<b>Herr Gallmetzer, Sie sagen, diese Ernteprognosen, die jedes Jahr im Rahmen der „Prognosfruit“ publik werden, schaden den Bauern. Warum?</b><BR />Georg Gallmetzer: Weil aufgrund dieser Daten aus ganz Europa die Handelsketten die Preise festlegen. Doch meistens fallen die Prognosen ja höher aus als die endgültige Ernte – und eine höhere Menge bedeutet sinkende Preise. Nachdem wir mit der Natur arbeiten, wissen wir im August nie, wie viel zum Schluss wirklich zusammenkommt. Es kann passieren, dass wir – wie in Europa letztes Jahr geschehen – noch eine Trockenphase bekommen und dadurch 2 Millimeter bei der Durchschnittsgröße fehlen. Und das bedeutet ungefähr 8 Prozent reduzierte Menge. Uns Landwirte stört es daher schon seit längerem, dass diese geschätzten, meist zu hohen Daten lediglich dazu dienen, dass die Handelsketten auf die eigene Gewinnmaximierung hinarbeiten können.<BR /><BR /><embed id="dtext86-60755120_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Sie sagen also, die Prognosen kommen nur den Handelsketten zugute, die sich auf Kosten der Bauern bereichern?</b><BR />Gallmetzer: Ja, denn aufgrund dessen wird der Preis gemacht. Und dabei schlagen die Handelsketten heute schon teilweise 2,50 Euro je Kilo Äpfel drauf. Es ist schon klar, dass jeder etwas verdienen soll, doch die Handelsketten machen Gewinne im Milliardenbereich, drücken aber unsere Preise. Gleichzeitig machen sie uns immer neue Vorgaben, die für uns neue Kosten bedeuten, zum Beispiel statt Plastikverpackungen solche aus Karton zu verwenden, die für uns teurer sind. Nur bezahlt werden wir dafür nicht. Und dann kann es passieren, dass die Ketten im Frühjahr einfach aus der europäischen Ware aussteigen und sagen, sie wechseln jetzt zur frischen Ware aus Übersee; und im Herbst, wenn unsere Ware kommt, heißt es, man müsse zuerst die Überseeware verkaufen. Wir fordern daher, vor allem von den deutschen Handelsketten, dass sie uns auf Augenhöhe begegnen. <BR /><BR /><b>Kann man den Schaden, der durch die abweichenden Prognosen entsteht, in etwa beziffern?</b><BR />Gallmetzer: Das ist schwierig, aber falsche Prognosen können uns 10 bis 15 Cent je Kilo kosten. Lassen Sie mich einen Vergleich machen: Die Autoindustrie meldet ja auch nur die Zahl der Pkw, die sie pro Jahr zugelassen hat – und nicht wie viele Autos sie noch nicht verkauft hat. Denn wenn bekannt wäre, dass noch eine Million VW Golf – nur um ein Beispiel zu nennen – auf Lager sind, dann sagt der Kunde: Dann warte ich noch, vielleicht sinkt der Preis.<BR /><BR /><embed id="dtext86-60755124_quote" /><BR /><BR /><b>Was fordern Sie? Dass Südtirol die Ernteschätzungen gar nicht mehr bekannt gibt?</b><BR />Gallmetzer: Das wäre eine Möglichkeit. Wir als Arbeitsgruppe „Zukunft Landwirtschaft“ wären aber dafür, die Daten einfach erst später, wenn die Ernte fertig ist, also Ende November, frei zu geben – und auch nur die Daten jener Ware, die effektiv über den Tisch der Handelsketten geht. Denn es wird ja im August immer die Gesamterntemenge kommuniziert, inklusive der Industrieware, die eigentlich nichts mit dem Tafelobst zu tun hat. Heuer wurde zum Beispiel bei der „Prognosfruit“ die Ernte in Polen auf rund 3 Millionen Tonnen angesetzt, doch 80 Prozent der Tafelware ist dort mit Schorf befallen und dürfte gar nicht berechnet waren. Deshalb ist unsere Bitte als Arbeitsgruppe an den VOG, darüber nachzudenken, ob diese Ernteschätzungen noch zeitgemäß sind. Denn das wirklich Schlimme ist, dass die Handelsketten damit die europäische Selbstversorgung aufs Spiel setzen. In Italien sind in der Poebene schon tausende Hektar Obstplantagen gerodet worden.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="926470_image" /></div> <BR /><BR /><b>Weil der Obstbau nicht mehr rentabel ist?</b><BR />Gallmetzer: Genau. Wenn man als Bauer 20 Cent pro Kilo bekommt, aber die Kosten bei 40 Cent liegen, dann hält man das vielleicht eine Saison aus, aber nicht 2. Die Frage ist: Ist das das Ziel, dass man die Landwirtschaft so kaputt macht – auch in Südtirol? <BR /><BR /><b>Die Gefahr sehen Sie wirklich?</b><BR />Gallmetzer: Ja, die Gefahr ist da. Das sieht man ja schon an den Grundpreisen. In Vinschgau sind beispielsweise 150 Hektar zu verkaufen und keiner will sie, vor 3 Jahren noch hätten sich die Vinschger Bauern darum gestritten. Und man spürt auch die Resignation bei den Genossenschaftsmitgliedern. Letztes Jahr beispielsweise hatten wir, wohlgemerkt wenn man gut gearbeitet hat, eine reine Nullrunde, und eine zweite solche Saison können sich viele Landwirte nicht leisten. Deshalb ist meine Bitte an den VOG, weniger politische Entscheidungen zu treffen, sondern wieder mehr solche auf wirtschaftlicher Basis – für die Mitglieder, die ja Besitzer des Verbandes sind. Und mein Appell lautet auch, uns nicht so stark von den deutschen Handelsketten abhängig zu machen. Natürlich ist es leichter gesagt als getan, auf den deutschen Handel zum Teil zu verzichten und stattdessen neue Märkte zu suchen…. <BR /><BR /><embed id="dtext86-60755232_quote" /><BR /><BR /><b>Das macht der VOG aber auch schon…</b><BR />Gallmetzer: Das stimmt. Der VOG ist auf dem richtigen Weg, aber es fehlt der letzte Schliff – und da sollten wir keine Angst haben. Und wir sollten auch nicht alles akzeptieren, nur weil uns die Handelsketten zu verstehen geben, dass wir froh sein müssten, wenn wir unsere Äpfel loswerden. Wenn man nachhaltig sein will in allen Facetten, dann muss man auch fair miteinander umgehen. <BR /><BR /><b>Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, der VOG sollte „weniger politischen Entscheidungen“ treffen?</b><BR />Gallmetzer: Dass wir leider nicht über die Effizienz der einzelnen Mitgliedsgenossenschaften reden, sondern es mehr darum geht, welche die größere Genossenschaft und wer der größere Obmann ist. Aber was ist wichtiger: Größe oder Effizienz? <BR /><BR /><embed id="dtext86-60755233_quote" /><BR /><BR /><b>Mit Größe meinen Sie, wie gut eine Genossenschaft ausgestattet ist…</b><BR />Gallmetzer: Ja. Der VOG schreibt zum Beispiel vor, wie viele Verpackungslinien eine Genossenschaft haben soll und wie viel sie eventuell dazu bauen muss. Wir als Arbeitsgruppe „Zukunft Landwirtschaft“ sind hingegen der Meinung, man sollte sich zuerst fragen, ob man die bestehenden Linien nicht effizienter nutzen könnte, bevor man wieder neue Investitionen tätigt. In der Autoindustrie wird ja teilweise auch 24 Stunden gearbeitet, damit sich die Fertigungslinien rechnen. Wir haben Genossenschaften mit Sortiermaschinen, die jahrelang nicht gebraucht werden, Genossenschaften mit leer stehenden Gebäuden, die dennoch erweitern usw. Ist das nachhaltig? Da sollten wir uns als Verband schon ein paar Fragen stellen. Denn all diese Investitionen kosten Geld und Grund – und bringen dem Mitglied nichts. <BR /><BR /><b>Was fordern Sie in dem Punkt?</b><BR />Gallmetzer: Wir als Arbeitsgruppe fordern, dass Entscheidungen mehr aus wirtschaftlicher Sicht getroffen werden und den Produzenten zugute kommen müssen – und das ist zum Teil verloren gegangen. Man muss schon sagen: Es sind nicht alle Obmänner so, aber manche schauen zu sehr auf die eigene Größe und Macht. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR />