<BR /><b>Herr Walcher, Ihr Vorgänger Arnold Schuler sagte bei seinem Abschied, dass er Ihnen vielleicht ein Nutella-Glas im Büro hinterlassen wird. Wie schaut es aus?</b><BR />Luis Walcher: Ich habe gleich nach der Nutella gesucht, aber weder ein volles noch ein leeres Nutella-Glas gefunden. Die Enttäuschung bei mir hielt sich in Grenzen, bei meinen Kindern daheim war sie viel größer. <BR /><BR /><b>Was Ihr Vorgänger ebenfalls sagte, war, dass es schwierig gewesen ist, Tourismus und Landwirtschaft als Landesrat zu vereinen. Was glauben Sie?</b><BR />Walcher: Diese 2 Bereiche müssen ihren gemeinsamen Nenner wieder entdecken, denn sie brauchen sich gegenseitig. Der Tourismus braucht die durch Bauern gepflegte Landschaft. Die Landwirtschaft braucht wiederum Abnehmer ihrer Qualitätsprodukte im eigenen Land. Wenn wir das zusammenbringen mit einer gegenseitigen respektvollen Art, bekommt man vieles wieder ins rechte Lot. Und nebenbei sind viele Touristiker noch vor 1 bis 2 Generationen selbst Bauern gewesen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-63446082_quote" /><BR /><BR /><b>Das heißt, Sie sind mit den zugeteilten Ressorts zufrieden?</b><BR />Walcher: Ich bin mit den Agenden voll ausgelastet und bin mir auch der großen Verantwortung bewusst. Ich weiß, Landwirtschaft und Tourismus, das sind Bereiche, die wie kaum andere in der Gesellschaft polarisieren. Das hat man auch bei den vergangenen Landtagswahlen gesehen.<BR /><BR /><b>Die Problemfelder in Ihren Ressorts sind sehr vielschichtig. Was steht denn auf Ihrer Agenda bei der Land- und Forstwirtschaft ganz oben?</b><BR />Walcher: Ich glaube, die Hauptaufgabe muss sein, dass kein landwirtschaftlicher Betrieb zusperrt. Wir müssen uns so einsetzen, dass am Ende jeder eine Chance sieht, auch in der Zukunft als Betrieb zu bestehen. Und wenn uns das gelingt, egal ob im Tal oder auf dem Berg, dann glaube ich, haben wir die Arbeit richtig gemacht. Der Bereich Forstwirtschaft durchlebt seit Jahren mit dem Sturmtief Vaia und jetzt mit dem Borkenkäfer eine ganz schlimme Zeit. Da ist dringend Hand anzulegen.<BR /><BR /><b>Und beim Tourismus?</b><BR />Walcher: Beim Tourismus gilt es zuallererst, den Menschen zu erklären, was Südtirol ohne Tourismus wäre. Seit den 1960er Jahren waren es die Touristen, die Geld ins Land gebracht haben. Dadurch haben die Handwerker im Dorf Arbeit gefunden. Lokale Kreisläufe wurden am Leben erhalten, Arbeitsplätze vor Ort geschaffen. Erst wenn einem das bewusst wird und man sieht, mit wie viel Einsatz die dritte, vierte Generation im Tourismus noch immer am Werk ist, sollte die Wertschätzung diesem Bereich gegenüber größer sein.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="995812_image" /></div> <BR /><BR /><b>Zurzeit herrscht unter den Bauern europaweit Unmut – auch hierzulande sind Proteste geplant. Zurecht?</b><BR />Walcher: Ja. <BR /><BR /><b>Warum?</b><BR />Walcher: Europaweit ist der Unmut gerechtfertigt. Wir haben das in den letzten Monaten alle mitbekommen. Irgendwann ist das berühmte Maß halt voll. In Rom beispielsweise stehen Traktoren seit Tagen vor der Stadt. Wir wissen, dass Landwirtschaftspolitik in Brüssel und dann vor allem in Rom gemacht wird. Viele Bauern hierzulande wollen sich solidarisch zeigen mit den Berufskollegen. Wir haben mittlerweile auch in Südtirol Bereiche, wo die Erlöse stark gesunken sind, die Spesen in den letzten Jahren aber gestiegen sind, nicht zuletzt aufgrund der hohen Energiekosten. Viele Höfe überleben nur, weil Bauern einer zweiten Arbeit nachgehen – besonders in der Viehwirtschaft. Und im Prinzip müssen die Landwirte immer mehr Geld, das sie mit dem Zweitberuf oder Nebenerwerb verdienen, in den Hof reinstecken, damit er zu Jahresende mit Null aufgeht. Das ist die finanzielle Seite. Dann gibt es das Problem mit der Bürokratie. Denn ob ich einen oder 10 Hektar Obstbau betreibe – Bürokratie hat man gleich viel. Das Verhältnis zwischen Arbeit und Bürokratie stimmt da leider nicht mehr. Da gilt es in Zukunft den Hebel anzusetzen, wie man das verbessert. <BR /><BR /><embed id="dtext86-63446083_quote" /><BR /><BR /><b>Ein weiteres Problemfeld, das zu Ihren Ressorts gehört, ist der Bär und der Wolf. Was sind die nächsten Schritte, die man angehen muss?</b><BR />Walcher: Es gilt mit den Gesprächspartnern in Rom und Brüssel zu reden. Auf EU-Ebene ist, wie EU-Abgeordneter Herbert Dorfmann bereits mehrmals gesagt hat, das Verfahren eingeleitet worden, um den Schutzstatus für den Wolf zu senken. Das würde uns bereits in ganz vielen Bereichen die Handlungsmöglichkeiten auf gesamtstaatlicher Ebene vereinfachen. Das gleiche gilt auch für den Bär. Wird ein Bär zum Problem, gehört er erschossen. Da gibt es keinen Plan B. Da nutzt es auch nicht, den Bär in ein anderes Gebiet umzusiedeln. Ich möchte das Land kennen, das sich einen Problembären holt…<BR /><BR /><b>Was ist ihnen im politischen Tagesgeschäft wichtig?</b><BR />Walcher: Wenn die Leute merken, dass wir als Landesräte fleißig arbeiten und dass wir miteinander diskutieren und nicht streiten, dann bekommt die Politik auch wieder einen neuen Stellenwert. Daran glaube ich. Das war in den letzten Jahren in meiner Tätigkeit im Bozner Rathaus nicht anders. Es ist aber auch wichtig, neben dem Tagesgeschäft nie das große Ganze aus den Augen zu verlieren. <BR /><BR /><b>Findet für Sie Diskussion auch auf den sozialen Netzwerken statt?</b><BR />Walcher: Ich bin auf den sozialen Medien eigentlich schon einige Jahre aktiv. Ich nutze alle Gelegenheiten, um mit den Menschen in Kontakt zu treten. Viele Bürgeranliegen bekomme ich über die sozialen Medien. Ob die Diskussion dort immer zielführend ist, lasse ich dahingestellt.<BR /><BR /><b>Was ist Ihnen wichtig, wenn Sie Entscheidungen treffen?</b><BR />Walcher: Ich entscheide von Haus aus gerne und versuche, dies klar zu kommunizieren. Natürlich macht ein Ja den Antragsteller zufrieden und ein Nein wohl nicht. So ist es oft im Leben. Bevor die definitive Entscheidung fällt, versuche ich aber immer eine Lösung für ein Problem zu finden, denn Leute, die arbeiten wollen, soll man auch arbeiten lassen.<BR /><BR />ZUR PERSON <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="995815_image" /></div> <BR />Luis Walcher wurde am 22.2.1974 geboren, ist verheiratet und hat 3 Kinder im Pflichtschulalter. Er hat die Handelsoberschule besucht und hat eine lange Erfahrung als Einkäufer in der Privatwirtschaft. 2007 hat er den elterlichen Hof in Bozen/Gries mit Obst- und Weinbau übernommen. 2005 wurde er in den Bozner Gemeinderat gewählt, war mehrmals Gemeinderatspräsident, dann ab 2016 Mitglied der Bozner Stadtregierung und ab 2019 Vizebürgermeister der Landeshauptstadt. Zuletzt war er zuständig für die Bereiche Urbanistik, öffentliche Arbeiten und Zivilschutz. Letzterer Bereich beschäftigt ihn auch leidenschaftlich abseits der Politik. Luis Walcher ist seit 1991 Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr Gries (2005-2010 Kommandant). <BR />