<BR /><b>Ein zentrales Versprechen der Regierung Meloni war von Anfang an eine spürbare Steuersenkung. Inwiefern zeigt sich dies im Haushaltsgesetz 2025?</b><BR />Peter Hilpold: Für eine spürbare Steuersenkung über alle Einkommensklassen hinweg reichten erneut die Mittel nicht. Insbesondere hat der groß angekündigte Vorabvergleich (concordato preventivo) nicht die Ergebnisse gebracht, die sich die Regierung erhofft hatte. Damit war der Spielraum für Steuerentlastungen von vornherein sehr eng, insbesondere im aufkommensstarken mittleren Einkommensbereich. Steuerentlastungen gibt es – aber nicht für den Mittelstand. Dieser wird eher noch mehr zur Kasse gebeten.<BR /><BR /><b>Bei der Einkommensteuer Irpef konnten die 3 Steuertarifstufen aber, wie versprochen, beibehalten werden ...</b><BR />Hilpold: Das stimmt. Zu beachten ist aber, dass mit einem Tarif von 23 Prozent bis 28.000 Euro an Einkommen, 35 Prozent zwischen 28.000 und 50.000 Euro und 43 Prozent über 50.000 Euro die Steuerbelastung gerade im mittleren Einkommensbereich relativ hoch bleibt und der Spitzensteuersatz relativ rasch erreicht wird. In Aussicht gestellt worden ist eine Reduzierung des mittleren Steuersatzes von 35 Prozent um 2 Prozentpunkte. Diese Steuersenkung war aber nicht finanzierbar. Im sehr niederen Einkommensbereich sind allerdings Steuerentlastungen vorgesehen, und zwar insbesondere deshalb, weil zahlreiche Vergünstigungen nur dort greifen.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-68002441_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Dies gilt insbesondere für die Absetzbeträge?</b><BR />Hilpold: Die Steuerabsetzbeträge oder „tax expenditures“ stellen in Italien – wie in keinem anderen europäischen Land – seit jeher das zentrale steuerpolitische Gestaltungsinstrument dar. Es wurden über 600 unterschiedliche Absetzmöglichkeiten gezählt – mit einem Aufkommensvolumen von über 80 Milliarden Euro. Von politischer Seite wurde schon lange eine Beschränkung dieser Absetzmöglichkeiten angedacht. Andererseits kompensieren diese auf vielen Ebenen das Fehlen geeigneter staatlicher Leistungen oder sie setzen wichtige wirtschafts- und gesellschaftspolitische Impulse. Gerade diese Absetzmöglichkeiten haben die ansonsten hohe Steuerbelastung für den Mittelstand weniger spürbar gemacht. Nun wird genau dort angesetzt. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-68002445_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Denn ab 2025 gibt es erstmals eine Obergrenze für absetzbare Ausgaben, die für Haushalte mit Einkommen über 75.000 Euro brutto jährlich gilt...</b><BR />Hilpold: Genau. Ab einem Familieneinkommen von 75.000 Euro werden damit die Absetzmöglichkeiten drastisch reduziert (Die Obergrenze variiert je nach Anzahl der Kinder und Höhe des Einkommens: Bei einem Familieneinkommen von über 75.000 Euro beträgt die maximale absetzbare Ausgabengrenze 7000 bis 14.000 Euro, bei einem Einkommen von über 100.000 Euro sind es 4000 bis 7000 Euro, Anm.d.Red.) Davon ist zwar die wichtigste Kategorie, die Aufwendungen für ärztliche Leistungen, ausgenommen, nicht aber Instandhaltungsaufwendungen oder Studiengebühren. Es sind dies Aufwendungen, die typischerweise bei Mittelstandsfamilien im mittleren Alter anfallen.<BR /><BR /><b>Stichwort Instandhaltungsaufwendungen bzw. Superbonus und Ökobonus: Auch diesbezüglich gibt es weitreichende Einschnitte ... <BR /></b>Hilpold: Das nahende Auslaufen des – auf 65 Prozent – reduzierten Superbonus, die Herabsetzung der Absetzbeträge für Instandhaltungsaufwendungen auf 30 Prozent und des Ökobonus auf 36 Prozent – 50 Prozent sind es für die Hauptwohnung – können als „Normalisierung“ einer Steuerpolitik gesehen werden, die zuvor, insbesondere mit dem 110-Prozent-Bonus bar jeglicher Rationalität war, ein enormes Loch in die Staatsfinanzen gerissen hat und wohl auch die europäische Solidarität, über welche diese Maßnahmen mitfinanziert wurden, überstrapaziert hat. Für die„Koste-es-was-es-wolle“-Politik der Corona-Zeit wird nun die Rechnung präsentiert.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-68002449_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Aber diese einzigartige Krise hat sicherlich auch außergewöhnliche Maßnahmen gerechtfertigt?</b><BR />Hilpold: Das ist zutreffend, aber hier wurden alle ökonomischen Prinzipien über Bord geworfen. Ein 110-Prozent-Beitrag nimmt Steuerpflichtigen jegliches Interesse an einer Kostenkontrolle – mit den Folgen, die wir kennen. Aber auch in Österreich hat eine ungezügelte Förderpolitik die Staatsfinanzen zerrüttet – und das enorme Budgetdefizit erschwert nun die Regierungsbildung und könnte zu einem EU-Defizitverfahren führen. Diese Beispiele zeigen: Auch in extremen Krisensituationen gilt es, kühlen Kopf zu bewahren und an die Zeit danach zu denken.<BR /><BR /><b>So bleibt nur die Hoffnung auf Wirtschaftswachstum, die letztlich zu Steuersenkungen führen kann?</b><BR />Hilpold: Das große Problem Italiens ist neben der überbordenden Bürokratie die Demografie. Italien zählt zu den geburtenschwächsten Ländern weltweit. Zwar wird nun ein Baby-Bonus von 1000 Euro eingeführt, doch dieser gilt wiederum nicht für den Mittelstand. Ein anderes, ebenfalls vielfach kritisiertes Extremum sind die – sehr großzügigen – Familienbeihilfen in Österreich, die ohne Einkommensgrenzen gewährt werden. Wahrscheinlich wäre irgendwo ein Mittelweg angebracht. Ein Kuriosum am Rande: Ein großes Problem in Italien – aber auch anderswo – ist das Phänomen der sogenannten NEETs. NEETs steht für „Not in Education, Employment, or Training“; gemeint sind Jugendliche, die weder lernen, arbeiten noch in einer Berufsausbildung sind. Bislang wurden für Kinder altersunabhängig Steuerabsetzbeträge gewährt. Nunmehr liegt das Limit bei 30 Jahren. <BR /><BR /><b>Die Hoffnung ist vermutlich, dass dadurch der Druck erhöht wird, damit junge Erwachsene schneller den Weg in den Arbeitsmarkt finden, um finanziell unabhängig zu werden und eine Familie zu gründen.<BR /></b>Hilpold: Richtig. Aber ob diese Maßnahme nun tatsächlich zu mehr Familiengründungen führen wird, muss, bei gleichbleibenden sonstigen Umständen, offenbleiben.