Die Beziehung der Südtiroler zum Eigenheim ist aktuell etwas angespannt: Einerseits zählt es zu den größten Begehrlichkeiten, andererseits ist es für immer weniger Südtiroler leistbar. „Wenn wir uns die Entwicklung auf dem heimischen Immobilienmarkt der letzten 2 Jahrzehnte ansehen, zeigt sich, dass es einen ersten großen Preisschub nach der Euro-Umstellung gab. Im Zuge der Finanzkrise 2008 sind die Preise dann wieder zurückgegangen, um ab 2012 wieder zu steigen. In den vergangenen Jahren nahm das Tempo dann noch einmal deutlich zu“, weiß Alexander Benedetti, Präsident der Südtiroler Maklervereinigung. Es kam zweifellos zu einer Überhitzung am Markt. <BR /><BR />„Eine Folge davon ist, dass die Schere zwischen jenen, die sich ein Eigenheim oder auch mehrere Objekte in Südtirol leisten können und denen, die das nicht mehr schaffen, größer wird.“<h3>„Nur B- und C-Lagen betroffen“</h3>Nun ist bekannt, dass der Immobilienmarkt eng mit der Konjunktur zusammenhängt. Wächst die Wirtschaft stark, steigen auch die Preise – und umgekehrt. In Südtirol wird sich die Konjunktur heuer deutlich abschwächen, laut Prognosen des Wifo der Handelskammer Bozen dürfte Südtirols Wirtschaft nur noch um rund 0,5 Prozent wachsen. <BR /><BR />Gleichzeitig ist es wegen der Zinsanhebungen durch die Europäische Zentralbank wesentlich teurer geworden eine Immobilie – die in der Regel zum Großteil über ein Darlehen fremdfinanziert wird – zu erwerben. Das müsste doch Nachfrage und Preise drücken, würde man meinen. Doch ist das tatsächlich so? <BR /><BR />„Ich denke schon, dass wir zu einer Art Normalisierung zurückkehren werden. Zu einem Preissturz wird es aber bestimmt nicht kommen“, so Wifo-Direktor Georg Lun. „Tendenziell könnte es eine Abkühlung bei der Wertentwicklung von Objekten in so genannten B- und C-Lagen geben, Gunstlagen dürften dagegen kaum betroffen sein. Bei Letzteren spielt nämlich die Nachfrage vonseiten sehr zahlungskräftiger, ausländischer Immobilienkäufer eine wichtige Rolle, die preistreibend wirkt.“ Anders gesagt: Irgendwo gibt es immer irgendjemanden, der den veranschlagten Preis zahlt. <h3> „Angebot immer noch kleiner als die Nachfrage“</h3>Auch Makler-Chef Benedetti zerschlägt die Hoffnung auf sinkende Preise am heimischen Immobilienmarkt: „Der Wertzuwachs wird bestimmt nicht mehr so stark sein wie in den Jahren 2020, 2021 und 2022, vor allem aufgrund der gestiegenen Finanzierungskosten. Diese etwas gedämpfte Nachfrage dürfte jedoch nicht zu einem Preisrückgang führen, weil es unterm Strich in Südtirol immer noch ein vergleichsweise kleines Angebot an Liegenschaften gibt – gemessen an der Nachfrage“, so Benedetti. <BR /><BR />Ein weiteres Argument, das gegen Preisrückgänge spreche seien die Baukosten: „Diese sind zuletzt auf ein hohes Niveau geklettert. Wenn die Kosten für Neubauten steigen, und in Südtirol wird bekanntlich nach überdurchschnittlichen Standards gebaut, dann ziehen in der Regel auch die Preise für Gebrauchtobjekte, also bereits gebaute Häuser und Wohnungen, an.“ Mittel- bis langfristig dürften dann weitere Faktoren eher für steigende denn für sinkende Preise sorgen: „Das verfügbare Wohnangebot wird knapp bleiben, zugleich die Zahl derer, die einen Bedarf haben, steigen. Das wiederum hat hauptsächlich mit der demographischen Lücke am Arbeitsmarkt zu tun: Wenn in Südtirol viele Fachkräfte fehlen, müssen diese auch von außerhalb des Landes angeworben werden, die dann auch in Südtirol eine Wohnung benötigen.“<h3> 70 Prozent Eigenheimbesitzer</h3>Vor diesem Hintergrund dürften sich immer mehr Südtiroler über kurz oder lang mit der Frage auseinandersetzen (müssen), ob es immer ein Eigenheim sein muss: „Noch liegt dieser Anteil in Südtirol bei rund 70 Prozent. In Österreich und Deutschland sind es weniger als 50 Prozent, in der Schweiz gar nur 35 Prozent.“ Gerade der Fall Schweiz zeigt laut Benedetti, dass der Wohlstand und der Anteil an Eigenheimbesitzern in einem Land oder einer Region nicht zusammenhängen müssen.