Die Armen werden immer ärmer, die Reichen immer reicher. Durch die Corona-Krise und deren wirtschaftliche Folgen wird die Kluft wohl noch vergrößert.<BR /><BR /><BR /><i>Von Michl Seeber</i><BR /><BR /><BR />Betroffenheit lähmt. Auch an mir ist die Krankheit nicht spurlos vorübergegangen. Jetzt heißt es weiterdenken, gegen reale Gefahren und gegen den Mut bremsende Ängste. Denn ein bedrohliches Bild gewinnt Kontur. Die Wirtschaftskraft wird sich noch mehr global verlagern, auch weil die Steuerschonung gewisser Unternehmen und international tätiger Beratungsgesellschaften nicht wirkungsvoll bekämpft wird.<BR /><BR /> Durch auch politisch eklatante Einflussnahme von Megakonzernen - Amazon, Apple, Google, Microsoft, Tesla und nicht zuletzt auch Lebensmittel- und Autoproduzenten - gerät unser Gesellschaftssystem, wie immer wir es auch nennen wollen (Freie Marktwirtschaft, Kapitalismus, Neoliberalismus) mehr und mehr unter die Räder. Am Ende der Pandemie werden voraussichtlich mehr als 90 Prozent des gesamten Weltvermögens einer kleinen Gruppe von Firmen und Personen gehören.<BR /><BR />Bis dahin werden aber in Italien voraussichtlich 40 Prozent und in Südtirol nahezu 20 Prozent der Bevölkerung in die finanzielle Armut schlittern. Allein im Jahr 2020 gingen bereits weltweit, auch in Folge der Pandemie, rund 255 Millionen Arbeitsplätze verloren; am Ende der Corona-Krise werden es noch mehr sein. In Italien wurde im Monat Jänner 2021 für rund sieben Millionen Personen um Hilfe aus der Lohnausgleichskasse angesucht – bei einer Gesamtbeschäftigtenzahl von 23 Millionen! Allein in Südtirol waren im Jahr 2020 mehr als 20.000 Personen weniger in Arbeit als vor einem Jahr. <BR /><BR />Ganz besonders werden Alleinerziehende, kinderreiche Familien, nicht qualifizierte Mitarbeiter sowie viele Kleinunternehmer bzw. Geschäftsleute, darunter z.B. auch Gastronomen, betroffen sein. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, welche Auswirkungen die Covid-19-Pandemie wirtschaftlich und damit sozial auf die Bevölkerung sogenannter Entwicklungsländer haben wird. Den zunehmenden Frust und auch die Verzweiflung der Bürger wird eine politische Polarisierung begleiten. Denn die Hoffnung trügt, dass man einfach einen Knopf drückt, sobald die Pandemie zu Ende ist, und alles geht wieder los und weiter wie es vorher war. Die Politik müsste sich längst darüber Gedanken machen, wie man die strukturellen Schäden der Krise abfangen könnte. Mit Ausnahme der chinesischen und einem Teil der asiatischen Länder denken unsere Politiker, so scheint es zumindest, an das Tagesgeschäft und nicht an die langfristige Zukunft.<BR /><BR />Umso dringlicher müsste sich die gesellschaftliche Mittelschicht Gedanken darübermachen, ob es nicht korrekt und sinnvoll wäre, zusätzliche Steuern oder Abgaben einzuführen, um die wachsende Armut aufzufangen. Von der immer wieder heiß diskutierten Vermögenssteuer halte ich nicht viel. Denn die wirklich Vermögenden – damit meine ich zum Beispiel besonders die „Internetlöwen“ – finden zu leicht Wege, um diese Steuer nicht zu bezahlen. Nachdem nun die Money-Transfer-Steuer abgeschafft wurde, wäre es meiner Meinung nach sinnvoll, eine Finanztransaktionsabgabe als „Steuer gegen die Armut“ einzuführen. Dieses Sonder-Steuermodell geht auf den US-amerikanischen Wirtschaftswissenschafter und Nobelpreisträger James Tobin zurück. Er kam zum Schluss, dass eine Devisenspekulationssteuer zu Gunsten von Entwicklungsländern eingehoben werden sollte. <BR /><BR />Tobins Gedanken wären den heutigen besonderen Umständen anzupassen. Schon im Juli 2005 schlug der damalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel der EU vor, sie möge die Tobin Steuer einführen, um sich eigene Mittel zu sichern. 2009 wurde im Deutschen Bundestag eine Online-Petition mit der Aufforderung eingebracht, man möge eine Finanztransaktionssteuer einführen. Frankreichs Premierminister Lionel Jospin forderte seinerzeit die europäischen Finanzminister auf, sich mit dieser Sondersteuer zu befassen, um sie europaweit anzuwenden. Auch die Bundeskanzlerin Merkel äußerte 2010 gegenüber den EU-Partnern den Wunsch, die Prüfung einer Finanztransaktionssteuer voranzutreiben. Nicht zuletzt hat sich auch der CSU-Europaparlamentarier Manfred Weber für die Einführung einer von Prof. Paul Bernd Spahn, Inhaber des Lehrstuhls für öffentliche Finanzen an der Universität Frankfurt/M., leicht abgeänderten Tobin-Steuer ausgesprochen. <BR /><BR />Diese Steuer sollte hauptsächlich der Erzielung von Einnahmen dienen, doch auch rein spekulativen Devisentransaktionen entgegenwirken. Nur so nebenbei wies der ehemalige deutsche Sparkassenpräsident Heinrich Haasis im Zusammenhang mit der bankrottreifen Staatsverschuldung Griechenlands darauf hin, dass die Einführung einer Devisentransaktionssteuer im Vergleich zur Gläubigerbeteiligung oder Bankenabgabe eine wesentlich bessere Lösung für die Sanierung dieses Landes gewesen wäre. <BR /><BR />Bei einer EU-weiten Abgabe von 0,2 Prozent auf alle Devisentransaktionen wären europaweit jährlich Einnahmen von bis zu 700 Milliarden Euro zu erzielen. Damit könnte man kurzfristig die von der Pandemie wirtschaftlich schwer getroffene Bevölkerungsschicht unterstützten. Zudem würde die Besteuerung der Kapitalströme die Spekulation mit Devisen eindämmen.<BR /><BR /> Ich bin daher – ganz im Sinne von Arnold Sorgs Kommentar „Doppelpunkt“ in den „Dolomiten“ – der Meinung, dass die Politik die Probleme der von der Pandemie besonders geschädigten und zum Teil in aussichtslose Positionen gedrängten „Bürger und Unternehmen ernstnehmen muss“ und darum möglichst kurzfristig Hilfsmaßnahmen umgesetzt werden sollten. Nur so haben wir die Chance, den sozialen Frieden zu retten, so dass nicht jene Bürger, denen die Pandemie jegliche Lebensgrundlage genommen hat, in ihrer Verzweiflung auf die Straße gehen und Parlamente besetzen. Alles schon dagewesen. <BR />