<b>Welches waren Ihre ersten Berührungspunkte mit Tiefengeothermie und warum hat Sie das interessiert?</b><BR />Ernst Gostner: Die Sache ist ganz einfach: Wir haben mit „FRI-EL Green House“ einen Betrieb in der Nähe von Ferrara mit 31 Hektar Gewächshäusern zur Tomatenproduktion (Anm. d. Red.: siehe Kasten unten). Dort gibt es einen immensen energetischen Bedarf, sowohl thermisch als auch elektrisch, weil wir etwa im Winter die Sonne durch LED-Leuchten ersetzen müssen. Da wir als Familie im Bereich der erneuerbaren Energien tätig sind (Anm. d. Red.: siehe Infokasten rechts) und gerne CO2-neutrale Lösungen haben, haben wir uns vor etwa drei Jahren durch den Kopf gehen lassen, was man da machen könnte. Es ging darum, eine erneuerbare Energieform zu finden, die 365 Tage im Jahr zuverlässig verfügbar ist, die vor allem Wärme, aber auch Strom liefert. Da kommt man schnell auf Tiefengeothermie. Beispiele dafür gibt es in Süddeutschland und in den Niederlanden, wo bereits Treibhäuser mit Tiefengeothermie beheizt werden. Damit angefangen hat man auch in Polen, Frankreich oder Spanien. Nur in Italien noch nicht … da sind wir jetzt die Vorreiter.<BR /><BR /><b>Eine wichtige Rolle haben Daten des Ölkonzerns ENI gespielt. Um welche Daten handelt es sich, und welche Schlüsse lassen diese Daten zu?</b><BR />Wir haben uns mit der Idee einer Tiefengeothermie-Anlage an einen Geologen gewandt – zum Glück genau an den richtigen, der uns auf den detaillierten geologischen Datenbestand, den ENI in den vergangenen 70 Jahren durch Explorationsbohrungen von Öl und Gas erhoben hat, aufmerksam gemacht hat. Das Gesetz sieht vor, dass diese Daten nach dem Erhalt der Sucherlaubnis, dem sogenannten „Permesso di ricerca“, für die jeweilige Zone verwendet werden können. Mit diesen Daten wissen wir heute ziemlich genau, was in der Tiefe der Poebene los ist. Dabei haben wir festgestellt: Tiefengeothermie hätte ein Riesenpotenzial für die gesamte Poebene, nicht zuletzt, weil es dort mit die größte Luftverschmutzung in Europa gibt …<BR /><BR /><b>… weshalb Sie das Projekt „Pangea“ aus der Taufe gehoben haben. Was steckt hinter diesem Projekt?</b><BR />Das Projekt „Pangea“ ist sozusagen die übergeordnete Idee. Denn es gibt rund 100 potenzielle Bohrstellen für Tiefengeothermiekraftwerke in Norditalien. Mit jeder Anlage könnte man Fernwärme für ca. 120.000 Haushalte bereitstellen. Mit der Installation von 100 Anlagen gäbe es außerdem eine Einsparung von 9,6 Milliarden Kubikmetern Gas. Das entspricht ca. 10–15 Prozent des gesamten italienischen Gasverbrauchs. Damit würde auch der CO2-Ausstoß um 17 Millionen Tonnen reduziert. Es ist bekanntlich der politische Wille der EU-Kommission, bis 2050 komplett CO2-frei zu werden. Rund 60 Prozent der CO2-Ausstöße sind in Europa durch Beheizung von Wohnraum verursacht. Ich würde sagen, Tiefengeothermie ist das einzige effektive Mittel, dies einzudämmen. Denn die Energie steht auch im Winter 24 Stunden pro Tag zur Verfügung und stellt vor allem Wärme bereit. Mit allen anderen erneuerbaren Energien wird vorwiegend Strom produziert, und die Energie steht z.B. bei Sonnenenergie nur am Tag zur Verfügung. Mit Tiefengeothermie ist man auch viel unabhängiger von ausländischen Gas-Importen. Und sobald die Anlage fertig ist, gibt es kaum Betriebskosten … <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="996166_image" /></div> <BR /><BR /><b>Damit erscheint Tiefengeothermie als eine Art „eierlegende Wollmilchsau“, erfüllt also all das, was sich die Politik in Zeiten des Klimawandels wünscht. Wo ist der Haken?</b><BR />Die Errichtung einer Anlage kostet insgesamt etwa 220 Millionen Euro. Die öffentlichen Verwaltungen und öffentlichen Betreiber von Fernwärme-Anlagen dürfen aber kein Bohrrisiko eingehen. Die erste Bohrung muss also komplett von uns durch Eigenkapital gedeckt werden. Das ist der große Haken. Wenn wir aber die erste Bohrung erfolgreich abgeschlossen haben, stehen alle Schlange. Davon sind wir überzeugt, weil die Renditen entsprechend gut und die Betriebskosten gering sind. Das wird boomen.<BR /><BR /><b>Mittlerweile ist auch die Politik begeistert und erkennt offenbar das Potenzial von Tiefengeothermie ...</b><BR />Ja, wir werden von der lokalen Politik sehr stark gefördert. Die Lombardei stellt uns etwa geeignete Gründe, die der Region gehören, für den Bau von Anlagen zur Verfügung. Es gibt zudem dauernd neue Anfragen von interessierten Gemeinden und Städten. Demnächst sollte in Italien außerdem ein Gesetz in Kraft treten – in Spanien und Frankreich gibt es so et<?TrVer> was schon –, dass der Staat die erste Bohrung zum Großteil versichert. Und: Gemäß dem Gesetzesdekret „FER2“ können solche Anlagen ab Herbst 2024 an den Ausschreibungen teilnehmen. Darin wird u.a. auch der künftige Einspeisetarif für Strom aus Geothermie festgesetzt. Das könnte aus unserer Sicht bedeuten, dass es für die kommenden 25 Jahre ei<?TrVer> nen fixen Einspeisetarif gibt, was aus planerischer Sicht mehr Sicherheit bedeutet. Staatliche Förderung für thermische Energie gibt es bereits, nur fehlt bisher der Bezug zur „Geothermie“. Wir hoffen stark, dass das auch in den nächsten Monaten abgeändert wird. <BR /><BR /><b>Einen Anfang machen Sie mit der Anlage in Ostellato. An welchem Punkt ist man dort aktuell?</b><BR />Mit dem ersten Bohrloch sind wir in 3450 Metern Tiefe. Innerhalb 2025 können wir die erste Doublette – also ein Produktions- und ein Injektionsloch – in Betrieb nehmen.<BR /><BR /><b>Welche weiteren Anlagen sind schon in Planung?</b><BR />Derzeit sind im Rahmen von „Pangea“ neben Ostellato weitere 18 Projekte geplant, bei denen wir demnächst den „Permesso di ricerca“ haben werden. Wir rechnen dann damit, dass wir in den nächsten drei Jahren drei Baustellen für Anlagen eröffnen können. In Mailand sind wir etwa Anfang 2025 bereit zu bohren.<BR /><BR /><b>Damit haben Sie in der Poebene genug zu tun … Was ist aber mit möglichen Anlagen in Südtirol?</b><BR />Das Verfahren, das wir anwenden – also das hydrothermale Verfahren –, ist die günstigste Variante. Jene, die man in Südtirol anwenden kann und die standortunabhängig ist, ist wesentlich teurer und mit weniger Ausbeute verbunden. Zudem sind die Betriebskosten höher, weil viel Pumpleistung notwendig ist.<BR /><BR /><b>In der Poebene sind die Voraussetzungen also viel besser … und Ihre Anlagen könnten einen wichtigen Beitrag in der Energiewende darstellen?</b><BR />Es ist eine tolle Sache. Wir haben dabei große Freude und große Motivation. Wir sehen es als eine Mission, weil es ein wesentlicher Beitrag für den Klimaschutz ist.<BR />