Finanzprofessor Alex Weissensteiner von der Freien Universität Bozen (unibz) ordnet für uns die Ereignisse ein. <BR /><BR /><b>Herr Weissensteiner, die Credit Suisse wurde in einer Notoperation dem einstigen Erzrivalen UBS zwangseinverleibt. Wie groß ist der Schaden für das Schweizer Finanzsystem, das als eines der sichersten und vertrauenswürdigsten der Welt gilt?</b><BR />Alex Weissensteiner: Der Schaden ist angerichtet, keine Frage. Ob die Kratzer am Image nur vorübergehend oder anhaltend sein werden, kann man aus heutiger Sicht nicht sagen. Aber irgendwas dürfte in den Köpfen des einen oder anderen internationalen Investors wohl hängenbleiben. Die Hoffnung der Schweizer ist, dass der Markt das Drama um die Credit Suisse als einen Einzelfall wertet, als das Ergebnis einer mangelhaften Führung und von schlechten Managemententscheidungen einer Großbank, was ja auch stimmt, schließlich befand sich die Credit Suisse schon gut ein Jahr in Schieflage. <BR /><BR /><b>Die Credit Suisse war mittendrin in einem Umstrukturierungsprozess, der darin bestand, sich wieder stärker aufs Vermögensverwaltungsgeschäft zu konzentrieren. Die Umstände kamen diesem Prozess zuvor…</b><BR />Weissensteiner: Ich gebe Ihnen recht, dass die Umstrukturierung im Gange war. Nüchtern betrachtet, muss man aber feststellen, dass der Markt diese Pläne alles andere als begeistert mitverfolgt hat. Der Aktienkurs der Credit Suisse bewegt sich seit gut einem Jahr talwärts – nahezu linear von rund 7 Euro im März 2022 auf unter 3 Euro bis Februar des laufenden Jahres. In den letzten 2 Wochen haben sich dann die Ereignisse überschlagen, mit den Bankenpleiten in den USA und den kritischen Aussagen des Credit-Suisse-Großaktionärs, das hat sicherlich das Fass zum Überlaufen gebracht. Dennoch: Dass die Credit Suisse ohne diese äußeren Umstände wieder auf die Beine gekommen wäre, würde ich nicht wagen zu behaupten. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="878381_image" /></div> <BR /><BR /><b>Der Finanzplatz Schweiz gehört bei dem Drama also ebenso wie die Credit Suisse zu den Verlierern: Wie sieht es mit der UBS aus?</b><BR />Weissensteiner: Wenn man einen Blick auf den Aktienkurs der UBS wirft, der nach dem Deal um 7 Prozent zulegen konnte, ist es eindeutig sie, die profitiert, obwohl sie auch zu ihrem „Glück“ quasi gezwungen werden musste. Offensichtlich goutiert der Markt, dass die Bank relativ günstig zu viel Volumen in der Vermögensverwaltung gekommen ist und es interessante Einsparungsmöglichkeiten gibt. Die UBS will ein Drittel des Personalstocks der Credit Suisse, das sind bis zu 40.000 Stellen, abbauen. Zudem will man die IT der beiden Banken zusammenlegen und so die Kosten senken. Derlei Perspektiven gefallen Aktionären, wie wir wissen. <BR /><BR /><b>Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass aus 2 ehemaligen Konkurrenten ein noch größerer Bankenkoloss entsteht?</b><BR />Weissensteiner: Dass das nicht unproblematisch ist, ist, denke ich, unbestritten. Zum einen leidet der schweizinterne Wettbewerb im Bankensektor, zum anderen stellt eine einzige Großbank ein noch größeres Systemrisiko dar. Man will sich lieber nicht vorstellen, was passieren würde, wenn sie irgendwann in Schwierigkeiten geraten würde und gerettet werden müsste. Ich sehe im konkreten Fall aber noch ein weiteres Risiko.<BR /><BR /><b>Welches?</b><BR />Weissensteiner: Es könnte in der Causa Credit Suisse noch zu einem Rechtsstreit kommen. Es wurde nämlich nicht die Reihenfolge eingehalten in Bezug auf die Frage, wer wann Verluste erleiden muss. Üblicherweise trifft es zunächst die Eigenkapitalgeber bzw. Aktionäre, danach die Anleihen und am Ende die Sparer. Die Schweizer Nationalbank hat diese Reihenfolge bei der Credit Suisse kurzerhand umgekehrt. Das ist bei Anteilseignern anderer Institute nicht gut angekommen. Gut möglich, dass das Ganze noch ein gerichtliches Nachspiel haben wird. <BR /><BR /><b>Signature Bank, Silicon Valley Bank, Credit Suisse – und jetzt wackelt auch noch die First Republic Bank: Was glauben Sie, werden noch weitere Dominosteine im internationalen Bankensystem fallen?</b><BR />Weissensteiner: Im Moment sieht es so aus, als würde das ganz große Chaos ausbleiben. Die Märkte scheinen sich zu beruhigen, was sicherlich dem beherzten und konzertieren Handeln der Schweizerischen Nationalbank bzw. der EZB und der Fed zu verdanken ist. Dadurch konnte wichtiges Vertrauen wiederhergestellt werden. Eine Garantie dafür, dass keine weiteren Banken in Schwierigkeiten geraten können, ist das freilich nicht. <BR /><BR />Interview: Rainer Hilpold