Wie es funktioniert und was man sich davon erwartet – die wichtigsten Fragen und Antworten. <h3> Was versteht man unter „gemeinnützigem Wohnen“?</h3>Modelle für gemeinnützigen Wohnbau gibt es europaweit mehrere, als eines der erfolgreichsten gilt jenes in Österreich. Daran haben sich auch die Macher des Pilotprojektes in Brixen orientiert. <BR /><BR />Doch wie schaut das österreichische Konzept aus? In Österreich ist der gemeinnützige Wohnbau ein wichtiger Pfeiler der Wohnpolitik. Hauptakteure sind sogenannte gemeinnützige Bauvereinigungen (GBVs), das sind Unternehmen (Genossenschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaften), die nicht gewinnorientiert, sondern nach dem Kostendeckungsprinzip arbeiten.<BR /><BR />Das bedeutet, dass alle erwirtschafteten Einnahmen wieder in den Bau neuer Wohnungen oder die Sanierung bestehender Gebäude investiert werden. Staatliche Wohnbauförderungen ermöglichen es diesen Bauvereinigungen, Wohnungen zu günstigen Bedingungen zu errichten und zu vermieten. Diese Mieten orientieren sich an den tatsächlichen Kosten für Bau, Instandhaltung und Verwaltung. Dadurch liegen sie meist unter denen von rein privat vermieteten Wohnungen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1147695_image" /></div> <BR /><BR />Geachtet wird beim gemeinnützigen Wohnbau oft auch darauf, wer die Mieter sind: In vielen österreichischen Städten gibt es spezielle Regelungen, die dafür sorgen, dass eine gute soziale Durchmischung stattfindet. Das bedeutet, dass Menschen mit unterschiedlichem Einkommen und sozialem Hintergrund zusammenleben.<BR /><BR />Ein weiterer Aspekt, der den gemeinnützigen Wohnbau kennzeichnet, ist die Nachhaltigkeit: Gemeinnützige Bauvereinigungen investieren oft in energieeffiziente Bauweisen, um sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu gewährleisten. <h3>Worin besteht der Unterschied zum sozialen Wohnbau, wie wir ihn in Südtirol kennen? Das Wohnbauinstitut baut ja auch Wohnungen…</h3>Es handelt sich um 2 unterschiedliche Konzepte, die dasselbe Ziel verfolgen: leistbaren Wohnraum zu schaffen.<BR /><BR />Ein wesentlicher Unterschied ist die Beteiligung der öffentlichen Hand: Der soziale Wohnbau in Südtirol wird hauptsächlich vom Land über das Institut für den sozialen Wohnbau verwaltet. Die Wohnungsvergabe und -verwaltung liegen damit größtenteils in öffentlicher Hand und nicht bei gemeinnützigen Organisationen wie es in Österreich der Fall ist.<BR /><BR />Ein weiterer wichtiger Unterschied betrifft die Vergabe und die Zugangskriterien: Gemeinnützige Wohnungen sind in Österreich für breite Bevölkerungsschichten zugänglich, auch wenn es oft Einkommensgrenzen gibt. Die Interessenten müssen sich bei den Bauvereinigungen bewerben oder sich auf eine Warteliste der Stadt, zum Beispiel in Wien, setzen lassen. <BR /><BR />Manche Wohnungen sind auch für spezielle Gruppen reserviert, zum Beispiel junge Familien, ältere Menschen oder Menschen mit besonderen Bedürfnissen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1147698_image" /></div> <BR /><BR />Der soziale Wohnbau in Südtirol ist dagegen in erster Linie für einkommensschwache Haushalte gedacht. Die Vergabe erfolgt nach einem Punktesystem, das Kriterien wie Einkommen, Familiensituation und Wohnbedarf berücksichtigt. In Österreich ist das Zielpublikum also grundsätzlich breiter. <BR /><BR />Nicht zuletzt unterscheiden sich die beiden Konzepte in der Finanzierung: In Österreich sind es die gemeinnützigen Bauvereinigungen, die mit staatlicher Förderung Wohnungen errichten und dank der Förderung günstiger bauen und vermieten können. In Südtirol wird der soziale Wohnbau vom Wohnbauinstitut des Landes mit öffentlichen Mitteln finanziert.<BR /><BR />In Österreich gibt es daneben noch den kommunalen Wohnbau (Gemeindewohnungen), der stärker mit dem sozialen Wohnbau in Südtirol vergleichbar wäre.<h3> Hat das Konzept des gemeinnützigen Wohnbaus auch Nachteile?</h3>Weniger ein Nachteil, denn eine Herausforderung ist die Tatsache, dass besonders in großen Städten wie Wien oder Salzburg es eine hohe Nachfrage nach gemeinnützigen Wohnungen besteht, wodurch es zu langen Wartezeiten kommen kann. In einigen Fällen müssen Wohnungssuchende mehrere Jahre auf eine Zuteilung warten.<h3> Wie schaut nun das Pilotprojekt in Südtirol aus?</h3>Das erste gemeinnützige Wohnbauprojekt Südtirols entsteht in Brixen. Bauträger wird dort eine Stiftung sein, die Stiftung „Wohnen Südtirol“, die in den nächsten Monaten gegründet wird. Daran werden sich der Verein Arche im KVW, der KVW als Verband und weitere Institutionen beteiligen, mit denen derzeit noch Gespräche geführt werden. <BR />Die Arche setze auf Verbände wie den Familienverband, die Lebenshilfe, aber auch den Unternehmerverband und die Raiffeisenkassen. <BR /><BR />Die Stiftung wird dann in Brixen ein Gebäude mit 30 Wohnungen errichten. Die Gesamtkosten des Projekts liegen bei 7 Millionen Euro. Dabei wird sie vom Land Südtirol und der Gemeinde Brixen unterstützt. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-69253459_quote" /><BR /><BR /><BR />Die Gemeinde stellt der Stiftung den Baugrund zur Verfügung. „Nachdem es sich um einen Grund für geförderten Wohnbau handelt, liegen die Kosten bei einem Viertel des Marktwertes – das sind rund 660.000 Euro“, erklärt Leonhard Resch, Referatsleiter der Arche im KVW, auf Nachfrage. <BR /><BR />Das Land unterstützt das Brixner Projekt – und auch alle weiteren gemeinnützigen Projekte –, indem sie 55 Prozent der Bau- und Planungskosten erstattet. „Konkret liegt der Landesbeitrag beim Brixner Projekt bei rund 3 Millionen Euro, der Rest wird fremdfinanziert, wobei wir gemeinsam mit Raiffeisen eine Sonderfinanzierung auf die Beine gestellt haben“, erklärt Resch.<BR /><BR />Fertig gestellt werden soll der Bau bis zum Winter 2026/27. Das Gebäude wird in Holzbauweise errichtet – eine Idee, die ebenfalls aus Österreich, genauer aus Vorarlberg, kommt.<BR /><BR />„Dort gibt es einen gemeinnützigen Wohnbauträger, der schon 18.000 Wohnungen verwirklicht und große Erfahrung mit der Holzbauweise hat. Wir haben gute Holzbauer im Land und möchten einen Holzbau errichten, damit dieses Wohnprojekt nicht nur sozial, sondern auch ökologisch ist“, so Resch.<BR /><BR />Gemeinnützige Projekte, die in Holzbauweise errichtet werden, sollen in Zukunft zudem nochmal extra gefördert werden – über den Holzbaufonds. Das sieht zumindest ein Vorschlag zur Gesetzesnovellierung von Land- und Forstwirtschaftslandesrat Luis Walcher vor. „Bisher ist diese Förderung öffentlichen Körperschaften vorbehalten, wir möchten ihn auf gemeinnützige Organisationen ausweiten“, so Walcher.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-69253645_quote" /><BR /><BR /><BR />Wer beim Brixner Projekt als Mieter infrage kommt, bestimmt die Gemeinde, die eine Rangordnung erstellt. „Dadurch möchten wir sicherstellen, dass vor allem junge Brixnerinnen und Brixner und jene Berufsgruppen, die im sozialen Bereich tätig sind, die Möglichkeit auf eine günstige Mietwohnung erhalten“, sagt Bürgermeister Andreas Jungmann. <BR /><BR />Daher wird die Gemeinde definieren, wie viele der 30 Wohnungen an Personen vergeben werden, die in unerlässlichen Diensten (zum Beispiel im Sozial- und Gesundheitswesen, Bildungswesen oder der Mobilität) tätig sind. Der Rest wird dann Familien oder Einzelpersonen zugewiesen. <BR /><BR />Die Wohnungen müssen 30 Jahre lang preisgünstig vermietet werden. Preisgünstig heißt: 10 Prozent unter dem Landesmietzins. „Wir, werden das aber auch darüber hinaus machen“, kündigt Resch an. <h3> Was sind die nächsten Schritte?</h3>Um das Projekt umzusetzen, ist eine Gesetzesänderung nötig, die Wohnbau-Landesrätin Ulli Mair in die Wohnreform 2025 eingebracht hat. Erstmals wird dort dann die Möglichkeit vorgesehen, dass gemeinnützige Bauträger (Stiftungen und Genossenschaften) und Gemeinden auch Neubauprojekte in Angriff nehmen können.<BR /><BR />„Bislang war das nur möglich, wenn es sich um ein Sanierungsprojekt gehandelt hat“, erklärt Mair. Beispiele sind das Mehrgenerationenhaus in Truden oder das Arbeiterwohnheim des Vereins Kolpinghaus in Meran. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1147701_image" /></div> <BR />Sobald die Wohnreform 2025 im Landtag genehmigt – voraussichtlich noch im Frühjahr - und die Stiftung „Wohnen Südtirol“ gegründet ist, soll ein Verfahren zur Übertragung des Geländes eingeleitet werden. <h3> Wird es weitere Projekte geben?</h3>Geht es nach der Politik, dann ja. „Mit diesem Modell wollen wir, neben dem privaten Mietsektor und den Wohnungen des WOBI, eine dritte Säule im Bereich der Vermietung aufbauen und den derzeit schwachen Südtiroler Mietmarkt mit einem neuen, preisgünstigen Angebot stärken“, erklärt Landesrätin Ulli Mair. <BR /><BR />Es gebe landesweit großes Interesse an dem Konzept und Potential für gemeinnützige Bauprojekte, die es nun zu nutzen gelte.<BR /><BR />Auch die Arche im KVW wünscht sich Folgeprojekte. „Das Potential ist groß, von Kasernenarealen in Brixen, Vahrn, Schlanders und Eppan über viele kleine Zonen, die die Gemeinden zur Verfügung stellen könnten“, sagt Resch. <BR /><BR />Landeshauptmann Arno Kompatscher ergänzt: „Gemeinden können künftig selbst solche Projekte umsetzen, indem sie Flächen zur Verfügung stellen oder diese gemeinnützigen Organisationen übertragen.“ In einigen Jahren könnten auf diese Weise Hunderte preisgünstige Mietwohnungen in Südtirol entstehen. <h3> Wenn die gemeinnützigen Wohnungen günstiger vermietet werden, kann das dann Einfluss auf den Mietmarkt insgesamt haben?</h3>Die Erfahrungen in Österreich legen nahe, dass das funktionieren kann. Dort lebt rund ein Viertel aller Haushalte in Wohnungen von gemeinnützigen Bauvereinigungen, in denen die Mieten etwa 20 Prozent unter denen von gewinnorientierten Anbietern liegen. Und es hat sich gezeigt, dass der ökonomische Vorteil über die betroffenen Mieter hinausgeht. <BR /><BR />„Wir haben herausgefunden, dass ein höherer Anteil gemeinnütziger Bauvereinigungen nachweislich zu einer Preisdämpfung auch auf dem privaten Mietmarkt führt“, erklärte vor Kurzem Michael Klien, Ökonom am österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung, bei einem Webinar des Arbeitsförderungsinstitutes Afi zu dem Thema. <BR /><BR />„Eine Steigerung des ,Gemeinnützigen-Anteils' um 10 Prozent kann die Mieten auf dem freien Markt durchschnittlich bereits um 30 bis 40 Cent pro Quadratmeter senken.“<h3> Wie schnell kann man sich Erfolge erwarten?</h3>Zunächst einmal müsste sich dieses Modell in Südtirol etablieren und deutlich stärker ausgebaut werden. Und dann erst kann man auf Effekte hoffen. Auch in Österreich haben sich die Erfolge nicht von heute auf morgen gezeigt.<BR /><BR />„In Österreich ist der gemeinnützige Wohnbau zu einer zentralen Säule auf dem Wohnungsmarkt geworden. Doch es braucht einen langen Atem. Eine nachhaltige Wohnversorgung kann nicht von heute auf morgen erreicht werden, sondern es sind langfristige Anstrengungen von verschiedenen Akteuren notwendig“, wie Gerald Kössl, Experte vom Österreichischen Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen, beim Afi-Webinar betonte.