Brot, Milch und Pasta sollten billiger werden – ein Plan, der kurzfristig verworfen wurde. Dabei wäre eine Mehrwertsteuersenkung nicht nur populistisch, sondern wirklich sinnvoll, ist Gottfried Tappeiner, Wirtschaftsprofessor an der Universität Innsbruck, überzeugt. <BR /><BR /><b>Herr Professor Tappeiner, nun hat sich's die Regierung doch noch anders überlegt. Die Mehrwertsteuer wird für Brot, Milch und Nudeln doch nicht gesenkt. Dabei hatte es noch am Montag geheißen, das wäre eine notwendige Maßnahme. Was sagen Sie?</b><BR />Gottfried Tappeiner: Im Moment lastet gerade auf den schwächsten Einkommensschichten ein großer Druck, den die Regierungen in ganz Europa auf unterschiedliche Art und Weise milden wollen. Eine Reduktion der Mehrwertsteuer wäre dabei nicht der schlechteste Weg. Denn bei Menschen mit geringem Einkommen macht die Mehrwertsteuer einen größeren Teil des Einkommens aus als bei den Besserverdienern. Je niedriger das Einkommen, desto größer ist der Anteil, der für Grundnahrungsmittel ausgegeben wird. Eine solche Maßnahme würde also dort ankommen, wo sie gebraucht wird.<BR /><BR /><b>Die Regierungschefin hat jetzt aber argumentiert, die Maßnahme wäre zu wenig zielgerichtet, auch die Reicheren würden davon profitieren. Was sagen Sie: Nachvollziehbare Argumentation oder verpasste Chance?</b><BR />Tappeiner: Das Argument ist zwar richtig, aber der Mitnahmeeffekt wäre viel kleiner gewesen als bei den meisten anderen Maßnahmen. Ohne Streuverluste wird man bei wirtschaftspolitischen Maßnahmen nicht auskommen. Also sage ich eher: vertane Chance. Denn es profitieren von einer Senkung zwar auch die höheren Einkommensschichten, aber die schwachen überproportional – und das wäre aktuell sicher richtig. Sicher wird die Ersparnis in absoluten Zahlen nicht die Welt ausmachen, aber wenn man die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel senken würde, könnte das eine bestimmte Entlastung sein. Es wäre jedenfalls kein falsches Signal und organisatorisch eine verhältnismäßig einfach zu organisierende Maßnahme. <BR /><BR /><b>Reduziert wird nun die Mehrwertsteuer nur n auf Produkte für Kleinkinder und Damenhygieneartikel. Bringt eine solche eingeschränkte Senkung etwas?</b>Tappeiner: Diese Maßnahme ist mit Sicherheit nicht treffsicherer. Beim Thema Damenhygiene gibt es schon eine längere Debatte, aber eher unter dem Thema Gendergerechtigkeit. Bei Kleinkindern kann man sicher dafür sein. Hier gilt ein ähnliches Argument wie bei den Lebensmitteln. Schlecht ist auf jeden Fall, dass man Maßnahmen ankündigt und dann ganz andere umsetzt, das stärkt den Eindruck von Politik als Zufallsprozess.<BR /><BR /><b>In Deutschland hat man sich auch noch nicht dazu durchgerungen, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu senken. Wenn die Maßnahme gut wäre, warum ist man so zögerlich? Wo sind die Risiken?</b><BR />Tappeiner: Es gibt ein Risiko, das immer diskutiert wird: Nämlich dass die Lebensmittelproduzenten – angesichts der steigenden Kosten – die Entlastung schlucken könnten und so die Produkte nicht im Preis sinken würden. Niemand kann zwar sagen, ob diese Entwicklung eintreffen würde, aber das ist das gängige Gegenargument – und es ist nicht von der Hand zu weisen. <BR /><BR /><b>Sie sagen, man könnte auch grundsätzlich über eine Mehrwertsteuerreform nachdenken…</b><BR />Tappeiner: Ja, man kann sich schon fragen: Sind die Produkte noch in den richtigen Klassen? Wie wollen wir das handhaben? Denn auch davon könnte beispielsweise eine Wirkung auf die CO2-Emissionen ausgehen, etwa indem Autos mit höheren Verbrauchswerten höher besteuert werden usw. Aber das wäre eine umfassendes Projekt, das nicht in 3 Monaten erledigt ist. <BR /><BR /><b>Alles in allem würden Sie eine Mehrwertsteuersenkung also nicht als eine rein populistische Maßnahme sehen?</b><BR />Tappeiner: Jede politische Maßnahme ist auch ein bisschen populistisch. Wenn sie aber einer breiteren Bevölkerungsschicht hilft, dann würden wir etwas Populismus doch in Kauf nehmen.<BR /><BR /><BR /><BR />