Für Volkswirt Gottfried Tappeiner, der an der Uni Innsbruck lehrt, ist das Zollpaket der bislang schärfste Angriff des US-Präsidenten auf die Weltwirtschaft. „Die Auswirkungen werden leider schmerzhaft sein – und zwar nicht nur für die US-Verbraucher, die die Zölle in Form von höheren Preisen spüren werden. Die Zölle erhöhen insgesamt die Rezessionsgefahr in den USA und in der EU erheblich.“ Das IfW in Kiel habe bereits vor den Pauschalzöllen von 20 Prozent und den Autozöllen in Höhe von 25 Prozent ein um 0,3 bis 0,5 Prozent geringeres Wachstum für die EU vorhergesagt. „Die neue Ausgangslage mit den verschärften Zöllen dürfte den Abschwung wohl noch stärker ausfallen lassen - in einer Phase, in der die EU-Wirtschaft ohnehin nicht gerade auf Hochtouren läuft“, so Tappeiner.<h3> „Auch der Arbeitsmarkt dürfte leiden“</h3>Warum aber wird auch die EU-Wirtschaft belastet? „Durch die höheren Zölle verteuern sich EU-Exporte in die USA, was wiederum die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe verschlechtert. Die Folgen sind ein Rückgang der Nachfrage und sinkende Umsätze. Die Folgen für den Arbeitsmarkt sind absehbar, zumal es nicht gelingen wird die Einbußen auf dem US-Markt durch Exporte in andere Länder auszugleichen. Es dauert Jahre, um Warenströme umzulenken und neue Handelsbeziehungen aufzubauen.“ <BR /><BR /><embed id="dtext86-69291099_quote" /><BR /><BR />Ob zu allem Überfluss noch die Preise für die Verbraucher in der EU steigen werden, hängt laut Tappeiner davon ab, wie sich nun die EU verhalten wird. „Man sollte sich jetzt nur nicht zu Schnellschüssen verleiten lassen. Eine Eskalation wäre dann unvermeidbar mit einer echten Inflationsgefahr für Europa.“ Eine Antwort müsse zwar kommen, weil sie politisch unvermeidbar sei, aber sie sollte moderat ausfallen. <h3> Wie die Zölle berechnet wurden</h3>Angesprochen darauf, ob er die Argumentation Trumps, dass die EU die USA unfair behandle und deshalb so hohe Zölle verdiene, nachvollziehen könne, meint er: „Mitnichten. Die Art der Berechnung, die gestern publik wurde, beweist, in welch desolatem Zustand die US-Verwaltung ist. Anders als von Trump geäußert, geht es nicht darum, ein Gleichgewicht bei den Zöllen herzustellen. Die Formel berechnet den Zollsatz einzig und allein, indem das Handelsdefizit durch die Exporte des Landes in die USA geteilt und das Ergebnis halbiert wird. Das ist völlig unsinnig und willkürlich.“ Würden die betroffenen Länder nun nach derselben Logik Gegenzölle verhängen, würde dies zu absurden Ergebnissen führen. Gibraltar könnte beispielsweise einen Satz von rund 75.000 Prozent erheben. Ein weiterer Kritikpunkt der Berechnung: „Trump hat nur die Waren berücksichtigt, nicht die Dienstleistungen, in denen die USA einen Überschuss gegenüber vielen Ländern der Welt hätten - vor allem wegen der Technologiekonzerne.“ <h3> „Zum Scheitern verurteilt“</h3>Ähnlich blickt der gebürtige Meraner Christoph Kaserer, Wirtschaftsprofessor an der TU München, auf die Lage: „Die Zölle werden Wachstum abschwächen und die Inflation anheizen – und zwar weltweit. Aber in jeder Krise steckt auch eine Chance. Europa kann nämlich Handelsabkommen mit anderen Regionen der Welt schließen und so die Auswirkungen dieser Zollpolitik abschwächen – nicht kurz- aber mittel- bis langfristig.“ Als heißer Kandidat wird von vielen Indien ins Spiel gebracht. <BR /><BR /><embed id="dtext86-69291093_quote" /><BR /><BR />Zudem verweist er auf einen „folgenschweren Denkfehler“ der Trump-Administration: „Man lernt in jedem Einführungskurs zur Volkswirtschaft, dass ein Handelsbilanzdefizit zu Kapitalimporten führen muss: Die Dollars, die ins Ausland fließen, kommen oft als Investitionen zurück. Trump will jedoch gleichzeitig weniger Importe und mehr ausländische Investitionen – das widerspricht sich.“ Weniger Importe bedeuten, dass weniger Dollars ins Ausland gelangen, wodurch auch weniger Kapital zurückfließt. Um dennoch Investoren anzulocken, müsste entweder der Dollar geschwächt oder die Zinsen erhöht werden. Doch eine Abwertung könnte das Vertrauen in den Dollar untergraben und, wie Kaserer betont, „seine Rolle als Weltreservewährung gefährden“ – mit schwerwiegenden Folgen für die US-Wirtschaft. Deshalb sei Trumps Plan entweder zum Scheitern verurteilt oder mit extrem hohen Kosten verbunden.<h3> Folgen für Südtirol</h3>Und was ist mit Südtirol? „Auch die heimische Exportwirtschaft wird natürlich nicht verschont bleiben, schließlich sind die USA ein wichtiger Markt für Betriebe einiger Sektoren geworden“, meint Tappeiner. 2024 lag der Exportanteil in die USA bei fast sieben Prozent (siehe Infokasten). Sorgen bereite vor allem der Automobilzulieferbereich, der – wie die gesamte Autoindustrie - schwere Zeiten durchlebe und nun durch die Zölle weiter belastet werde. Bedauernswert sei auch, dass zahlreiche Betriebe aus Südtirol in den letzten Jahren viel in den Marktaufbau investiert hätten – durchaus erfolgreich. Für sie sind die neuen Strafzölle ein Schlag ins Gesicht. <h3> „USA verlieren ihren Markenkern“</h3>Was wird also bleiben vom „Tag der Befreiung“, wie Trump seinen Auftritt zum 2. April bezeichnete? „Es war das Event eines Showmans mit einer Inszenierung, wie sie seine Hauptwählerschaft von ihm erwartete. Neben dem wirtschaftlichen fügen Trump und sein Team der USA aber einen enormen kulturellen Schaden zu. Langfristig dürfte der sogar noch schwerer wiegen - es wird viel Vertrauen verspielt und die USA verlieren ihren Markenkern.“<h3> Was der Durst-CEO dazu sagt</h3>Und was sagen Südtiroler Unternehmer zu den jüngsten Fakten, die Trump geschaffen hat? Für die Brixner Firma Durst sind die USA einer der wichtigsten Märkte. Christoph Gamper, CEO und Miteigentümer, analysiert gegenüber den „Dolomiten“ die Entwicklungen mit einer Mischung aus Ernst und Ironie. Doch eines ist klar: Die eigene Produktion in den USA auszubauen, um Zölle zu umgehen, klingt einfacher als es ist.<BR /><BR />„Die globalen Lieferketten verschieben sich erneut dramatisch“, konstatiert Gamper. Für die Durst-Gruppe, ein führendes Unternehmen für digitale Drucktechnologien, bedeutet dies vor allem maximale Flexibilität und strategische Anpassung. Der US-Markt sei von zentraler Bedeutung, doch die aktuellen Entwicklungen der US-Zollpolitik sorgten für weitreichende Unsicherheiten auf globaler Ebene.<BR /><BR /><embed id="dtext86-69291154_quote" /><BR /><BR />Eine Verlagerung der Produktion in die USA scheint auf den ersten Blick eine logische Konsequenz, um drohende Zollerhöhungen zu umgehen. Doch Gamper warnt: „Praktisch ist es weit komplexer, denn wesentliche Komponenten, die wir benötigen, sind in den USA derzeit gar nicht oder kaum verfügbar.“ Der Aufbau einer stabilen Lieferkette dauere Jahre, nicht Monate, und stelle Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Und dennoch: Die Durst-Gruppe prüfe derzeit alle Optionen. „Einen Ausbau der Produktionskapazitäten in den USA ziehen wir ernsthaft in Betracht, doch noch ist es zu früh für konkrete Entscheidungen“, so Gamper.<BR /><BR /> „Unterm Strich werden die Zollerhöhungen spürbare Folgen haben: höhere Kosten, eine komplexere Logistik und kurzfristig erhebliche Herausforderungen für unser Geschäft.“ Zudem gebe es in den USA derzeit keine relevanten Hersteller digitaler Druckanlagen, die nicht ebenfalls auf internationale Lieferketten angewiesen wären.<BR /><BR />Ob Trumps Kalkül aufgeht, ist fraglich. „Kurzfristig könnte es einige medienwirksame Erfolge geben, doch mittel- und langfristig sehe ich erhebliche Risiken für den globalen Handel.“ Trotz der Herausforderungen bleibt Gamper jedoch optimistisch: „Wir bleiben wachsam, flexibel und zuversichtlich – und behalten unseren Humor bei.“