<b>Frau Mader, verwöhnt, arbeitsfaul und antriebslos: So wird – salopp gesagt – die Generation Z gerne beschrieben. Was sagen Sie als Personalexpertin dazu: Klischee oder Realität?</b><BR />Dorotea Mader: Es ist komplett überzogen und fast schon anmaßend, wenn Menschen über andere Menschen so etwas sagen. Es gibt in jeder Generation Personen, die sich mehr einbringen und jene, die es weniger tun. <BR /><BR /><b>Also alles wie gehabt auch bei der Generation Z: Es gibt – wie eh und je – die Fleißigen und die Faulen?</b><BR />Mader: Ja. Aber eines hat sich im Vergleich zu früher grundlegend geändert, und das ist der Arbeitsmarkt. Wir befinden uns mittlerweile in Südtirol nicht mehr in einem Arbeitgebermarkt, sondern in einem Arbeitnehmermarkt. <BR /><BR /><embed id="dtext86-68425737_quote" /><BR /><BR /><b>Und das heißt konkret?</b><BR />Mader: Der Fachkräftemangel hat dazu geführt, dass es ein großes Angebot an Arbeitsplätzen gibt. Und wenn ich in der glücklichen Position bin, mir einen Arbeitsplatz und den Arbeitgeber aussuchen zu können, dann bin ich in der Position, meine Forderungen und Wünsche zu platzieren und einzufordern. Das ist ein normaler Prozess und hat nichts mit faul oder verwöhnt zu tun. <BR /><BR /><b>Die Arbeitnehmer sitzen mittlerweile am längeren Hebel?</b><BR />Mader: Zum Teil ja. Gleichzeitig mit dem Fachkräftemangel haben wir in Südtirol aber auch Unternehmen, die wachsen, größer werden und dementsprechend mehr Arbeitskräfte brauchen. Was tun Unternehmer, die mehr Arbeitskräfte bräuchten, aber nicht finden? <BR /><BR /><b>Sie versuchen, die Aufträge mit weniger Arbeitskräften als notwendig zu stemmen …</b><BR />Mader: Genau. Die Unternehmen in Südtirol sind gewohnt zu wachsen und größer zu werden. Wenn man aber nicht genügend Arbeitskräfte findet, dann wird dies schwierig. Auf Dauer können 8 Angestellte nicht eine Arbeit stemmen, für die es 10 Angestellte bräuchte. Irgendwann werden die Mitarbeiter sagen: Stopp, so geht das nicht. Und dann unterstellt man ihnen, faul zu sein. Zu all diesen Faktoren kommt dann noch, dass die Generation Z ein ganz anderes Gefühl für die mentale Gesundheit hat. <BR /><BR /><embed id="dtext86-68426481_quote" /><BR /><BR /><b>Was meinen Sie damit?</b><BR />Mader: Die jungen Leute wissen, dass man ein Burnout bekommt, dass man ausgebrannt ist, wenn man ständig am Limit ist, wenn man sich überarbeitet. Bei den älteren Arbeitnehmern unter uns gilt es ja fast schon als unnormal, wenn man mal wenig zu tun hat. Wenn man jemanden auf der Straße trifft, dann heißt es meistens: „Wie geht’s, hast du viel zu tun?“ Wenn man dann sagt, man hat wenig zu tun, wird man ja fast schon als faul abgestempelt. Die neuen Generationen ticken da anders, sie versuchen, smarter zu arbeiten, sie haben auch alle Voraussetzungen dafür. <BR /><BR /><b>Was meinen Sie mit smarter arbeiten?</b><BR />Mader: Sie arbeiten schlauer, sie setzen mehr Technologie ein. Sie arbeiten nicht mehr nur, um zu arbeiten und um Befehle auszuführen, sie wollen auch wissen, warum sie diese Arbeit ausführen. Sie wollen wissen, was der Sinn hinter dieser Arbeit ist. Die jungen Leute schauen mehr über den Tellerrand hinaus, was auch dem Unternehmen schlussendlich zugutekommt. Wir haben es heute mit anderen Persönlichkeiten zu tun, auf die wir eingehen müssen. Wir müssen ihnen erklären, warum sie diese oder jene Tätigkeit ausführen sollen. Wir können ihnen nicht einfach nur befehlen. <BR /><BR /><b>Das klingt nach viel Betreuung …</b><BR />Mader: Ja. Wir müssen die jungen Leute zu Beginn ihrer Arbeitskarriere begleiten. Man darf nicht vergessen, dass diese Generation äußerst behütet aufgewachsen ist, dass die Eltern rund um diese jungen Leute herum alles organisieren und ihnen abnehmen. In der Konsequenz ist diese Generation eher konfliktscheu, weil sie ja keine Konflikte kennen. Die Führungskräfte sind also gefordert und müssen diese jungen Arbeitnehmer an die Hand nehmen, ihnen viel erklären und sie vor allem ernst nehmen und wertschätzen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-68426483_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Ernst genommen und wertgeschätzt werden will doch jeder Arbeitnehmer, das ist nicht neu …</b><BR />Mader: Das stimmt. Aber der Generation Z ist das viel wichtiger als den Generationen zuvor. Für die jungen Leute ist das im Verhältnis wichtiger als die Höhe des Gehalts. <BR /><BR /><b>Kurzum: Die Arbeitgeber müssen mehr oder weniger auf alle Forderungen der jungen Arbeitnehmer eingehen, damit sie nicht den Job wechseln bzw. damit sie überhaupt ins Unternehmen einsteigen?</b><BR />Mader: Die jungen Leute können sich die Arbeitsplätze aussuchen. Sie sind also diesbezüglich am längeren Hebel und in einer besseren Position als die Arbeitgeber. Dieses Ungleichgewicht ist auch nicht gut. Besser wäre, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Augenhöhe begegnen und verhandeln könnten. <BR /><BR /><embed id="dtext86-68426484_quote" /><BR /><BR /><b>Arbeitgeber beklagen heutzutage, dass die jungen Leute nicht mehr loyal seien, dass sie beim geringsten Widerstand gleich den Job wechseln. Ist das so?</b><BR />Mader: Das, was wir früher erlebt haben, war keine Loyalität, zumindest keine echte Loyalität. Viele Arbeitnehmer sind nur deshalb so lange bei ihrem Job geblieben, weil sie schlicht und einfach keinen anderen Job gefunden haben. Das war also eine erzwungene Loyalität. Heute können sich die Leute ihre Jobs aussuchen. <BR /><BR /><b>Die jungen Leute sprechen viel von Work-Life-Balance. Was ist da wichtiger: die geforderte Vier-Tage-Woche oder Smart Working, oder beides gleichzeitig?</b><BR />Mader: Smart Working ist mittlerweile eine Voraussetzung, die ein Unternehmen bieten muss, damit es überhaupt junge Arbeitnehmer bekommt. Ich führe ja selbst ein Unternehmen und für mich ist es absolut irrelevant, von wo aus meine Mitarbeiter arbeiten, Hauptsache, sie machen ihre Arbeit und sie machen sie gut. Ich bin überzeugt davon, dass die Menschen ihre Arbeit besser machen, wenn sie sie dort ausführen, wo sie sich am wohlsten fühlen. Work-Life-Balance hat aber auch viel mit der Qualität am Arbeitsplatz zu tun. Wenn ich mich am Arbeitsplatz wohlfühle, wenn ich mich wertgeschätzt und ernst genommen fühle, dann ist die Arbeit für mich nicht belastend. Wenn ich aber merke, dass ich für meinen Chef nur eine Nummer bin, dann wird die Arbeit für mich zur Last, dann gerät die Work-Life-Balance aus dem Gleichgewicht. <BR /><BR /><embed id="dtext86-68426488_quote" /><BR /><BR /><b>Als Fazit: Was muss ein Unternehmen tun, um für die Generation-Z-Arbeitnehmer attraktiv zu sein?</b><BR />Mader: Wir älteren Generationen sind das Auslaufmodell. Wir können uns noch so sehr über die Jugendlichen aufregen, aber bringen wird uns das nichts. Die Zukunft sind die jungen Leute. Der Arbeitsmarkt in Südtirol wird heute schon mehr von Millennials bevölkert als von den älteren Generationen. Und die Generation Z und Alpha rücken bald nach. Wir haben nur eine Chance: Wir müssen uns an die neuen Generationen anpassen. Das heißt aber nicht, dass wir zu allem Ja sagen müssen. Aber wir müssen in Austausch mit ihnen gehen, sie ernst nehmen und sie wertschätzen. Wir müssen verstehen, was sie wollen. Wir müssen die jungen Leute führen. Das ist eine Kompetenz, die in Südtirol in den vergangenen Jahrzehnten komplett vernachlässigt worden ist. Das müssen unsere Chefs erst lernen.