Wir haben den „Mister Bitcoin“ im Vorfeld der Konferenz „BTC22“, die in dieser Woche in Innsbruck stattfindet, zum Exklusiv-Interview gebeten.<BR /><BR /><b>Sie haben auf YouTube über 130.000 Abonnenten, Ihre Videos verzeichnen insgesamt über 16 Millionen Aufrufe. Sie leben mittlerweile von Inhalten rund um Bitcoin. Wie hat das eigentlich alles angefangen bei Ihnen? </b><BR />Roman Reher: Vor der Gründung meines YouTube-Kanals „Blocktrainer“ war ich als IT-Projektmanager bei einem Global Player tätig und habe mich in meiner Freizeit viel mit den Themen Blockchain und dezentrale Technologie auseinandergesetzt. Während der Krypto-Hype-Phase im Jahr 2017 habe ich festgestellt, dass zahlreiche Dinge, die damals von diversen YouTubern und anderen Medien postuliert wurden, oft nicht valide waren. Meist als „nützliche Informationen“ getarnt, war der Content, der zu dieser Zeit bereitgestellt wurde, im Grunde nur eine Werbeveranstaltung derjenigen, die sich an dem Geld anderer Leute bereichern wollten. Ich hatte mir vorgenommen, einen Gegenpol zu bilden und mein gelerntes Wissen kostenfrei und ohne Hintergedanken weiterzugeben. Darum habe ich meinen eigenen Kanal gegründet. Über die Monate und Jahre hat sich dieser dann stetig weiterentwickelt, bis ich schließlich die Diagnose für eine beziehungsweise mehrere schwere Autoimmunerkrankungen bekam. Daraufhin habe ich den Entschluss gefasst, dass ich kein Arbeitnehmer mehr sein möchte und meine eigene Firma gegründet. So konnte ich meiner Leidenschaft folgen und mich selbst verwirklichen, weil mir bewusst wurde, dass das Leben zu kurz ist, um Dinge zu tun, die einen nicht komplett erfüllen.<BR /><BR /><b>Laut einer Studie der Europäischen Zentralbank vom Mai besitzt in etwa jeder zehnte Haushalt in der EU Kryptowährungen wie Bitcoin. Sie brauchen aktuell mal wieder sehr starke Nerven, schließlich ist der Kurs seit dem Allzeithoch im Herbst 2021 mit knapp 68.000 US-Dollar auf rund 20.000 Dollar abgestürzt. Was können Sie diesen leidgeplagten Anlegern mit auf den Weg geben?</b><BR />Reher: Derartige Kurseinbrüche haben wir bei Bitcoin schon mehrmals gesehen und im Grunde sind diese auch ganz logisch nachzuvollziehen. Der Bitcoin ist ein vergleichsweise junges Asset, das es seit gerade einmal 13 Jahren gibt und deswegen noch keine große Vertrauensbasis genießt. Gerade auch weil Bitcoin als Bottom-Up-Bewegung seinen Weg in die Gesellschaft findet und nicht von einer etablierten Institution wie dem Staat vorgegeben wird, wird es auch noch weiterhin zu solchen Schwankungen kommen. Es steckt auf die Gesamtwirtschaft gesehen verhältnismäßig wenig Geld im Bitcoin, weswegen Phasen größerer Zu- und Abflüsse den Markt stark beeinflussen können. All dies ändert jedoch nichts an den fundamentalen Eigenschaften des Bitcoin. Wichtig ist nicht, dass es immer höhere Höchststände gibt, sondern dass in den volatilen Phasen auch immer höhere Tiefpunkte gebildet werden. Man sollte sich immer fragen, ob man an den langfristigen Erfolg von Bitcoin glaubt, oder nicht. Falls man es tut, muss man lernen mit den Phasen von kurzfristigen Schwankungen zu leben. Auch in anderen Märkten gibt es Phasen hoher Schwankungen, man muss sich nur mal den aktuellen Aktienmarkt oder den aktuellen Gaspreis ansehen.<BR /><BR /><b>Wir sehen derzeit Inflationsraten in Rekordhöhe und einen kraftlosen Bitcoin. Hat die Kryptowährung als Inflationsschutz also versagt?</b><BR />Reher: Der Begriff Inflation wurde im Laufe der Zeit leider umdefiniert. Ursprünglich kommt das Wort nämlich vom lateinischen Wort „inflare“, was so viel wie aufblähen oder ausweiten bedeutet und in seiner früheren Bedeutung nur auf die Geldmengenausweitung bezogen war. Inflation im eigentlichen Sinne beschreibt eine Güterpreissteigerung, die dadurch verursacht wurde, dass die Geldmenge in einer Volkswirtschaft im Vergleich zur Produktionsleistung angestiegen ist. Heutzutage wird der Begriff von Zentralbanken und Ökonomen allerdings nur noch als Preissteigerung eines vorgegebenen und relativ willkürlich gewählten Warenkorbs definiert, was im Grunde aber nicht korrekt ist. Im Sinne der eigentlichen Definition der Inflation ist Bitcoin sogar ein perfekter Inflationsschutz, weil dieser im Vergleich zu allen anderen Dingen in seinem Angebot immer knapp bleiben wird, egal wie viel Zeit und Energie man aufwendet. Und wenn man sich überlegt, dass ein ganzer Bitcoin zu Beginn der Corona-Pandemie noch für etwa 3500 Euro zu haben war und wir jetzt etwa 2,5 Jahre später, mitten in einem Bärenmarkt, bei rund 20.000 Euro stehen, dann sehe ich das Ganze etwas anders. Kurzfristig betrachtet ist nämlich nichts ein Inflationsschutz, man sollte bei der Suche nach einem Inflationsschutz immer einen längeren Zeithorizont heranziehen. Ich denke aber auch, dass wir derzeit eine besonders volatile Phase sehen, weil die Menschen gerade zahlreiche andere Sorgen haben und Bitcoin aktuell nicht im Zentrum des Interesses steht. Dies führt zu einer verringerten Umlaufgeschwindigkeit, die für die Stabilität eines Geldes ein wichtiger Faktor ist. Im Moment dominieren Krisen, angefangen bei der Covid-Krise, über die daraus resultierende Lieferketten-Krise bis hin zum Ukraine-Krieg und die damit im Zusammenhang stehende Energiepreiskrise. Das sind zahlreiche Themen, die derzeit deutlich präsenter sind, weswegen Bitcoin für viele Menschen aktuell nicht so wichtig ist. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="808691_image" /></div> <BR /><BR /><b>Investmentgurus wie Warren Buffet und andere führende Investmentbanker sehen Bitcoin als nutzlos an. Was entgegnen Sie diesen Kritikern: Welchen konkreten Nutzen erfüllt Bitcoin heute und welchen kann es morgen erfüllen, sprich: Warum braucht die Welt Bitcoin?</b><BR />Reher: Leute wie Warren Buffett haben schon immer davon profitiert, nah an der Geldschöpfung zu stehen. Sie sind die Könige des Fiat-Systems, wenn man so möchte. Dass diese Leute ein stabiles Geldsystem nicht gut finden, liegt auf der Hand. Bitcoin bringt alle Eigenschaften für einen guten Inflationsschutz und ein inklusives Geldsystem mit sich. Bitcoin hat die Fähigkeit, Missstände zwischen verschiedenen Währungsräumen auszugleichen und ein globales Geld für jedermann zu sein. Außerdem bietet Bitcoin dank seines dezentralen und zensurresistenten Fundaments auch weitere Vorteile, die schon heute vielen Menschen in Krisengebieten und autoritären Staaten eine echte Hilfe sind. Die „Human Rights Foundation“ berichtet immer wieder über Fälle aus verschiedenen Regionen der Welt, bei denen Bitcoin eine zentrale Rolle dabei spielte, Menschen das Leben einfacher zu machen oder gar zu retten. Beispielsweise konnten vielen Afghanen dank Bitcoin aus dem Land flüchten, als die Taliban wieder an die Macht kamen. Immobilien mussten diese Menschen logischerweise zurücklassen und Gold, Bargeld oder andere Wertgegenstände konnten an der Grenze konfisziert werden. Bitcoin hingegen ist ein freies Geld, das das eigene Hab und Gut schützen kann.<BR /><BR /><b>Sie bezeichnen sich selbst als Bitcoin-Maximalist: Warum halten Sie von anderen Kryptowährungen wie Ethereum und Co., also den Altcoins, wenig?</b><BR />Reher: Im Gegensatz zu den meisten anderen Projekten ist Bitcoin über das „Proof-of-Work“-Verfahren thermodynamisch abgesichert. Und diese thermodynamische Absicherung ist nicht nur wichtig, um das Netzwerk langfristig besonders sicher zu gestalten, sondern auch um unseren Planeten ökologischer zu gestalten. Auch wenn das eventuell komisch klingt, da Bitcoin augenscheinlich viel Strom verwendet. Dieser Stromverbrauch bringt allerdings auch Vorteile mit sich, da das Bitcoin Mining beispielsweise die Schwankungen bei der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien ausgleichen und deren Ausbau damit fördern kann. Diese Fähigkeiten besitzen viele Projekte gar nicht oder schaffen sie, wie im Beispiel von Ethereum, sogar ab. Ich glaube, dass Bitcoin in der Zukunft das Hauptnetzwerk sein wird, auf dem alle anderen neuen Finanztechnologien und Netzwerke aufbauen werden. Dadurch verlieren Altcoins ihren Nutzen, der bei den meisten ohnehin sehr fraglich ist, und es ergibt keinen Sinn, Energie in die Sicherheit von verschiedenen Netzwerken zu kanalisieren. Würden wir uns auf ein Netzwerk konzentrieren und alle Energie in dieses fließen lassen, wäre der Gesamtnutzen für alle am stärksten. Und das ist es, was ich bei Altcoins kritisiere. Sie benutzen oft sehr zwielichtige Marketingmethoden und bedienen sich am Erfolg des Bitcoin, um Narrative zu schaffen und Produkte zu verkaufen. Sie geben vor, ebenso wie der Bitcoin dezentral zu sein, obwohl in nahezu allen Fällen Firmen oder Foundations dahinterstehen, die diese mit Gewinnerzielungsabsicht entwickeln. Es herrscht viel Lug und Trug in dem Space und das nur um des Geldes willen. Bei Bitcoin gibt es all dies nicht. Es gibt keine zentrale Instanz oder Geschäftsführer. Es gibt niemanden, der den Takt angibt oder die Regeln des Geldes definiert und in die Geldschöpfung eingreifen kann. All diese Dinge passieren bei zahlreichen anderen Krypto-Projekten am laufenden Band. Dies ist es, was Bitcoin von allen anderen Coins und Token unterscheidet.<BR /><BR /><embed id="dtext86-55944676_listbox" /><BR /><BR /><b>Bleiben wir kurz beim Thema Energie: Können Sie die Kritik am immensen Stromverbrauch von Bitcoin nicht nachvollziehen?</b><BR />Reher: Nein, weil dabei immer nur auf den Strom- beziehungsweise Energieverbrauch geschaut wird und nicht darauf, wo dieser herkommt, wofür er verwendet wird und welchen Nutzen dies liefert. Wenn man sich den von Bitcoin verwendeten Energiemix ansieht, kann man feststellen, dass das Bitcoin-Mining bereits jetzt eine der saubersten Industrien der Welt ist und das mit einem stetig weiter zunehmenden Anteil an „grünen“ Energien. Das alles passiert ohne politischen Druck, Vorgaben oder Subventionen, sondern basiert rein auf der Spieltheorie des Netzwerks. Die Mining-Unternehmen stehen global im ständigen Konkurrenzkampf um die günstigsten Stromquellen und dieser ist immer dort besonders günstig, wo er reichlich beziehungsweise sogar im Überschuss vorhanden ist. Das Mining kann sogar Strom verwenden, der anderweitig gar nicht genutzt werden kann, weil es zum Beispiel an der Infrastruktur fehlt. Wenn es in einer Region andere Abnehmer wie Industriebetriebe oder Haushalte gibt, wird der Strom tendenziell immer dorthin verkauft, weil diese immer mehr dafür bezahlen können als die Bitcoin Miner, die oft sehr knapp an der Profitabilitätsgrenze operieren. Zeitgleich gehen damit auch positive Effekte einher, wie unter anderem die Förderung oder Erschließung von neuen erneuerbaren Energiequellen, die ich bereits vorhin angesprochen habe. Was viele Menschen auch nicht wissen, ist die Tatsache, dass Mining-Unternehmen auch ideale Stromkunden sind, die über sogenannte Demand-Response-Programme zur Stabilität des Stromnetzes beitragen können. Da das Mining in Zeiten hoher Stromlast im Gegensatz zu anderen Industrien buchstäblich auf Knopfdruck heruntergefahren werden kann, gibt es zum Beispiel im US-Bundesstaat Texas Vereinbarungen, dass die Unternehmen, wenn nötig, ihre Geräte vom Netz nehmen und dafür lukrative Ausgleichszahlungen vom Netzbetreiber erhalten. <BR /><BR /><b>Besteht die Gefahr, dass Bitcoin in einer Zeit, in der das Thema Energie so in den Mittelpunkt rückt, aufgrund des hohen Energieverbrauchs hinter anderen Kryptowährungen zurückfallen könnte? Bekanntlich stellt die Nummer 2 am Markt, Ethereum, vom „Proof-of-Work“ auf den „Proof-of-Stake“-Mechanismus um und spart dadurch rund 99 Prozent Energie ein. </b><BR />Reher: Klar, die Gefahr, dass so etwas passiert, besteht in der Theorie immer. Allerdings nicht aufgrund von Fakten, sondern auf Fehlannahmen. Wie gesagt, ist der Energieverbrauch nämlich nicht nur negativ zu betrachten. Bitcoin wird uns langfristig nicht wie oft suggeriert immer mehr Strom klauen, sondern den global überproduzierten Strom endlich nutzbar machen und monetarisieren. Ein kurzer Hinweis an dieser Stelle: Bereits heute könnten wir das gesamte Bitcoin-Netzwerk mit lediglich 0,4 Prozent der weltweit überproduzierten Energie betreiben. Bitcoin hat die Chance vor allem erneuerbare Energien noch deutlich effizienter nutzbar zu machen. <BR /><BR /><b>Bislang zogen so genannte Halving-Events immer Kursexplosionen beim Bitcoin nach sich: Warum wird das auch beim nächsten Halving 2024 so sein, schließlich sind die Rahmenbedingungen mit steigenden Zinsen, hoher Inflation und einer drohenden Rezession diesmal völlig anders?</b><BR />Reher: Das ist korrekt. Es ist durchaus möglich, dass es diesmal anders kommt, denn aus den Daten der Vergangenheit kann die Zukunft natürlich nicht genau vorhergesagt werden. In der Theorie führt das verknappte Angebot aber dennoch zu einem Preisanstieg, der wiederum Spekulanten anlockt, die für weitere Preissteigerungen sorgen.