Was die Pläne konkret für Südtiroler Hauseigentümer bedeuten, weiß Ulrich Santa, Direktor der Klimahausagentur. <BR /><BR /><b>Herr Santa, das EU-Parlament hat für strengere Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden gestimmt. Konkret sollen Wohngebäude bis 2030 mindestens die Energieeffizienzklasse „E“ und bis 2033 die Energieeffizienzklasse „D“ erreichen. Was bedeutet das konkret? Wie viele Gebäude werden davon betroffen sein?</b><BR />Ulrich Santa: Vorauszuschicken ist, dass diese Vorgaben nicht in Stein gemeißelt sind, es stehen ja noch Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten an. Man muss auch berücksichtigen, dass diese Energieklassen nicht unseren Klimahausstandards entsprechen und geplant ist, diese Effizienzklassen europaweit zu harmonisieren. Was heißt das nun konkret? Wenn die Regelung so bleiben würde und die Klassen neu definiert werden, dann werden in Südtirol schätzungsweise ein Viertel bis ein Drittel der Gebäude betroffen sein. Es wird also nicht ganz so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Aber de facto ist es ein Sanierungszwang. Ausgenommen sind wie immer die denkmalgeschützten Gebäude. <BR /><BR /><b>Um ein Beispiel zu machen: Wenn jemand vor 10 Jahren sein Haus gedämmt und Fenster ausgetauscht hat, müsste er nach dem vorliegenden Plan dann weitere energetische Maßnahmen umsetzen oder nicht?</b><BR />Santa: Nein. Wer in den letzten 20 Jahren ein Haus gebaut oder saniert hat, ist in Ordnung. Da geht es wirklich um ältere Gebäude, bei denen lange nichts getan wurde. Die Devise ist ja „worst first“: Es geht also darum, die energetisch schlechtesten Gebäude zu verbessern.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="876194_image" /></div> <BR /><BR /><b>Doch was, wenn sich jemand eine solche Sanierung gar nicht leisten kann?</b><BR />Santa: Um die erforderlichen Effizienzklassen zu erreichen, kann man eine ganze Reihe von Maßnahmen umsetzen: Manchmal wird es reichen, die Heizungsanlage auf erneuerbare Energien umzustellen, manchmal, die Fenster auszutauschen, in einigen Fällen wird eine Außendämmung notwendig sein und meistens wird es wohl eine Kombination mehrerer Maßnahmen werden. Da liegen wir bei Kosten von 30.000 bis 100.000 Euro, wenn eine Außendämmung notwendig ist, auch darüber. Das wird für viele Eigentümer schwer zu stemmen sein, wenn es keine Förderung gibt. <BR /><BR /><b>Die EU hat zumindest schon Förderungen in Aussicht gestellt. Was kann man sich erwarten?</b><BR />Santa: Frans Timmermans, der Vizepräsident der EU-Kommission, hat einmal von 150 Milliarden Euro bis 2030 gesprochen. Zum Vergleich: In Italien wurden für 300.000 Sanierungen mit dem Superbonus Investitionen von 70 Milliarden Euro getätigt; da muss man sich fragen, ob 150 Milliarden für ganz Europa reichen. Tatsächlich kommt es einer Quadratur des Kreises gleich, hier eine Lösung zu finden, die einerseits eine angemessene Förderung für die Hauseigentümer darstellt und andererseits langfristig für die öffentliche Hand tragbar ist. <BR /><BR /><b>Wird Wohnen dadurch also noch teurer werden?</b><BR />Santa: Klar ist: Wer nicht saniert, muss mit einem Wertverlust seines Gebäudes rechnen. Und der Superbonus hat auch gezeigt, was passieren kann: Die Nachfrage, die dadurch ausgelöst wurde, hat die Preise am Bau enorm ansteigen lassen. Die Frage ist, ob nun mit einem solchen Sanierungsdruck, der Millionen von Gebäuden in Italien betrifft, die Preise weiter steigen. Dazu kommt, dass die Rahmenbedingungen aktuell nicht sehr günstig sind, weil die Kreditzinsen steigen. Auch für junge Menschen wird es im Hinblick auf das leistbare Wohnen nicht einfacher. Nicht zuletzt muss man sich fragen, wer die Sanierungsarbeiten durchführen kann – Stichwort Fachkräftemangel.<BR /><BR /><b>Was ist, wenn man sich weigert, zu sanieren?</b><BR />Santa: Man muss auch schauen, wie das sanktioniert wird, das ist noch nicht definiert. Es ist auch die Frage, ob schmerzhafte Sanktionen überhaupt politisch durchsetzbar sind. <BR /><BR /><b>Es sind also noch viele Fragen offen.. </b><BR />Santa: Ja. Es ist zwar verständlich, dass die EU tätig wird, weil man mit den bisherigen Maßnahmen die Klimaschutzziele für 2030 und 2050, die man sich gegeben hat, nicht erreichen wird. In vergangenen Richtlinien wollte man eine Sanierungsquote von 3 Prozent erreichen, bestenfalls kamen die Länder auf ein Prozent. Dennoch: Solche Vorhaben müssen auch soziale verträglich sein und ohne Förderung wird das nicht gehen. Und es wird noch eine große Herausforderung werden, effektive Förderschienen aufzulegen, wo man mit jedem Förder-Euro die maximale CO2-Einsparung erreicht. <BR /><BR /><b> Ist dieser Sanierungszwang so betrachtet unumgänglich?</b><BR />Santa: Ich sehe es kritisch, einen solchen Sanierungszwang einzuführen. Besser wäre es, über Förderanreize sich dem Ziel zu nähern, weil die Menschen dann auch von den Maßnahmen überzeugt sind. Aber trotz aller kritischen Punkte darf man die positiven Aspekte nicht vergessen. Auch wenn die Sanierungsmaßnahmen nicht zu 100 Prozent von der öffentlichen Hand gefördert werden, amortisieren sich die Kosten mit einer passenden Förderschiene in einem vernünftigen Zeitraum, also binnen 10 Jahren, aufgrund der Energieeinsparung. <BR /><BR /><b>Wie schätzen sie die Chancen ein, dass die Regelung so kommt?</b><BR />Santa: Ich könnte mir vorstellen, dass es noch zu Kompromissen kommen wird.