Herbert Dorfmann erklärt, warum für Südtirols Bauern Mutualitätsfonds wichtig sind und wie sie dadurch ihr Einkommen absichern können.<BR /><BR /><b>Die EU setzt weiterhin auf die Förderung des Risikomanagements in der Landwirtschaft. Neben den Klassikern Hagel und Spätfröste sind die Landwirte mit steigenden Produktionskosten konfrontiert. Wie wird sich die EU-Agrarpolitik dahingehend entwickeln?</b><BR />Herbert Dorfmann: Gerade in den letzten Monaten müssen Bauern in ganz Europa erleben, dass ihr Einkommen aufgrund von Faktoren, die sie nicht kontrollieren können, mitunter dramatisch sinkt. Dies, obwohl die – gerade in Südtirol ausgezahlten – Milchpreise noch ein Auskommen zulassen würden. Die Ursache für den Einkommensverlust sind massiv steigende Produktionskosten, die wiederum auf die Folgen der Pandemie und des Krieges in der Ukraine zurückzuführen sind. Es wird also darum gehen, Bauern vor solchen unverschuldeten Einkommens-Einbrüchen zu schützen – wenn möglich langfristig und nachhaltig. <BR /><BR /><b>Bei der Absicherung des Einkommens werden vermehrt Mutualitätsfonds favorisiert. Was sind die Vorteile?</b><BR />Dorfmann: Mutualitätsfonds sind Fonds auf Gegenseitigkeit, wie es etwa die Viehversicherung ist. Viehbauern kennen das System also schon. Beim neuen Mutualitätsfonds zahlt der Bauer 30 Prozent des Kapitals ein, 70 Prozent übernimmt die EU. Das so eingezahlte Geld verbleibt im Fonds, bis es für einen Schadensfall genutzt wird. Der Schaden entsteht in diesem Fall allerdings nicht durch Hagel oder Frost, sondern durch einen Einbruch des Einkommens. Der neue Fonds ist also nichts anderes als eine Einkommensversicherung, eine Rücklage, die man für schwierige Zeiten bildet. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="782522_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wird die EU solche Projekte auch in Zukunft unterstützen? </b><BR />Dorfmann: Grundsätzlich gibt es neben der klassischen Hagelversicherung, neben einem Vertrag mit einer Versicherungsgesellschaft also, auch die Möglichkeit der Versicherung über einen Mutualitätsfonds. Diese Möglichkeit ist schon seit Jahren vorgesehen, wobei die Planungsperiode der EU vorerst bis 2027 reicht. Bis dahin bleibt die Förderung der Mutualitätsfonds also ganz ohne Zweifel aufrecht. Bereits jetzt ist allerdings klar, dass die Herausforderung, den Bauern ein Mindesteinkommen zu sichern, in Zukunft zunehmend größer werden. Deshalb glaube ich, dass die Fonds ein fester Bestandteil der europäischen Agrarpolitik bleiben – auch über 2027 hinaus.<BR /><BR /><b>Südtirol hat nun neben der klassischen Hagelversicherung auch 2 Fonds zur Einkommensstabilisierung eingerichtet. Wie wichtig sind diese Fonds für die Südtiroler Landwirtschaft?</b><BR />Dorfmann: Sie sind meiner Meinung nach essenziell – auch deshalb ist es so wichtig, dass es in Südtirol nicht mehr nur den Fonds für die Obstwirtschaft gibt, sondern nun auch einer für die Milchwirtschaft eingerichtet wird. Wenn uns die letzten Monate etwas gezeigt haben, dann, wie schnell es zu Verwerfungen auf den Märkten kommen kann – und wie schnell diese Verwerfungen bäuerliche Betriebe an den Rand ihrer Existenz bringen können. Das hat einen einfachen Grund: Die allermeisten Betriebe verfügen kaum über ausreichend Rücklagen, um solch schwierige Zeiten überleben zu können, weil die Einkommenssituation selbst in guten Zeiten nicht rosig ist. Mutualitätsfonds können da eine wichtige Hilfe sein, ein Fallschirm sozusagen. Wenn es diese Fonds gibt, wenn es also die Chance für Bauern gibt, sich gegen Einkommensverluste abzusichern, ist zudem absehbar, dass die öffentliche Hand immer seltener mit Ausfallzahlungen eingreift. Die Bauern müssen sich nur bewusst machen, dass das Geld, das sie in den Fonds einzahlen, auf die hohe Kante gelegt wird – mit einer massiven Aufstockung durch die öffentliche Hand.<BR /><BR /><b>Südtirol hat gegenüber anderen EU-Ländern ein ausgedehntes Genossenschaftswesen und tritt in der Vermarktung der Produkte vielfach gemeinsam auf. Können solche Mutualitätsfonds dieselbe Wirkung haben und für Krisenzeiten ein Auffangnetz sein?</b><BR />Dorfmann: Was Mutualitätsfonds und Genossenschaften gemeinsam haben: Beide sind solidarische Einrichtungen, bei beiden tragen die Mitglieder Lasten gemeinschaftlich. Bei den Fonds kommen dazu dieselben Überlegungen, die auch bei einer Versicherung gelten. So kann man nie wissen, ob man die Prämie umsonst einzahlt, weil man nie vorhersehen kann, ob ein Schadensfall eintritt. Ist dies aber der Fall, übernimmt die Versicherung die Haftung. Klar ist: Am besten ist, der Schadensfall tritt erst gar nicht ein, trotzdem denke ich aber, dass ein Fallschirm nötig ist. Die Mutualitätsfonds sind also ein Instrument, um den Bauern ein bisschen mehr Sicherheit, ein bisschen mehr Planbarkeit zu garantieren. Deshalb wünsche ich mir, dass möglichst viele Betriebe diese neue Möglichkeit der Absicherung auch nutzen.<BR />