Er halte den Südtiroler Sonderweg nach wie vor für richtig, sagt ASBG-Chef Tony Tschenett. Aber die Kommunikation vonseiten der Politik sei „sehr schlecht“, die Bürger seien verunsichert. „Zudem fehlt in Südtirol eine Strategie.“<BR /><BR /><BR /><BR /><i>Von Arnold Sorg</i><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>Herr Tschenett, ein Jahr seit dem ersten Coronafall in Südtirol: Wie bewerten Sie das Corona-Management in diesem Jahr in Südtirol, Italien und der Europäischen Union?</b><BR />Tony Tschenett: Im Frühjahr hat das Krisen-Management im Großen und Ganzen funktioniert. Natürlich hat es auch Probleme gegeben, Probleme bei den Schutzausrüstungen, oder bei der Beschaffung der Schutzmasken. Aber das war nicht nur in Südtirol so, sondern in ganz Europa. Auch die Krisen-Kommunikation hat im Frühjahr funktioniert und der Staat hat die Betriebe mit den beiden „Ristori“-Dekreten unterstützt. Ein großer Fehler wurde dann aber im Sommer begangen.<BR /><BR /><BR /><b>Nämlich?</b><BR />Tschenett: Im Sommer hat man die Lage nicht mehr so ernst genommen, sei es in Südtirol, als auch in Italien und im Rest der Europäischen Union. Man hat geglaubt, dass es so weitergeht, wie im Sommer, dass man also die Infektionen unter Kontrolle halten kann, obwohl die Virologen ständig betonten, dass im Herbst eine zweite große Welle kommen wird. Das hat man viel zu wenig ernst genommen, auch wir hier in Südtirol. Hätte man es ernst genommen, hätte man eine gewisse Vorarbeit machen können. <BR /><BR /><BR /><b>Was meinen Sie konkret?</b><BR />Tschenett: Denken wir an die Krankenhäuser: Wir haben zwar bei den Intensivbetten ein wenig aufgestockt, was wir aber nicht gemacht haben, sind konsequente Corona-Tests. Wir haben gemeinsam mit dem Unternehmerverband bereits im September gefordert, dass man in den einzelnen Bezirken Teststraßen einrichtet. Das wurde nicht getan. Auch ins Schuljahr ist man ohne Corona-Tests gestartet. Im Oktober hat uns dann eine große zweite Welle dann erfasst. <BR /><BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-48029107_quote" /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>Was sagen Sie zum sogenannten Südtiroler Sonderweg? Im Frühjahr wurde er noch von allen Seiten gelobt, mittlerweile passiert das Gegenteil.</b><BR />Tschenett: Der Südtiroler Sonderweg war im vergangenen Frühjahr sicherlich richtig, aber seit Herbst muss man leider sagen, dass sich niemand mehr auskennt. Die Bevölkerung ist völlig verunsichert wegen der ganzen widersprüchlichen Aussagen. So hat es zuerst geheißen, wir sind rote Zone, uns in Südtirol hat man aber gesagt, wir seien gelbe Zone, dann hat es wieder geheißen, die Skigebiete dürften in wenigen Tagen öffnen, 2 Tage später hieß es vom selben Landesrat dann wieder, dass sie doch nicht öffnen dürften. Dann hieß es wieder, wenn sich beim Massentest viele Bürger beteiligen, können wir ein halbwegs normales Weihnachten feiern, was bekanntermaßen dann nicht der Fall war. Die Politik hat an einem Tag Aussagen getätigt, die sie wenige Tage später wieder widerlegt hat. Die Kommunikation war eine Katastrophe. Die Leute kannten und kennen sich teilweise noch immer nicht aus. Und das Problem ist immer diese Kurzfristigkeit: Viele Betriebe haben schon Mitarbeiter eingestellt, oder haben ihre Lager gefüllt und das ganze oftmals umsonst, weil wenige Tage später wieder eine andere Verordnung kam. Was Südtirol fehlt, ist eine Strategie. Sollten die Virus-Mutationen in mehreren Gemeinden auftreten, dann wissen wir nicht, was mit diesen Gemeinden passieren wird. Warum sagt man dies nicht bereits vorher? So, wie die Südtiroler Politik kommuniziert, kennt man sich teilweise überhaupt nicht mehr aus. <BR /><BR /><BR /><b>War also die Kommunikation der Politik einfach schlecht, oder war der Südtiroler Sonderweg ab Herbst falsch?</b><BR />Tschenett: Die Frage ist, was hätte es gebracht, wenn wir den italienischen Weg gegangen wären? Wir hätten momentan vermutlich niedrigere Infektionszahlen. Andererseits hätte man den Bürgern damit die Bewegungsfreiheit genommen und die Geschäfte im Einzelhandel wären länger geschlossen gewesen, als es mit dem Südtiroler Weg der Fall war, auch die Bars und Restaurants. Auch waren in Südtirol die Schulen offen. Zudem fehlt es beim italienischen Weg an der finanziellen Unterstützung, sei es für die Betriebe als auch für die Arbeitnehmer. Wenn in Deutschland oder in Österreich ein Lockdown angekündigt wird, dann wird im selben Moment auch gesagt, mit welchen finanziellen Unterstützungen die Betriebe und die Mitarbeiter rechnen können. Das fehlt in Italien völlig. Natürlich muss auch Südtirol dringend ein Hilfspaket auf den Weg bringen. Aber insgesamt glaube ich, dass der Südtiroler Weg richtig war, nur ist die Kommunikation vonseiten der Politik sehr schlecht und es fehlt eine Strategie und eine erkennbare Linie und die Konsequenz.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Inwiefern?</b><BR />Tschenett: Beispiel Schulen: Am 7. Jänner wurden diese wieder geöffnet, ohne dass im Vorfeld Corona-Tests gemacht wurden, die von der Politik eigentlich angekündigt worden waren. Auch die kontinuierlichen Tests in den Schulen, die man versprochen hatte, wurden bislang nicht durchgeführt. Wenn man etwas ankündigt, sollte man es auch einhalten.