In Deutschland gibt es bereits Restaurants, die zu Mittag schließen, da es kein Personal gibt. In Südtirol wird händeringend nach qualifiziertem Personal gesucht, am besten einheimisch. Manches Traditionshaus hat bereits seine Tore geschlossen. Doch woran liegt es eigentlich, dass aus dem früheren Traumjob ein minderer Arbeitsplatz geworden ist, den auch Ausländer nur mehr schlecht als recht erfüllen? Ein Gespräch: Südtirol Online: Wie steht es denn nun um den Fachkräftemangel im Servicebereich wirklich - und warum fehlen Kellner?Christian Walder, langjähriger Präsident des Südtiroler Serviceverbandes: Vor allem in Servicebereich einen professionellen Kellner zu finden, der sich mit Wein auskennt, mehrere Sprachen spricht, freundlich ist, flexibel, belastbar, auf den Gast eingeht, verkaufen kann… ist extrem schwierig. Da kommt alles auf einen Mensch zusammen. Auch die Arbeitszeiten. Aber man meint, der Kellner ist nur ein Tellertaxi.STOL: Alle sprechen von Qualifikation, aber kaum wer übers Geld - was darf ein guter Kellner kosten?Walder: Die Gastronomie sagt, sie sind gut bezahlt. Doch man denke an die durchschnittliche Arbeitszeit von 50 bis 60 Stunden, an Wochenenden, Abenddienste. Auch die Qualifikation muss bezahlt werden. Man sagt, 2000 Euro ist ein schönes Geld, aber für all die Ansprüche …STOL: Wie viel würden Sie für einen guten Kellner bezahlen?Walder: Ich selbst müsste 3800 Euro netto bekommen, aber bin durch meine Ausbildungen sicherlich superqualifiziert. Was einen professionellen Kellner betrifft, muss der natürlich dementsprechend leisten. Ich möchte mich um nichts mehr kümmern. Es muss alles „picobello“ passen. Er muss aktiv verkaufen. Er muss ein absoluter Profi sein. Und wenn er in der Spitzengastronomie 10.000 Euro möchte, muss er es wert sein.STOL: Aber es gibt kaum einen Gastronom – schon gar nicht im ländlichen Bereich, der 10.000 Euro bezahlen könnte oder auch möchte …Walder: Ich bin mir sicher, es gibt genügend, die ein schönes Gehalt bezahlen würden. Doch wenn ich ein TOP-Chirurg bin, gehe ich auch nicht ins Krankenhaus Bozen. Top-Leute gehen ins Sternerestaurant, nicht in ein Dorfgasthaus. Nichts gegen Dorfgasthäuser.Wenn mein Laden läuft, kann ich auch bezahlen. Wenn ich niedere Preise habe und es läuft halbwegs, dann nicht. Ich verstehe auch die Gastronomen. Personalkosten sind ein extremer Kostenfaktor. Und Kosten sind Kosten, das verstehe ich. Doch es geht auch um ein bisschen geben, ein bisschen nehmen. Es gibt Vorzeigebetriebe, wo Angestellte das Schwimmbad nutzen, ein Auto gestellt bekommen, außer Saison in Partnerbetrieben Arbeit vermittelt bekommen ...STOL: Es hieß immer, der Koch und nicht der Kellner sei der gut bezahlte Job in der Gastronomie – stimmt das noch?Walder: Der Koch ist der Superstar. Und durch die Kochsendungen wollen alle super Köche werden, daher ist es in Sachen Fachkräftemangel da noch besser. Aber beides ist wichtig - Koch und Kellner. Wer am Gast ist, ist vielleicht noch eine Stufe mehr gefordert. Ein Kellner kann viel rausreisen. Wenn man das ganze Anforderungsprofil von einem Kellner sucht, ist es schwer so einen zu finden. Ein Koch, der gut kocht, aber schlecht drauf ist, ist da nicht so schlimm.STOL: Und was ist mit dem Gast – schätzt der den guten Service?Walder: Ich kann als Kunde nicht sagen, alles muss vom Feinsten sein und dann rege ich mich auf, wenn ich für das Kalbsschnitzel 20 Euro bezahle. Der Service muss auch bezahlt werden.STOL: Und der Kellner aus dem Ausland ist billiger …Walder: Ich habe schon vor 15 Jahren gesagt, die Rechnung, dass ich für das, was ein Südtiroler kostet, zwei Ausländer bekomme, ein Schuss in den Ofen ist. Das heißt nicht, dass nicht auch Ausländer gut arbeiten können. Meine Frau ist Ungarin, aber hat heute alles erreicht. Viele Südtiroler könnten sich eine Scheibe abschneiden. Aber jetzt kommen halt auch die Ausländer nicht mehr so, weil sie auch anderswo gut verdienen. Ich bin Enthusiast und liebe den Service, aber viele gehen hat auch nur arbeiten wegen dem Geld.STOL: Die Einheimischen sind sich zu fein für den Knochenjob und den Gastronomen zu teuer?Walder: Wir haben es verschlafen gegenzusteuern. Und die Leute sind verbrannt worden. Ich habe Praktikanten, die 10 Stunden arbeiten müssen. Wenn ich einen Lehrling nehme, nur weil der billig ist und ich ihn nicht richtig heranführe, dann sagt er, ich tue was anderes. Wir starten mit 24 Leuten in der ersten Klasse und es bleiben 4 bis 5 in dem Job. Auch hat die Jugend nicht mehr den Biss, da ihnen die Eltern zu viel oder alles ermöglichen. Die Jugendlichen lassen sich das nicht mehr bieten. STOL: Wir sind also auch zu verwöhnt, um im Service zu arbeiten?Walder: Momentan geht es uns zu gut. Die Leute können studieren gehen, zweimal Job wechseln. Die Auswahlmöglichkeiten sind zu groß. Es muss Matura gemacht und studiert werden. Die Leute zu halten ist schwierig.STOL: Was schlagen Sie vor, damit sich das ändert?Walder: Man muss beginnen, dem Kellner ein Leben zu ermöglichen, wo er Verantwortung tragen, aber auch Spaß haben kann und nicht nur da ist zum buggeln. Die Einstellung im Kopf muss sich ändern, Arbeitgeber müssen Konzepte finden, die für alle gut gehen, nicht nur für sie und es müssen Programme starten, um den Jungen den Job schmackhaft zu machen. Es ist eine Riesenherausforderung.STOL: Ein Riesenherausforderung, auch weil die Kellner untereinander nicht zusammenhalten?Walder: Der Kellner ist ein Individualist. Auch den Südtiroler Serviceverband gibt es in der Form nicht mehr. Wir haben viele Stunden investiert, haben aber nicht den Zusammenhalt wie die Köche und Tausende Mitglieder wie der Köcheverband. Das ist schade, aber es ist so. Interview: Petra Kerschbaumer__________________________________________________Hoteliers- und Gastwirteverband will Image aufbessern"Den größten Mangel an Fachkräften haben wir derzeit sicherlich im qualifizierten Service", hat auch HGV-Präsident Manfred Pinzger in einem STOL-Interview bereits mitten in der Saison unterstrichen. Die Schulen würden immer gut besucht. "Aber es gelingt uns immer noch nicht, dass genügend Hotelfachschulabsolventen in Südtirol bleiben". Einen Grund ortet Pinzger in der jahrelang fehlenden öffentlichen Wertschätzung im Service. "Der Kellner wird bei uns immer noch vielfach als Arbeiter 2. Klasse angesehen ... Wir wollen das Image aufbessern", so Pinzger.