Er ist zuständig für die Technik auf Konzerten, Veranstaltungen oder Messen: der Eventdienstleister Klemens Riegler. Doch seit fast einem Jahr sei ihm und den meisten anderen Betrieben in seiner Branche der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Riegler fordert daher vor allem mehr Solidarität bei der Verteilung der Hilfsgelder. <BR /><BR /><BR /><i>Von Arnold Sorg</i><BR /><BR /><BR /><BR /><b>Herr Riegler, ein Großteil des Eventdienstleistungs-Sektors steht seit fast einem Jahr still. Wann hatten Sie zuletzt einen Auftrag erhalten?</b><BR />Klemens Riegler: Im Oktober bei den World-Skills des lvh und beim Steinegg Live Festival. Aber davor und danach gab es mehr oder weniger keine Arbeit für uns. Der letzte große Auftrag war die „Klimahouse“-Messe im Jänner 2020.<BR /><BR /><b>Sie sind also seit einem Jahr sozusagen ohne größere Aufträge?</b><BR />Riegler: So ist es, aber das betrifft nicht nur mich, sondern einen großen Teil der Veranstaltungsbranche. Uns fehlt die Arbeitsgrundlage.<BR /><BR /><b>In Zahlen ausgedrückt: Wie groß ist das Minus in der Veranstaltungsbranche?</b><BR />Riegler: Das kommt immer auf die jeweilige Situation an. Bei jenen Unternehmen, die ausschließlich Dienstleistungen für Veranstaltungen anbieten, so wie ich das mache, betrug das Minus 73 Prozent. Bei jenen Unternehmen, die nur vom Messebau, Zeltverleih oder der Konzertorganisation leben, beträgt der Ausfall nahezu 100 Prozent. Daher ist es ärgerlich, wenn man andauernd andere Wirtschaftssektoren jammern und sagen hört, dass sie von der Coronakrise am stärksten betroffen sind. Das stimmt schlicht und einfach nicht. <BR /><BR /><b>Zum Beispiel?</b><BR />Riegler: Nehmen wir die Tourismusbranche her. Natürlich wurde diese hart von der Krise getroffen und wird es immer noch. Aber die Betriebe in der Hotellerie und der Gastronomie mussten in einem Zeitraum von 12 Monaten insgesamt einige Wochen schließen. In unserer Branche herrscht seit nahezu einem Jahr kompletter Stillstand. Mir ist natürlich klar, dass unser Sektor mit den Umsatz-Volumen der Tourismusbranche nicht vergleichbar ist und dass in Südtirol sehr viele andere Sektoren vom Tourismus abhängen. Es gibt aber auch bei uns sehr viele Betriebe mit fixen Mitarbeitern, die in einigen Monaten wohl auf der Straße stehen werden, vor allem dann, wenn der Lohnausgleich nicht mehr verlängert werden sollte.<BR /><BR /><embed id="dtext86-47768767_quote" /><BR /><BR /><b>Sie befürchten in ihrer Branche also viele Konkurse?</b><BR />Riegler: Unsere Betriebe haben Fixkosten wie alle anderen Unternehmen auch. Nur kommt seit fast einem Jahr so gut wie kein Geld mehr herein. Wie soll man das als Unternehmen auf die Dauer stemmen? <BR /><BR /><b>Haben die Unternehmen in der Veranstaltungsbranche bislang Hilfsgelder bekommen?</b><BR />Riegler: Ja, im Frühjahr des vergangenen Jahres die Verlustbeiträge, die alle Betriebe bekommen haben, sofern sie die notwendigen Voraussetzungen erfüllt haben und im Herbst bekamen wir Hilfsgelder aus dem Sonderfonds, der für die Betriebe im Event-Dienstleistungsbereich, den Reisebüros und den Mietwagen-Unternehmen bereitgestellt wurde. Aber diese Gelder reichen nicht aus, vor allem, weil es für unsere Betriebe keine Perspektive für die kommenden Monate gibt. <BR /><BR /><b>Wird Ihre Branche zu wenig gehört von der Politik?</b><BR />Riegler. Ja, kann sein. <BR /><BR /><b>Und warum?</b><BR />Wir sind nur wenige und nicht täglich in der Presse. Bei dem Geschrei der wichtigsten Verbände nutzen selbst unsere „Lautsprecher“ wenig. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es uns miserabel geht und wir dringend Hilfe brauchen. <BR /><BR /><b>Das klingt so, als ob die Hilfsgelder in Südtirol Ihrer Meinung nach ungleich verteilt würden?</b><BR />Riegler: So ist es ja auch. Man darf die Hilfsgelder nicht einfach pauschal verteilen, sondern müsste hergehen und von Fall zu Fall bewerten, wie hoch die Ausfälle waren und wie die Zukunftsperspektiven sind. Man muss genau hinschauen wo es am meisten brennt. Mit „nur weniger“ müssen jetzt alle leben. Zur Erinnerung: ohne unsere Branche gäbe es keine Klimahaus-Messe, keine Biathlon-WM in Antholz, kein Rock im Ring-Festival, kein Spatzenfest, kein Theater, keine Firmen- und Verbands-Events und auch keinen professionellen Live-Stream.<BR /><BR /><b>Sie haben gesagt, Ihrer Branche fehlt die Arbeitsgrundlage: Haben Sie selbst eigentlich schon überlegt, alles hinzuschmeißen?</b><BR />Riegler: Ja. Ich war im vergangenen Jahr gedanklich schon so weit, meinen Betrieb zu schließen. <BR /><BR /><b>Aber?</b><BR />Riegler: In den Lagerhallen haben ich Anlagen im Wert von einer halben Millionen Euro stehen. Was soll ich damit machen? In der jetzigen Zeit sind diese nämlich absolut unverkäuflich, da es diese Krise ja in ganz Europa und weltweit gibt. Ich kann also gar nicht schließen, selbst wenn ich wollte. Nach der Krise ist das Zeug zudem eh nur mehr ein Viertel Wert. Ich habe auch schon überlegt, nebenher eine andere Arbeit zu suchen. Aber das bringt mir wenig. Ich würde dann vielleicht im Monat 1500 Euro netto oder auch mehr verdienen, muss aber monatlich Miete und Fixkosten von insgesamt 6000 Euro bezahlen. Und privat von guter Südtiroler Luft leben.<BR /><BR /><b>Aber wie soll es nun weitergehen?</b><BR />Das ist eine gute Frage. Wir können nur hoffen, dass sich die Situation irgendwann wieder bessert und wir wieder arbeiten können. Aber das wird wohl noch lange dauern. Bis dahin muss ich halt in Kauf nehmen, monatlich einige tausend Euro Defizit zu machen, so brutal das auch klingt, aber es gibt keinen anderen Ausweg. Und viele Betriebe werden es leider nicht mehr schaffen. <BR /><BR /><b>Sie rechnen also nicht damit, dass Sie im Sommer wieder mehrere Aufträge bekommen?</b><BR />Riegler: Nicht wirklich. Für das Jahr 2021 gibt es kaum Perspektiven. Dieses Jahr wird für uns noch schlimmer als das vergangene. Bei der derzeitigen Pandemie-Situation muss man wohl davon ausgehen, dass wir vielleicht 2022 eine rentable und stabile Betriebslage erreichen werden. <BR /><BR /><b>Und wie soll ihre Branche bis dahin überleben?</b><BR />Riegler: Ohne eine finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand wird das nicht möglich sein. Und um das klarzustellen: Wir brauchen die öffentliche Unterstützung nicht, damit wir unsere Umsätze ausgleichen können, wie das bei einigen anderen Sektoren und Unternehmen der Fall ist. Wir brauchen diese Unterstützung, um unsere Fixkosten halbwegs abdecken zu können. Bei uns geht es ums blanke Überleben und nicht um Gewinnausgleich. Das gilt für alle extrem betroffenen und vielleicht hier nicht genannten Sektoren, egal wie klein, groß oder wichtig sie sind.