Martin Foradori erklärt, warum das Thema alkoholfreie Weine in Italien heikel ist und welche Chancen er dafür sieht. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>Herr Foradori, wie sind Sie auf die Idee gekommen, alkoholfreien Sekt zu produzieren?</b><BR />Martin Foradori: Alkoholfreie Weine sind ja nichts Neues, die gibt es in den USA schon seit 30 Jahren. Doch die Qualität war in Vergangenheit einfach nicht gegeben. Auf die Idee hat mich letztes Jahr dann mein Sohn Niklas gebracht, der in Deutschland studierte und mir eine Flasche alkoholfreien Wein eines befreundeten deutschen Winzers und Studienkollegen mitgebracht hat. Da bin ich auf den Geschmack gekommen. Wir haben dann einige zusätzliche Produkte verkostet, sodass ich überzeugt war, dass es mittlerweile im alkoholfreien Segment möglich ist, annehmbare Qualitäten zu liefern. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Das liegt daran, dass sich die Verfahren, mit denen dem Wein der Alkohol entzogen wird, in den vergangenen Jahren laufend verbessert haben. Heute setzen die meisten Hersteller genau wie Sie auf die sogenannte Vakuumdestillation.</b><BR />Foradori: Genau. Zunächst einmal stellen wir ganz normal Wein her. Anstatt den Wein dann reifen zu lassen, wird ihm über die Vakuumdestillation der Alkohol entzogen. Das kann man sich vorstellen wie eine Brennblase, wie man sie von der Schnapsproduktion kennt. In dieser Brennblase herrscht ein Unterdruck. Dadurch verdampft der Alkohol bereits bei weniger als 30 Grad Celsius statt bei rund 79 Grad. Das heißt, es ist ein sehr schonendes Verfahren, bei dem die Aromen besser erhalten bleiben.<BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="676622_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Allerdings ist es auch so, dass Alkohol Aromen transportiert….</b><BR />Foradori: Das ist der Haken: Wenn wir in einem klassischen Wein etwas schmecken und riechen, liegt das auch am Alkohol. Deshalb wird während der Dealkoholisierung verdampfendes Aroma des Weines rückgewonnen und dem Endprodukt wieder zugefügt. Nach der Dealkoholisierung wird dem Endprodukt zudem noch Traubenmost hinzugefügt, um die Säure auszugleichen, aber vor allem den entzogenen Alkohol als Geschmacks – und Geruchsträger zu ersetzen. Schließlich kommt noch Kohlensäure dazu. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Das hat also mit der herkömmlichen Sektproduktion nichts zu tun …</b><BR />Foradori: Nein. Ich stelle keinen Sekt her, dem ich Alkohol entziehe – das würde auch keinen Sinn machen, weil über den Destillationsprozess die Kohlensäure des Sekts ja auch entweichen würde. Sondern das Ausgangsprodukt ist Wein, dem nachträglich Kohlensäure hinzugefügt wird. Technisch wäre es somit ein „Perlwein“. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Hergestellt wird der alkoholfreie Sekt in Deutschland, wo Sie Eigentümer eines Weingutes an der Mosel sind, das bekannt für seine Rieslingweine ist ...</b><BR />Foradori: Ich selektiere den Wein, aber das Gerät zur Dealkoholisierung, die mehrere Millionen Euro kosten würde, können wir mieten und somit den Dealkoholisierungsprozess von einem Dritten machen lassen. Dadurch sind unsere Investitionskosten überschaubar, wir investieren dafür ins Marketing. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Das Thema ist in Italien auch nicht unumstritten: In der EU ist die Produktion von alkoholfreiem Wein nicht einheitlich geregelt. Man arbeitet zwar schon länger daran, doch gerade aus Italien gibt es immer wieder Widerstände. Und so darf in Italien ein alkoholfreier Wein nicht einmal als Wein verkauft werden. Weil: Laut Gesetz muss ein Wein mindestens 9 Volumenprozent Alkoholgehalt haben, sonst ist er kein Wein …</b><BR />Foradori: Das stimmt. Was in Deutschland auf dem Etikett stehen darf, ist in Italien strikt verboten. Während man also in Deutschland unmissverständlich „alkoholfreier Wein“ drauf schreiben und auch die Rebsorte angeben darf, geht das in Italien gar nicht. Das Wort „vino“ darf überhaupt nicht aufscheinen – außer auf der Liste der Inhaltsstoffe in Verbindung mit dem Wort „dealcolizzazione“. Wir haben über 2 Monate gebraucht, bis das Etikett endlich den Vorstellungen der Behörde entsprochen hat. Man hatte uns schon im Vorfeld gesagt, um auf der sicheren Seite zu sein, sollten wir am besten gar keinen irgendwie gestalteten Bezug zum Thema Wein, Weinberg, Rebe oder Sorte nehmen. Aber das ist doch absurd, wenn das Ausgangsprodukt Wein ist. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Wieso ist das in Italien so heikel?</b><BR />Foradori: Ich denke, das hängt damit zusammen, dass für Italien Wein so etwas wie ein Heiliger Gral ist, den es unbedingt zu schützen gilt. Ansonsten kann ich mir die zahlreichen Angriffe und die Kritik, die es in den sozialen Medien gegeben hat, als wir mit dem Produkt auf den Markt gekommen sind, nicht erklären. Wein hat in der italienischen Kultur auch einen ganz anderen Stellenwert als Bier beispielsweise. Unser Produkt hat offensichtlich regelrechte Ängste hervorgerufen. Aber wenn es koffeinfreien Kaffee, teeinfreien Tee usw. gibt, warum kann es keinen alkoholfreien Wein geben, der immer noch Wein heißen darf? Zudem geht es ja auch um einen wirtschaftlichen Aspekt: Dieses Produkt soll ja dem klassischen Weinmarkt nichts nehmen, sondern will im Gegenteil neue Konsumenten gewinnen: All jene, die aus welchen Gründen auch immer keinen Alkohol trinken. Davon kann die Weinwirtschaft – und somit auch der Bauer - nur profitieren. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Die Konkurrenz dürfte in Italien somit in diesem Bereich nicht allzu groß sein, oder?</b><BR />Foradori: Mir ist zumindest niemand bekannt, der nach dem gleichen Verfahren produziert. Denn andere Produzenten, die alkoholfreien Sekt im Sortiment haben, verwenden als Ausgangsprodukt Traubensaft, der dann verarbeitet wird, aber nicht Wein. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Alkoholfreie Produkte liegen im Trend. Mittlerweile gibt es auch Gin oder Rum ohne Prozente. Aber auch wenn die Hersteller von steigenden Absatzzahlen berichten, lag laut dem Deutschen Weininstitut der Marktanteil alkoholfreier Weine am gesamten Weinkonsum zumindest im vergangenen Jahr noch unter einem Prozent, beim alkoholfreien Sekt sind es rund 5 Prozent. Wird das also ein Nischenmarkt bleiben?</b><BR />Foradori: Nein, das explodiert meines Erachtens. Man braucht nur daran zu denken, wie viele Menschen keinen Alkohol trinken: aus gesundheitlichen Gründen, weil man noch mit dem Auto fahren muss, Frauen, die schwanger sind oder stillen, aus religiösen Gründen – ein Aspekt, der vor allem in den arabischen Märkten greifen wird – usw. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Sie sind heuer mit 21.000 Flaschen gestartet, die in erster Linie für den italienischen Markt gedacht sind. Ihre vorläufige Bilanz?</b><BR />Foradori: Vor allem die Gastronomie braucht noch etwas Zeit, um zu verstehen, wie vielseitig einsetzbar ein alkoholfreier Sekt einsetzbar ist – man denke nur an alkoholfreie Cocktails - und für wie viele Kundensegmente er interessant sein kann. Dennoch: Wenn es so weiter geht wie bis jetzt, werden wir bis Jahresende die heurige Produktion aufbrauchen. Und 2022 möchten wir in den USA richtig durchstarten. Dann gehen wir davon aus, die Mengen verdreifachen zu können. Und wenn die großen Weinmessen wieder stattfinden können und wir das Produkt einer Vielzahl von Interessenten vorstellen können, denken wir an weitere Märkte, wie die arabischen Länder. <BR />