<BR />Seit US-Präsident Donald Trump beschlossen hat, einen Handelskrieg mit der Welt und der EU zu entfachen, ist das Thema der europäischen Wettbewerbsfähigkeit wieder stärker in den Vordergrund gerückt. <BR />Denn während eine Lösung im transatlantischen Zollstreit von Trump – oder den amerikanischen Gerichten – abhängig ist, hätte die EU die Beseitigung innerer Handelsbarrieren selbst in der Hand.<h3> Binnenmarkt nur auf dem Papier einheitlich</h3>Der europäische Binnenmarkt existiert zwar formal seit 1993, das heißt, Menschen können frei innerhalb der EU reisen und in allen EU-Ländern arbeiten, und Waren und Dienstleistungen können zirkulieren, ohne dass Zölle entrichtet werden müssen. Aber: In der Praxis berichten Unternehmen nach wie vor von erheblichen Hürden beim grenzüberschreitenden Geschäft.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1175037_image" /></div> <BR /><BR />Laut einer Studie des Internationalen Währungsfonds kommen die regulatorischen Unterschiede innerhalb der EU einem durchschnittlichen Handelshemmnis gleich, das einer Zollbelastung von rund 44 Prozent bei Waren und 110 Prozent bei Dienstleistungen entspricht.<BR /><BR />Der Appell von Giorgia Meloni kommt also nicht von ungefähr. Auch der ehemalige italienische Ministerpräsident und EZB-Chef Mario Draghi, der im Vorjahr im Auftrag der EU-Kommission einen umfassenden Bericht zur (mangelnden) Wettbewerbsfähigkeit Europas erstellt hat, hat sich bereits mehrfach ähnlich geäußert. Wolle man die EU-Wirtschaft auf den Wachstumspfad zurückbringen, müssten die internen Zölle beseitigt werden. Er fordert, „die nationalen Vorschriften zu standardisieren, zu harmonisieren und zu vereinfachen“.<h3> Brüssel will Barrieren jetzt systematisch abbauen</h3>Auch die EU-Kommission hat das Problem erkannt. Vor wenigen Tagen stellte sie ihre neue Binnenmarktstrategie vor. „Sie vereinfacht, vereinheitlicht und stärkt den Binnenmarkt, indem sie Unternehmen das Leben erleichtert und die wichtigsten Hindernisse beseitigt, die noch immer den Handel innerhalb der EU behindern“, erklärte EU-Industriekommissar Stéphane Séjourné. <BR />„In der heutigen unsicheren Welt müssen die ersten Partner der Europäer die Europäer selbst sein. Es ist an der Zeit, dass europäische Unternehmen sich ,europäisieren', bevor sie sich ,internationalisieren'.“<h3> Von der Verpackung bis zur Steckdose</h3>Kern der neuen Strategie ist die Beseitigung der sogenannten „Terrible Ten“, der „schrecklichen Zehn“. Gemeint sind jene zehn regulatorischen oder administrativen Hürden, die den Binnenmarkt aus Sicht der Unternehmen am stärksten ausbremsen. Dazu zählen etwa stark unterschiedliche nationale Vorschriften, die erschwerte Anerkennung beruflicher Qualifikationen, unterschiedliche Anforderungen bei Verpackungen und Etiketten und aufwendige Verfahren bei der Entsendung von Arbeitskräften.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1175040_image" /></div> <BR /><BR />Mitarbeiter in andere Länder zu schicken, ist für Betriebe zum Beispiel immer noch extrem umständlich, wie Unternehmer berichten: Es müssen Melde- und Versicherungspflichten befolgt, Meisterprüfungen und Berufsabschlüsse anerkannt sowie Lohnvorschriften eingehalten werden. Selbst wenn ein Mitarbeiter nur für ein paar Tage von Deutschland nach Österreich wechselt, ist das mit viel Bürokratie verbunden.<BR /><BR />Hinzu kommt: In der EU gibt es etwa 5.700 reglementierte Berufe. Viele davon sind nur in einzelnen Mitgliedstaaten anerkannt. Brauche es wirklich einen geschützten Beruf des Pilzexperten, wenn es ihn nur in einem EU-Staat offiziell gibt, fragte der Industriekommissar kritisch.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-70154513_listbox" /><BR /><BR /><BR />In der Lebensmittelbranche sind es vor allem die uneinheitlichen Verpackungsvorschriften und Etikettenregeln, die den Vertrieb erschweren. <BR />Für elektronische Produkte gibt es zwar das CE-Zeichen, das zeigt, dass ein Produkt den EU-Sicherheitsstandards entspricht. Doch oft bestehen kleine Unterschiede zwischen den Ländern – etwa bei Steckdosen, Spannung oder Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit. Das bedeutet: Hersteller müssen Produkte anpassen oder zusätzliche Prüfungen durchführen lassen, wenn sie sie in allen EU-Ländern verkaufen wollen.<BR />Hinzu kommen je nach Land unterschiedliche Verwaltungsverfahren, Genehmigungen und Steuersysteme.<BR /><BR />Und Fakt ist auch, dass sich in den vergangenen Jahren kaum etwas gebessert hat. Laut der EU-Kommission bestehen 60 Prozent der Hürden im Dienstleistungssektor, die vor mehr als 20 Jahren identifiziert worden sind, heute noch.<h3> Was die EU nun vorhat</h3>Doch was will die EU nun tun? Zum Beispiel will die EU-Kommission Produktkennzeichnungen künftig klarer und leichter zugänglich machen. Bei den Verpackungen soll es künftig Etiketten mit QR-Codes geben, die den Verbrauchern einfachen Zugang zu Produktinformationen ermöglichen – und es gleichzeitig für Unternehmen einfacher machen, die Kennzeichnungsvorschriften einzuhalten. <BR /><BR />Grundsätzlich soll der „Digitale Produktpass“ zum neuen Standard werden, um alle Produktinformationen offenzulegen: Welche Materialien sind enthalten? Woher kommen die Rohstoffe? Wie wurde das Produkt hergestellt? Wie kann man es reparieren, recyceln oder wiederverwenden? All das soll in dem elektronischen Steckbrief zusammengefasst werden, den Hersteller, Händler, Verbraucher und Behörden leicht abrufen können.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1175043_image" /></div> <BR /><BR />Bei der vorübergehenden grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitnehmern laufen derzeit Arbeiten zur Einführung eines EU-Portals für eine einfachere Meldung. Außerdem denkt die EU-Kommission daran, den Europäischen Sozialversicherungspass (ESSPASS) im gesamten Binnenmarkt einzuführen und die Europäische Arbeitsbehörde (ELA) zu stärken.<BR /><BR />Was die Anerkennung von Berufsqualifikationen angeht, will die EU-Kommission die Systeme der automatischen Anerkennung ausweiten, um Anerkennungen schneller und einfacher zu machen. Und bei den reglementierten Berufen will der Industriekommissar künftig genauer hinschauen. Sollte es schwer nachvollziehbar sein, warum ein Beruf geschützt ist – Stichwort Pilzexperte –, will er mit Verfahren dagegen vorgehen.<BR /><BR />Auch mit regionalen Lieferbeschränkungen soll künftig Schluss sein. Handelsunternehmen wie etwa Supermärkte sollen Produkte dort einkaufen dürfen, wo sie in der EU am günstigsten angeboten werden. Bislang ist es so, dass Hersteller in unterschiedlichen EU-Ländern unterschiedliche Preise für dieselben Produkte verlangen – oder nur bestimmte Länder beliefern.<BR /><BR />Darüber hinaus sind vereinfachte Regelungen für das Bauwesen geplant, und der EU-Rechtsrahmen für die Post- und Paketzustellung soll modernisiert werden. Zudem soll eine digitale Plattform eingeführt werden, über die Bürger innerhalb von 48 Stunden neue Unternehmen gründen können.<h3> „Kein ,Big Bang', aber...“</h3>Ob das alles zum Ziel führt? Dem Industriekommissar ist selbst klar, dass der Weg ein weiter ist, wie er gegenüber der deutschen Tageszeitung „FAZ“ einräumte: „Das ist kein Big Bang des Binnenmarkts. Aber ich denke, es ist effizienter, wenn wir uns Barriere für Barriere, Thema für Thema vorarbeiten.“<BR /><BR />Aber laut der EU-Kommission würde schon ein moderater Anstieg des Handels im EU-Binnenmarkt ausreichen, um massive Exporteinbrüche auf Drittmärkten auszugleichen: „Um einen Rückgang der Warenausfuhren in die USA um 20 Prozent auszugleichen, reicht ein Anstieg des Warenhandels innerhalb der EU um 2,4 Prozent“, heißt es vonseiten der EU-Kommission.