Da geht es um mein Lebenswerk und die Zukunft meiner Kinder“ - einen Plan B hat Klaus Walcher nicht, der Geschäftsführer von Walcher Messebau in Frangart/Eppan. Und das obwohl im Moment noch nicht klar absehbar ist, wann seine Arbeit, das Planen, Realisieren sowie Auf- und Abbauen von Messeständen wieder gefragt sein wird. <BR /><BR /><BR /><i>Von Rainer Hilpold</i><BR /><BR /><BR /><b>Noch bevor Messen wieder durchgeführt werden können, werden weite Teile der Veranstaltungsbranche insolvent sein“ – stimmen Sie dieser Aussage des Chefs des deutschen Fachverbands Messe- und Ausstellungsbau zu?</b><BR />Klaus Walcher: So ist es leider. Tatsächlich hat es italienweit in unserem Sektor bereits eine Reihe von Insolvenzen gegeben, weitere werden folgen. Wer sich in der Branche umhört, stellt fest, dass sehr vielen Betrieben bald die Luft ausgeht. Im Klartext: Ein Unternehmenssterben dürfte wohl unausweichlich sein. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Weniger Anbieter am Markt, könnte für jene, die durchhalten, ja ein Vorteil sein…</b><BR />Walcher: Das stimmt. Nur kann heute wohl kaum ein Betrieb in unserer Branche mit Gewissheit sagen, ob er diese Krise überleben wird. Niemand übersteht eine derart lange Durststrecke völlig unbeschadet, auch wir nicht.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Wie viele Messen, bei denen Sie üblicherweise mit dabei sind, fanden 2020 statt?</b><BR />Walcher: So um die 18. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Wie viele waren es 2019?</b><BR />Walcher: Rund 195, zur Hochsaison 2019 waren es bis zu 5 verschiedene Messen pro Woche. Abgesehen von einzelnen Veranstaltungen auf lokaler Ebene, zum Beispiel der „Hotel“-Messe oder der Landesmeisterschaft der Lehrlinge, ist ab März so gut wie alles ausgefallen.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Was war Ihr erster unternehmerischer Reflex im Frühjahr 2020?</b><BR />Walcher: Wir haben zwischen April und Mai Covid-Trennwände für Büros hergestellt. Das war jedoch ein zeitlich und vom Volumen her sehr überschaubares Geschäft. Im Messebau gibt es keine echten Alternativen: Entweder du machst das oder du gibst es ganz auf. Wir können in unserem Bereich nicht einfach vorübergehend umsatteln und unser Know-how für andere Branchen nutzbar machen. Das klappt nicht. Ich habe mich dazu entschlossen, beim Messebau zu bleiben, auch wenn mir aktuell die Einnahmen von fast 11 Monaten fehlen. Aufgrund der laufenden Fixkosten ist im Grunde jeder Monat mit beträchtlichen Verlusten verbunden. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Was auffällt, ist, dass die Messebauer oder die Veranstaltungsbranche insgesamt, nie am lautesten gejammert haben...</b><BR />Walcher: Das stimmt, das ist nicht meine und auch nicht die Art vieler meiner Berufskollegen. Sicherlich sind auch andere Branchen wie der Handel und der Tourismus stark betroffen. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass sie wenigstens einen relativ guten Sommer 2020 bestreiten konnten. Und, das ist für mich ein ganz wesentlicher Punkt: Wenn sich die Lage einigermaßen stabilisiert und die Reisebeschränkungen gelockert werden, ist davon auszugehen, dass der Tourismus wieder anlaufen wird, gleich oder sogar noch stärker als zuvor und ohne große Vorlaufzeiten. Das ist in unserer Branche nicht möglich. Bei uns gibt es Planungszeiten von 6 bis 8 Monaten.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Ab welchem Zeitraum haben Sie 2021 bereits Aufträge?</b><BR />Walcher: Es liegen uns Anfragen für Herbst vor. Teils handelt es sich um Messen, die vom Frühjahr zeitlich nach hinten verlegt wurden.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Sie arbeiten in der Regel im Auftrag der Aussteller, spüren Sie, dass Firmen beim Bereich Messen verstärkt den Rotstift anzusetzen?</b><BR />Walcher: Das kann man so pauschal nicht beantworten. Wir beobachten schon seit einigen Jahren, dass sich Firmen genauer als früher überlegen, ob sich eine Teilnahme bei dieser oder jener Messe lohnt. Solche Abwägungen werden künftig eine noch größere Rolle spielen, allerdings denke ich, dass Firmen grundsätzlich schon am Format Messe festhalten werden. Was die Messeveranstaltungen betrifft, werden einige, die schon seit Jahren mit rückläufigen Besucherzahlen zu kämpfen haben, verschwinden und neue dazukommen.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Was macht sie da so sicher, dass Messen auch in Zukunft wichtig bleiben werden?</b><BR />Walcher: Es gibt Produkte, Weine sind ein Beispiel dafür, die muss man im persönlichen Kontakt mit Geschäftspartnern und Kunden erklären. Dafür waren und sind Messen der ideale Ort. Es geht also vor allem um die soziale Komponente, die bei Online-Messen völlig fehlt. In der Coronazeit hat sich aus meiner Sicht bewahrheitet, dass man nicht alles ins Digitale verlagern kann. Eine beliebige Produktvorstellung vielleicht schon, aber nicht den intensiven Austausch vor Ort.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Nehmen wir an, das Messegeschäft kann im Herbst starten. Unter welchen Umständen könnte das geschehen?</b><BR />Walcher: Es wird sicher so sein, dass weniger Besucher zugelassen werden. Und die Frequenz bei internationalen Messen wird schon allein deshalb zurückgehen, weil die Reisefreiheit weltweit nicht wiederhergestellt sein wird. Nichtsdestotrotz merke ich, dass alle, die im Messewesen arbeiten, wieder was auf die Beine stellen wollen. Deshalb tun wir jetzt einfach so, als würde das Geschäft mit Herbst wieder starten. Bis wir jedoch das Niveau von 2019 wieder erreichen, dürften locker 2 bis 3 Jahre vergehen.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Wir sind nun beinahe am Ende des Gesprächs und Sie haben sich nicht einmal über fehlenden Staats- oder Landeshilfen beklagt. Wieso eigentlich nicht?</b><BR />Walcher: Wir haben einige tausend Euro an Unterstützung erhalten, dafür sind wir dankbar. Auch wenn das Geld nicht ansatzweise gereicht hat, um die laufenden Kosten zu decken und es weitere, sehr viel höhere Fixkostenzuschüsse brauchen wird. Was ich darüber hinaus sehr bedauere, ist, dass man sich nicht dafür eingesetzt hat, den Lohnausgleich auf ein erträgliches Maß aufzustocken. Abgesehen von einigen Monteuren, die aktuell bei einem Elektrikerbetrieb in Südtirol aushelfen, sind alle meine Mitarbeiter im Lohnausgleich – mit Unterbrechungen seit Frühjahr 2020. Mit den ausbezahlten 950 Euro pro Monat kann man bei den Lebenshaltungskosten, die wir in Südtirol haben, nicht über die Runden kommen.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Befürchten Sie, dass Sie Mitarbeiter entlassen müssen oder Mitarbeiter angesichts dieser unsicheren Lage in Ihrer Branche freiwillig den Job wechseln?</b><BR />Walcher: Ich werde alles tun, um Entlassungen zu verhindern. Sofern das Geschäft ab Herbst wieder läuft, wird das auch möglich sein. Meine Sorge ist tatsächlich, dass sich Mitarbeiter, die mit so wenig Lohnausgleichsgeld und einer unsicheren Perspektive, eine neue Beschäftigung suchen. Weil sie aus finanziellen Gründen dazu gezwungen sind. Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt, weil ich nach wie vor ein passionierter Messebauer bin und den Betrieb unbedingt aufrechterhalten möchte, nicht zuletzt meinen Söhnen zuliebe, die schon angedeutet haben, auch einsteigen zu wollen. Es muss und wird also weitergehen.