„Landwirtschaft ist keine reine Männersache. Frauen übernehmen in der Landwirtschaft vielfältige Rollen und Aufgaben – nur leider die Betriebsleitung sehr selten“, sagt Pieper im Interview.<BR /><BR /><b>Wie sieht heute die Realität auf den Höfen aus? Wer hat das Sagen? Und wie steht es um die Geschlechtergerechtigkeit?</b><BR />Janna Luisa Pieper: Landwirtschaft ist keine reine Männersache. Frauen übernehmen in der Landwirtschaft vielfältige Rollen und Aufgaben – nur leider die Betriebsleitung sehr selten. Fast 90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland werden von Männern geführt. Dieser Gender Gap hält sich sehr hartnäckig: In den vergangenen Jahren ist der Frauenanteil um nur zwei Prozentpunkte gestiegen. Es steht nicht gut um die Geschlechtergerechtigkeit in der Landwirtschaft. Es gibt aber auch Hoffnung. Der Anteil von Hofnachfolgerinnen liegt mit 18 Prozent etwas höher.<BR /><BR /><BR /><b>Wie sieht die Rollen-/Arbeitsverteilung aus, klassisch? Werden Zuständigkeitsbereiche nach Geschlecht zugeteilt?</b><BR />Pieper: Meine Forschungsergebnisse zeigen, dass die traditionelle Rollenaufteilung weit vorherrscht: Frauen sind eher für sorgende Tätigkeiten, wie Haushalt, Verpflegung von Mitarbeitenden oder auch Gästebetreuung zuständig, während Männer ackerbauliche und technische Tätigkeitsfelder dominieren. <BR /><BR /><BR /><b>Sie sagen, Betriebsleiterinnen sind nach wie vor die Ausnahme. Welche Barrieren – rechtlich, gesellschaftlich – behindern Frauen dabei?</b><BR />Pieper: Frauen, die einen landwirtschaftlichen Betrieb leiten wollen, sehen sich vielen Barrieren gegenüber. Meine Forschung zeigt, dass noch immer Töchter seltener zu Hoferbinnen sozialisiert und bei der Vererbung von Höfen benachteiligt werden. Wenn Frauen keinen Hof erben, stellt sich der Zugang zu Boden und Kapital für sie schwierig dar. Existenzgründungen sind in der Landwirtschaft nur schwer umsetzbar. Frauen in der Landwirtschaft wird weniger zugetraut, etwa im Hinblick auf den Umgang mit Technik, und die Haushalts- und Familienarbeit bleibt nahezu allein Aufgabe der Frauen – auch bei Betriebsleiterinnen. Da stehen manche Frauen vor dem Dilemma: Kind oder Kuh? Kann ich als Betriebsleiterin eine Familie gründen, oder muss ich dafür auf meinen Hof verzichten? Von einer geschlechtergerechten Aufteilung von Eigentum sowie Erwerbs- und Familienarbeit ist die Landwirtschaft bis heute weit entfernt.<BR /><BR /><BR /><b>Wie kann man sich als Frau dennoch durchsetzen?</b><BR />Pieper: Ich finde es wichtig, den Blick von der individuellen Verantwortung der Frau zu lösen und auf die Strukturen zu schauen, die Frauen daran hindern, Betriebsleiterin zu werden. Deshalb würde ich eher sagen, wie schaffen es Frauen dennoch, Betriebsleiterin zu werden und daraus abgeleitet: Wie können die Strukturen verändert werden? Meine Studienergebnisse zeigen, dass Frauen oft den Weg über ein landwirtschaftliches Studium gehen. Als weitere erfolgreiche Strategien sind positive Modelle und Vorbilder sowie die Trennung von Arbeit und Liebe zu nennen. Darüber hinaus nutzen Frauen oft Einkommenskombinationen wie z. B. Direktvermarktung, da sie eher kleinere Betriebe als Männer leiten und somit innovative Möglichkeiten nutzen müssen, um am Markt bestehen zu können.<BR /><BR /><BR /><b>Wie prägt das das Arbeiten am Hof? Welche Konflikte entstehen? Welche Chancen?</b><BR />Pieper: Meine Interviewpartnerinnen erzählten davon, sich gegenüber Kollegen oder Vertriebsmitarbeitern behaupten zu müssen und zunächst nicht ernst genommen zu werden. Auch in der Partnerschaft und im Zusammenleben mit anderen Generationen berichteten die interviewten Frauen von Konflikten, die bis zu häuslicher Gewalt führten. Das Zusammenleben mit mehreren Generationen eröffnet aber auch Chancen. Die Kinderbetreuung durch die Großeltern ermöglicht es vielen Betriebsleiterinnen überhaupt, ihre Tätigkeit trotz Mutterschaft auszuführen.<BR /><BR /><BR /><b>Wie steht es mit der Doppelbelastung Familie/Beruf für Bäuerinnen?</b><BR />Pieper: Die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf hat Licht und Schattenseiten auf dem Hof. Einerseits nennen viele Frauen die Vorzüge einer Kindheit auf einem Hof. Die Kinder können überall mitkommen, haben frische Luft und oft auch Tiere um sich. Andererseits führt die Doppelbelastung, sich einerseits um die Familie zu kümmern und andererseits auch noch andere Tätigkeiten auf dem Betrieb zu übernehmen, zu Überlastungen. Das kann bis zum Burnout führen, über 20 Prozent in einer anderen Studie befragter Frauen scheinen laut einem Burnout-Index als gefährdet auf.<BR /><BR /><BR /><b>Welchen Einfluss auf dieses Gefüge hat die Tatsache, dass viele kleinstrukturierte Betriebe mit dem Erlös aus der Landwirtschaft nicht auskommen?</b><BR />Pieper: Die prekäre Lage mancher Betriebe ist ein zusätzlicher Belastungsfaktor. Diese Situation führt letztlich dazu, dass viele Frauen ganz im Sinne von „Wandel oder weiche“ andere Einkommensmöglichkeiten auf den Betrieben erfinden und innovative Betriebszweige neu gründen. Leider zeigt meine Forschung, dass die Frauen oftmals auf dem Papier nicht an diesen Betriebszweigen beteiligt sind.