><BR />Falsch kann in diesem Zusammenhang bedeuten, dass der Kunde bei 24 unterschiedlichen Optionen zwar eine Geschmacksrichtung kauft, die ihm schmeckt, aber eben wahrscheinlich nicht die bestmögliche. Daher ist es sicherer, die Entscheidung aufzuschieben oder gar nichts zu kaufen. Bei nur 6 Marmeladen ist es hingegen einfacher, die beste zu identifizieren. Der Kauf ist in der Wahrnehmung des Konsumenten weniger riskant und es macht Sinn, sofort zuzuschlagen.<BR /><BR />Es gibt diverse Faktoren, welche die Stärke der Auswahlüberlastung beeinflussen. Zum Beispiel kann eine Entscheidung über einen Kauf für den täglichen Gebrauch weniger überwältigend sein als bei einem teuren Produkt wie einem Auto. Ebenso verringert sich der Effekt, wenn Konsumenten mehr Zeit zur Verfügung haben. Das heißt, dass besonders bei eiligen Entscheidungen darauf geachtet werden sollte, den Konsumenten nicht mit zu viel Auswahl zu belasten.<h3> Wie man das Dilemma löst</h3>Bedeutet dies nun, dass Unternehmen auf eine große Produktvielfalt verzichten sollten? Nein. Im Gegenteil, denn die Wünsche der Konsumenten werden immer spezifischer und individueller. Tatsächlich steigt die Zahl der Modelle und Varianten für die meisten Konsumgüter seit Jahrzehnten unaufhaltsam weiter. Verkäufer stecken also in einer Zwickmühle, aus der sie sich aber relativ leicht befreien können.<BR /><BR />Ein Beispiel: Angenommen, einen Mercedes der C-Klasse gibt es in 5 verschiedenen Karosserievarianten, 6 verschiedenen Motorenoptionen und 10 verschiedenen Ausstattungsvarianten, von denen jede durchschnittlich 20 optionale Funktionen aufweist. Das sind 6.553.600.000 mögliche Kombinationen. Keinem Konsumenten würde zugemutet, sich zwischen diesen Optionen zu entscheiden. Stattdessen kann der Kunde in einem mehrstufigen Prozess zwischen den 5, 6 und 10 Varianten wählen und dann diverse Optionals hinzufügen. Anstatt einer großen Entscheidung zwischen 6,5 Milliarden Varianten muss er also mehrere kleine Entscheidungen mit einer begrenzten Anzahl an Möglichkeiten treffen.<BR /><BR />Eine Bäuerin, die ihre Produkte auf dem Markt anbietet, kann einen ähnlichen Trick verwenden. Hat sie 24 Marmeladesorten zur Auswahl, kann sie diese in 6 oder 7 Kategorien unterteilen, ohne alle einzeln auszustellen. Sobald sich ein Kunde für die Marmeladen der Kategorie Waldfrüchte interessiert, können die entsprechenden Geschmacksrichtungen genannt oder gezeigt werden, sodass die Entscheidung zwischen einer überschaubaren Anzahl fällt.<BR /><BR />Genauso machen es im Übrigen auch Juweliere oder Uhrenhändler. Zuerst werden einige Fragen zu den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen des Kunden gestellt, zum Beispiel der Anlass, das Budget, die Lieblingsmaterialien und die Größe. Anschließend präsentiert der Verkäufer eine kleine Auswahl an Möglichkeiten, obwohl es vielleicht hunderte Uhren im Geschäft gibt.<BR /><BR /><i> * Thomas Aichner ist wissenschaftlicher Leiter der Südtirol Business School.</i>