Nur der Kauf von Autos nordamerikanischer Hersteller wird finanziell gefördert, und Produzenten erneuerbarer Energie, die die Bestimmungen zu im Inland gefertigten Bauteilen einhalten, erhalten Subventionen. Viele Länder insbesondere in Europa erwägen nun, eine eigene grüne Industriepolitik zu verfolgen. Das ist die verkehrte Reaktion.<BR /><BR />Die Subventionen des IRA für in Amerika gefertigte Produkte sind zweifellos umstritten, insbesondere aufseiten führender Handelspartner der USA wie Japan, Südkorea und der Europäischen Union. US-Präsident Joe Biden ist nun um Schadensbegrenzung bemüht und versucht, seine Partner zu beruhigen und Möglichkeiten zu finden, um die Auswirkungen auf die Verbündeten durch großzügige Auslegung der „Buy American“- Bestimmungen des IRA abzumildern.<BR /><BR />Die europäischen Politiker überzeugt das nicht. Sie fürchten, dass der IRA, sofern sie nicht eigene Subventionen einführen, den USA faktisch eine führende Stellung in grünen Branchen garantieren wird. Doch die dieser Schlussfolgerung zugrundeliegende Logik ist bestenfalls fragwürdig.<BR /><BR />Zwar haben einige europäische Firmen gedroht, in die USA abzuwandern, wenn sie nicht zu Hause ähnliche Subventionen erhalten. Doch dürften etwa europäische Windradproduzenten ihre Produktion in Europa kaum einstellen, nur weil sie in den USA gute Geschäfte erwarten.<h3>Nicht zu 100 Prozent aus US-Produktion</h3>„Buy American“ bedeutet nicht: zu 100 % aus US-Produktion. Um sich den „Bonus“ von 10 % für im Inland produzierte Bestandteile zu sichern – den der IRA zusätzlich zu großzügigen, nicht von einer Erfüllung des Schwellenwerts abhängenden Subventionen gewährt –, darf ein Unternehmen wie etwa ein Windpark ausschließlich amerikanischen Stahl verwenden. Der Pflichtanteil in den USA gefertigter Komponenten selbst jedoch liegt bloß bei 40 %. Anders ausgedrückt: Trotz des zusätzlichen Anreizes zur Nutzung US-gefertigter Komponenten geht die US-Regierung selbst davon aus, dass sich die Unternehmen mehrheitlich auf Importe stützen werden.<BR /><BR />Zudem könnten die „US-gefertigten“ Bauteile laut Handelsrechtlern weitgehend aus importierten Teilkomponenten bestehen. In der Praxis macht das die Bestimmungen über heimische Bestandteile noch weniger stringent. Während der IRA den Unternehmen also einen Anreiz bietet, bestimmte Komponenten in den USA zu produzieren, wird es nach wie vor eine hohe Nachfrage nach europäischen Produkten geben, und zwar nicht nur in den USA, sondern zunehmend auch in Europa.<BR /><BR />So oder so ist der IRA nicht gerade ein Musterbeispiel guter Industriepolitik. Im Gegenteil: Einige seiner zentralen Bestimmungen ermutigen zu Verschwendung. Tatsächlich hat Europa die Nutzung ineffizienter und kostspieliger Pauschalsubventionen für erneuerbare Energien – auf die 250 Milliarden Dollar der Gesamtförderung des IRA entfallen – bereits verworfen. Stattdessen nutzen die meisten europäischen Länder Auktionen, um zu ermitteln, welche Subventionsrate erforderlich ist, um zu Emissionssenkungen anzuregen. Einige nutzen auch sogenannte Differenzkontrakte, bei denen der Staat Investoren die Differenz zwischen dem Marktpreis und einem garantierten Minimum bezahlt.<h3>Ein Merkmal ist wirtschaftlich ineffizient</h3>Ein weiteres fragwürdiges Merkmal des IRA ist die Steuergutschrift auf Investitionen, die die Kosten einer Erzeugungsanlage für erneuerbare Energie zu 30 % subventioniert (oder zu 40 %, falls die Regeln über den Mindestanteil an im Inland produzierten Komponenten erfüllt sind). Das ist wirtschaftlich ineffizient, weil die Subvention nicht an die letztlich produzierte Strommenge geknüpft ist. Zudem entsteht dadurch eine Art Moral-Hazard-Risiko: Wenn Investoren lediglich 60-70 % der Gesamtkosten tragen, strengen sie sich womöglich nicht gleichermaßen an, ihre Kosten zu senken, oder sie machen bloß mehr Gewinn. Auch führt Verschwendung beim Bau der Erzeugungsanlagen zu zusätzlichen Emissionen, insbesondere beim Einsatz energieintensiverer Waren wie Stahl oder Beton.<BR /><BR />Und schließlich trägt der IRA wenig dazu bei, den umwelttechnologischen Fortschritt anzukurbeln. Jedes Projekt, das emissionsfreien Strom produziert, qualifiziert für eine Förderung im Rahmen des IRA. Windparks und PV-Anlagen – deren Kosten kontinuierlich sinken – dürften daher die wichtigsten Empfänger von IRA-Subventionen sein. Doch während diese Technologien unverzichtbar sind, um kurzfristige Ziele zur Emissionsminderung – etwa für 2030 oder 2035 – zu erreichen, erfordert eine emissionsneutrale Zukunft neue technologische und technische Durchbrüche.<BR /><BR />Hier sollten staatliche Subventionen ansetzen. Statt ineffiziente Subventionen für bestehende Technologien anzubieten, sollten die Regierung die Erforschung und Entwicklung neuer Technologien fördern. Dies stellt jedoch für die EU eine formidable Herausforderung dar.<BR /><BR />Gegenwärtig werden die meisten Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Europa auf Länder- und nicht auf EU-Ebene getätigt, und das Geld fließt weitgehend an nationale Hochschulen und Forschungslabors. Zudem wird über die Zuweisung von EU-Haushaltsmitteln nur alle sieben Jahre entschieden, und sie kann nur einstimmig geändert werden. Es ist für die EU daher praktisch unmöglich, vor 2027 neue Fördermittel für Forschung und Entwicklung auszuweisen.<BR /><h3> Alternativvorschlag von von der Leyen</h3>Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat deshalb einen Alternativvorschlag gemacht: die Umwandlung des zeitlich begrenzten EU-Programms zur Aufnahme pandemiebedingter Kredite, NextGenerationEU, in ein ständiges Instrument. Leider besteht kaum eine Chance, dass dieses Vorhaben umgesetzt wird; daher hat sie zudem eine Lockerung der EU-Regeln für Staatsbeihilfen vorgeschlagen, um den Mitgliedstaaten mehr Spielraum für nationale Subventionen zu verschaffen – eine weniger gute Lösung.<BR /><BR />Das viel gepriesene, aber handwerklich schlechte Europäische Chip-Gesetz folgt annähernd demselben Muster. Es bietet den EU-Mitgliedstaaten zusätzliche Spielräume für nationale Subventionen, ohne jedoch die Mittel für Forschung und Entwicklung wesentlich zu erhöhen. Der US CHIPS & Science Act, der 13 Milliarden Dollar zum Ausbau des Personalbestands im Bereich Forschung und Entwicklung vorsieht, ist ein deutlich besseres Modell sowohl als die europäische Version wie auch als der IRA.<BR /><BR />Die EU sollte nicht in einen Subventionswettlauf mit den USA eintreten, und mit Sicherheit nicht auf Basis des IRA-Modells. Ein Wettlauf im Bereich der Umwelttechnologien – in dem beide Seiten die Erforschung und Entwicklung neuer derartiger Technologien subventionieren – ist ein viel besserer Ansatz. Die Frage ist, ob Europa den politischen Willen und den Weitblick aufbringt, um wettbewerbsfähig zu werden.<BR /><BR />Aus dem Englischen von Jan Doolan<h3> Zum Autor</h3>Daniel Gros ist Vorstandsmitglied und Distinguished Fellow des Centre for European Policy Studies.<BR /><BR />Copyright: Project Syndicate, 2023.<BR /> <a href="https://www.project-syndicate.org/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">www.project-syndicate.org</a><BR />