Im Interview spricht der neue CEO darüber, wie er mit dem Personalmangel umgeht, wo Dr. Schär noch wachsen kann und ob er es länger an der Spitze aushalten wird als sein Vorgänger. <BR /><BR /><b>Herr Berger, eines der Themen, das die Wirtschaft am meisten beschäftigt, ist der Arbeitskräftemangel. Spüren Sie den Personalmangel bei Dr. Schär auch? </b><BR />Hannes Berger: Das ist eine enorme Herausforderung. Wir haben 11 Produktionswerke verstreut auf der Welt, und fast überall die gleiche Situation: Es ist äußerst schwierig, geeignete Führungskräfte zu finden und Mitarbeiter in der Produktion sind nur mehr schwer für Wochenendarbeit und Nachtschicht zu gewinnen. Wir mussten bislang zum Glück die Produktion deswegen nie einstellen, waren aber nahe dran, auch in Südtirol.<BR /><BR /><b> Wie löst man das Problem? </b><BR />Berger: Wir müssen den Menschen eben entgegenkommen: bei der Kinderbetreuung mit einer betriebsinternen Kita, mit einem zusätzlichen Gehalt für Wochenendarbeit, mit flexibleren Arbeitszeiten und Homeoffice usw. In der Produktion probieren wir je nach Land neue Arbeitszeitmodelle aus. Zum Beispiel steigen wir in Amerika auf die 12-Stunden-Schicht um. Das heißt, die Mitarbeiter arbeiten 3 Tage je 12 Stunden und haben dann 4 Tage frei. Eine interne Studie hat gezeigt, dass die Leute das wollen, um mehr Zeit für ihr Privatleben zu haben, deshalb probieren wir das. Wir stehen vor einem massiven Paradigmenwechsel: Die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort muss neu gedacht werden. In Südtirol stellt sich vor allem die Frage, wo wir neue Führungskräfte finden. Denn selbst wenn man jemand von außen herholen könnte, gibt es 2 große Themen: einerseits die hohen Immobilienpreise, andererseits die Ausbildung für die Kinder der Führungskräfte. Wenn jemand bereit wäre aus England herzuziehen, bräuchte er eben auch ein entsprechendes internationales Bildungsangebot.<BR /><BR /><b>Würden Sie sich bei dem Thema mehr Hilfe von der Politik wünschen? </b><BR />Berger: Ich gehe immer davon aus, dass man sich selber helfen muss. Bevor ich nach der Politik rufe, frage ich, was können wir selber dazu beitragen, um die Situation zu verbessern. <BR /><BR /><b>Stichwort: sich selber helfen. Die Coronapandemie und der Ukrainekrieg haben die internationalen Lieferketten erheblich gestört. Dr. Schär hat daraus seine Lehren gezogen und seine Strategie angepasst…</b><BR />Berger: Ja, als international tätiges Unternehmen mit einem sehr breiten Portfolio mussten wir umdenken, immerhin haben sich durch die internationalen Verwerfungen die Transportkosten verdoppelt und verdreifacht. Da stellte sich die Frage, wo man künftig was produzieren will. Wir haben dann fast schon einen Weg Richtung Entglobalisierung eingeschlagen: Wir haben unser Werk in Nordamerika im letzten Jahr deutlich erweitert, was es uns erlaubt, viel mehr als bisher lokal zu produzieren. Direkt am Markt, nah am Konsumenten zu produzieren, hat auch den Vorteil, dass die Produkte frischer sind und die CO2-Bilanz auch besser ist. Auch die Werke in den für uns wichtigen Märkten Türkei und Brasilien bauen wir aus, ebenso das Werk in Schottland, das wir letztes Jahr gekauft haben. Und in den großen Werken in Europa – in Deutschland und Spanien – werden wir unsere Produktionslinien erweitern. <BR /><BR /><b>Ein anderes Thema, das uns seit Monaten beschäftigt, ist die extrem hohe Inflation. Viele Experten befürchten, dass deswegen der Konsum zurückgehen wird. Dr. Schär produziert ja Lebensmittel, auf die kranke Menschen angewiesen sind – rechnen Sie dennoch mit einem Konsumrückgang?</b><BR />Berger: Das ist ein wichtiges Thema. Wir waren konfrontiert mit einer Verdoppelung der Kosten, aber die konnten und können wir natürlich nicht im vollen Ausmaß an unsere Kunden weitergeben. Wir haben da auch einen sozialen Auftrag. Dass der Konsum vorübergehend zurückgeht, sehen wir schon jetzt bei einigen Produkten. Wir gehen aber davon aus, dass die Kosten nicht ewig so hoch bleiben werden, da steckt zum Teil ja auch Spekulation dahinter. <BR /><BR /><b>Dr. Schär kennt man hauptsächlich als Hersteller von glutenfreien Lebensmitteln für Zöliakie-Patienten. Sie produzieren aber auch noch andere Produkte für Menschen, die besondere Diäten brauchen und haben auch entsprechende Forschungsprojekte laufen …</b>Berger: Ja. Glutenfreie Produkte richten sich in erster Linie an Zöliakiebetroffene, aber auch an Menschen, die unter Glutenintolleranz oder Reizdarmsyndrom leiden, weil auch sie sehr von einer glutenfreien Diät profitieren können. Dazu haben wir aktuell Forschungsprojekte laufen, die wir ausweiten wollen. Ziel des Unternehmens ist es aber auch, ein zweites Standbein aufzubauen. Zurzeit stellen wir daher auch Produkte für Menschen mit Niereninsuffizienz her: Mit einer solchen Diät kann die Lebensqualität dieser Patienten verbessert werden. Ein anderer Bereich sind ketogene Lebensmittel <i>(das sind Produkte für eine kohlenhydratarme aber fettreiche Ernährungsweise, Anm.d.Red.)</i>. Man weiß, dass bei bestimmten Krankheitsbildern, wie zum Beispiel Alzheimer und Epilepsie, in gewissen Stadien eine ketogene Diät Vorteile bringt. Auch dazu haben wir einige Forschungsprojekte laufen. Weiters forschen wir zu anderen metabolischen Krankheiten, es ist aber noch zu früh, darüber zu sprechen. Uns geht es jedenfalls immer um die Frage: Was können wir tun, bevor jemand in die Behandlung muss? Denn in unserer Unternehmensmission, von der ich ein großer Fan bin, steht, dass wir für Menschen mit besonderen Ernährungsbedürfnissen da sind, also für Menschen mit einem gewissen Leidensdruck. <BR /><BR /><b>Wie wichtig sind die neuen Segmente aktuell aus finanzieller Sicht für Schär? </b><BR />Berger: Heute sind sie eher noch als Start-ups zu sehen, auch wenn die Produkte für Niereninsuffizienz in Italien schon ein wichtiger Bereich sind. Aber auf absehbare Zeit werden bei Dr. Schär die glutenfreien Produkte sicher weiterhin den größten Teil des Umsatzes machen.<BR /><BR /><b>Gibt es auch im Markt für glutenfreie Produkte noch Wachstumsmöglichkeiten? </b>Berger: Der Markt wächst nicht mehr exponentiell, wie es beispielsweise vor Jahren in Amerika der Fall war, sondern im unteren einstelligen Bereich. Aber die Wachstumschancen sind je nach Land unterschiedlich, weil sehr viel davon abhängt, wie sensibilisiert die Ärzte und die Gesellschaft für dieses Thema sind.<BR /><BR /><b>Sprich wie oft die Diagnose Zöliakie gestellt wird?</b><BR />Berger: Genau. In Frankreich zum Beispiel ist man noch ziemlich weit hinten. Auch Deutschland ist noch ausbaufähig, ebenso die osteuropäischen Länder. <BR /><BR /><b>An der Spitze von Dr. Schär gab es in den vergangenen Jahren mehrere Wechsel: 2019 war es so gut wie fix, dass der Schwiegersohn von Präsident Ulrich Ladurner, Nikos Charalampopoulos, die Führung übernimmt, dann blieb doch Ladurner Präsident und CEO in Personalunion, 2020 kam Philipp Schoeller zu Dr. Schär, um das Unternehmen mit Ende 2022 zu verlassen. Jetzt sind Sie aus der Nordamerika-Niederlassung von Dr. Schär zurückgekehrt. Sie sind ja schon gut 17 Jahre in der Firma – werden Sie jetzt länger an der Spitze bleiben als ihre Vorgänger?</b><BR />Berger: Ich glaube nicht, dass ich in 2 Jahren das unterbringen könnte, was ich machen möchte. Zumal ich jemand bin, der eher langfristig denkt. <BR /><BR /><b>Was reizt sie besonders an dem Job? </b><BR />Berger: Das hat 3 Gründe: Erstens gefällt mir die Mission des Unternehmens: Wir versuchen Menschen zu helfen, machen also etwas, das sinnstiftend ist – ein Faktor, der übrigens auch für junge Leute immer wichtiger wird. Der zweite Grund sind die Gründer selber, Ulrich Ladurner und Walter Ausserhofer, die viel in das Unternehmen investieren, risikofreudig sind und einem viele Gestaltungsmöglichkeiten zugestehen. Und der dritte Grund sind die Menschen hier, die mit Begeisterung dabei sind. Nicht zuletzt freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit dem Vorstandsteam um Werner Strobl (Vertrieb), Peter Hintner (Produktion und Supply Chain), Hansjörg Prast (Marketing) und Patrik Hernegger (Finanzen). Wir sind ja meist schon lange Weggefährten, was es natürlich noch spannender macht, zu schauen, was wir noch gemeinsam erreichen können. <BR /><BR /><BR /><BR />