Die Chancen stehen Beobachtern zufolge nicht schlecht, dass es dem ehemaligen EZB-Chef Mario Draghi gelingen wird, eine neue Regierung zu bilden. Was bedeutet das für Italien – wäre Draghi ein Glücksfall für das Land oder doch der falsche Mann am falschen Ort?<BR /><BR /><BR /><i>Von Rainer Hilpold</i><BR /><BR />Wer ist dieser Mario Draghi eigentlich, den Medien irgendwann „Super Mario“ tauften? Als Generaldirektor des italienischen Finanzministeriums war er in den Neunzigerjahren maßgeblich an den umfangreichen Privatisierungen in Italien beteiligt. Danach heuerte er bei der Investmentbank Goldman Sachs an, anschließend war er 5 Jahre lang Chef der italienischen Zentralbank. Von dort gelang ihm der Sprung an die Spitze der EZB, die er von 2011 bis 2019 führte. <BR /><BR /><BR />Für Alex Weissensteiner, Wirtschaftsprofessor an der Bozner Uni, ist er vor allem eine international sehr angesehene Persönlichkeit: „Das ist ein Faktor, der besonders im Zuge der bevorstehenden Verhandlungen mit der EU, sehr von Vorteil wäre. Man darf nicht vergessen, dass es etwa beim Recovery Fund um über 200 Milliarden Euro für Italien geht, über 84 davon in Form von direkten Zuschüssen“, so Weissensteiner. Geld, von dem auch Südtirol einiges abbekommen würde. <BR /><BR /><embed id="dtext86-47791756_quote" /><BR /><BR />Das gute Renommee Draghis in Europa kommt nicht von ungefähr: „Als EZB-Chef setzte er alles daran, die Gemeinschaftswährung Euro zu retten. Unvergessen ist seine ´Whatever it takes´-Rede aus dem Jahr 2012, mit der es ihm gelang, die durch die Eurokrise verunsicherten Finanzmärkte zu beruhigen. Durch den Ankauf von Staatsanleihen der Krisenländer, darunter Italien, trug die EZB dazu bei, dass das System stabilisiert wurde.“ Von diesem Draghi-Effekt und der expansiven Geldpolitik, die auch seine Nachfolgerin in der EZB, Christine Lagarde fortsetzte, profitiert das Land auch jetzt noch. Die Renditen für 10-jährige italienische Staatsanleihen liegen aktuell bei gerade einmal einem halben Prozent.<BR /><BR /><BR />„Durch seine Intervention in der Eurokrise hat Draghi bewiesen, dass er auch in heiklen Phasen nicht den Kopf verliert. Diese Eigenschaft ist auch jetzt, mitten in der Coronakrise, gefragter denn je“, so Weissensteiner. Dazu kommt, dass Draghi „derzeit alternativlos“ sei: „Zum einen sind Neuwahlen keine Option. Zum zweiten gibt es in Italien wohl kaum jemanden, der soviel Zuspruch von allen Seiten und von verschiedenen politischen Lagern erhält, wie der ehemalige EZB-Chef.“<BR /><BR /><BR />Entscheidend wird laut Weissensteiner nun sein, ob es Draghi mit seinem Kabinett gelingen wird, breite Mehrheiten zu finden – und zwar auf Dauer: „Draghi ist ein fähiger Mann, der das Zeug dazu hat, Italien aus dieser Krise zu führen. Doch das allein wird nicht genügen. Es braucht die Bereitschaft aller politischen Akteure, auf parteipolitische Spiele zu verzichten. Denn nur so kann aus einer neuen Regierung um Premier Draghi auch eine werden, die nicht sofort wieder zerfällt.“<BR />