Nach monatelangen Spannungen im transatlantischen Handel haben sich die Europäische Union und die USA auf einen neuen Zollkompromiss geeinigt (wir haben berichtet). Ziel war es, einen drohenden Handelskrieg abzuwenden – doch das Ergebnis sorgt in Europas Wirtschaft mehrheitlich für Unmut. Während die USA auf viele europäische Produkte künftig einen pauschalen Basiszoll von 15 Prozent erheben, öffnet die EU ihren Markt für US-Waren nahezu vollständig. <h3> Wifo-Chef Lun: „Auf die Interessen der USA zugeschnitten“</h3> Auch in Südtirol stoßen die Vereinbarungen auf deutliche Skepsis. „Für die meisten Unternehmen in der EU – und damit auch in Südtirol – ist dieser Deal kein guter“, sagt Georg Lun, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) gegenüber diesem Medium. Das Abkommen sei klar auf US-Interessen zugeschnitten und zeige, wie begrenzt Europas Verhandlungsmacht inzwischen sei. „Diese Schwäche resultiert auch aus politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten – etwa bei der Ukraine-Hilfe, in der Energieversorgung, bei Rüstungstechnik oder Industrie-Vorprodukten wie Stahl und Aluminium.“<BR /><BR /><embed id="dtext86-70833954_quote" /><BR /><BR />Im Vergleich zur Lage vor Beginn von Trumps zweiter Amtszeit sei das Abkommen eine klare Verschlechterung für Europa, betont Lun. „Früher lagen die Zölle auf viele EU-Produkte, die in die USA exportiert wurden, bei ein bis zwei Prozent – jetzt gilt ein pauschaler Basiszoll von 15 Prozent, bei Stahl und Aluminium sogar 50 Prozent.“<BR /><BR />Auch Alexander Rieper, Präsident des Unternehmerverbandes Südtirol (UVS), bewertet das Ergebnis kritisch: „Wenn man etwas Positives nennen will, dann ist es die Sicherheit und Planbarkeit für die Betriebe.“ Inhaltlich biete das Abkommen jedoch kaum Vorteile. Lediglich der Autosektor profitiere davon, dass die US-Zölle von zuletzt 27,5 auf 15 Prozent gesenkt wurden. „Abgesehen davon ist wenig dabei, das den Unternehmen hilft.“<BR /><BR />Die Exportwirtschaft in Südtirol dürfte die Folgen des Deals spüren, glaubt Lun. 2024 gingen rund sieben Prozent der Exporte in die USA – ein Anteil, der unter den neuen Bedingungen schwer zu halten sei. Rieper ergänzt, dass viele Unternehmen im ersten Quartal 2025 bewusst noch größere Mengen geliefert hätten – mit einem Plus von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr –, um drohende Belastungen zu umgehen. „Jetzt dürfte es für viele deutlich schwieriger werden.“<BR /><BR />Wie stark die Betriebe betroffen sein werden, lässt sich laut Lun nicht pauschal sagen. Südtirol exportiere vor allem Maschinen, Anlagen und Lebensmittel – Bereiche, die unterschiedlich auf Zölle reagieren. Beim Wein etwa, der im Premiumsegment liege, könnten Kunden wohl auch mit einem Preisaufschlag leben. „Aber ein Wettbewerbsnachteil entsteht immer – etwa gegenüber kalifornischen Weinen.“<h3> Rieper sieht Deal als Chance für Europa</h3>Wie werden sich heimische Betriebe nun also verhalten? „Jetzt kommt es darauf an, flexibel zu reagieren“, sagt Lun. Viele Betriebe würden gezwungen sein, ihre Exportstrategien teils neu auszurichten. Das könne bedeuten, sich gezielter nach alternativen Märkten umzusehen. „Doch das gelingt nicht über Nacht – und nicht jeder Markt passt zu jedem Produkt. Es braucht gezielte Marktanalysen und Aufbauarbeit.“ Die Option, US-Standorte hochzuziehen oder auszubauen, um den Zöllen zu entgehen, sei dagegen nur für wenige heimische Firmen wirklich ein Thema. <BR /><BR /><embed id="dtext86-70833953_quote" /><BR /><BR />Für Rieper und Lun könnte der Deal eine Chance sein, um die großen Hausaufgaben in Europa anzugehen. „Die Unternehmen brauchen nicht nur Planungssicherheit, sondern auch einen funktionierenden europäischen Binnenmarkt“, betont Rieper. Zwar gebe es innerhalb der EU keine Zölle, doch zahlreiche regulatorische Hürden belasteten den grenzüberschreitenden Handel nach wie vor massiv. „Diese inneren Blockaden muss Europa endlich abbauen.“<BR /><BR />Beide fordern zudem eine strategische Neuausrichtung der EU-Handelspolitik. Rieper plädiert für mehr politischen Zusammenhalt und gezielte Abkommen mit neuen Partnerregionen: „Die EU sollte endlich vorankommen – etwa beim lange blockierten Mercosur-Abkommen.“<BR /><BR />Die Hoffnung auf Nachbesserungen im EU-USA-Abkommen ist derweil noch nicht ganz vom Tisch. „Der Deal ist noch nicht endgültig ausverhandelt“, so Rieper. „Im Gespräch sind letzte Ausnahmen – etwa für bestimmte Lebensmittel. Es bleibt zu hoffen, dass hier noch Fortschritte möglich sind, die auch Südtirols Betrieben zugutekommen.“<h3> Europaweit überwiegt die Kritik</h3>Auf europäischer Ebene fiel das Echo auf das Abkommen gemischt bis kritisch aus. Frankreichs Premierminister François Bayrou sprach von einem „dunklen Tag“ für Europa und warf der EU vor, sich dem Druck der USA gebeugt zu haben. Finnlands Ministerpräsident Petteri Orpo begrüßte die gewonnene Planbarkeit, forderte jedoch weitere Schritte zum Abbau von Handelsbarrieren. Auch Irlands Handelsminister Simon Harris hob die neu gewonnene Klarheit hervor, wies aber darauf hin, dass der 15-Prozent-Zoll insbesondere für exportorientierte Branchen eine schmerzhafte Belastung darstelle.<BR /><BR />Italien äußerte sich dagegen deutlich wohlwollender: Die Regierung Meloni sprach von einem Erfolg gemeinsamer europäischer Anstrengungen, mit dem ein transatlantischer Handelskonflikt vermieden worden sei. Das Abkommen sichere Stabilität und sei entscheidend für die Beziehungen zwischen zwei eng verflochtenen Wirtschaftsräumen.