Prof. Dr. Volker Busch nimmt am 8. Juli am „Wissensforum“ in Bozen teil. Einige Tipps gibt er vorab im Interview.<BR /><BR /><b>Für viele Menschen gilt heute, immer höher zu greifen, immer mehr zu leisten, ständig erreichbar zu sein. Was bedeutet diese Reizüberflutung für unser Gehirn? </b><BR />Prof. Volker Busch: Die Reizüberflutung ist ein Faktor, der vielen Menschen zu schaffen macht. Reize und Informationen können uns in einer permanenten Anspannung halten und daran hindern, loszulassen. Ein kluger Umgang mit dieser Reizflut beinhaltet daher nicht nur regelmäßige Pausen und Entspannungsmomente, sondern auch den bewussten Verzicht auf das, was nicht unbedingt sein muss. Stress hat heute viel mit zu hohen inneren Ansprüchen an uns selbst zu tun und dem Wunsch, alles zu erleben, nichts zu verpassen und jedem und allem irgendwie gerecht zu werden. Daraus entstehen nicht selten Überforderungsmomente.<BR /><BR /><b>Es ist also auch eine Frage der Regeneration, ob wir den Stress als Stress erleben?</b><BR />Prof. Busch: Es geht darum, dass wir in einer Zeit, die so medial durchflossen ist wie unsere, einfach pfleglicher mit uns umgehen müssen. Je stärker die Reizflut um uns ist und je höher die Anspruchsleistung für unser Gehirn ist, desto mehr müssen auch unsere Kompetenzen wachsen, sorgfältig mit uns umzugehen. Wir müssen wissen, wo die Grenzen sind, wo wir abschalten sollten. Wer das für sich nicht steuern kann, der erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Überforderung.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="786341_image" /></div> <BR /><BR /><b>Fakt ist, dass psychisch bedingte Fehlzeiten derzeit überdurchschnittlich steigen. Worin sehen Sie die Ursachen?</b><BR />Prof. Busch: Zum einen sind Arbeitsprozesse heute per se von mehr Stress gekennzeichnet. Fast in allen Bereichen müssen Menschen in kurzer Zeit mehr leisten. Dazu kommt auch, dass gerade in prekären Situationen Menschen weniger Mitgestaltung und Autonomie haben und sie dadurch auch eine gewisse Hilflosigkeit und Kontrollverlust erleben. Zum anderen tragen wir auch selbst zu unserem Stress bei. Wir haben heute einen sehr hohen Anspruch an uns selbst, wir wollen erfolgreich und effizient sein – auch in unserer Freizeit. <BR /><BR /><b>Zurück zur Regeneration: Welche Rolle spielt der Schlaf?</b><BR />Prof. Busch: Schlaf ist eine der ganz wichtigen Regenerationsphasen. Wir brauchen diese Zeit, um unser Gehirn wieder aufzuräumen. Man kann sich das bildlich so vorstellen, dass unser Gehirn diese ganzen Reize nimmt, sie miteinander verknüpft, einiges löscht, anderes wieder durchspielt und dann im besten Fall am nächsten Tag erholt und entspannt wieder aufwacht. Würden wir nicht schlafen, wäre Leistung nicht möglich. Doch genau das Gegenteil passiert. Allein in Deutschland schlafen die Menschen heute täglich im Schnitt 30 Minuten weniger als noch vor 20 Jahren – weil wir so viel zu tun und so viel medial zu konsumieren haben, dass uns der Schlaf unnötig erscheint. Deshalb rationalisieren wir ihn einfach weg. Doch das ist schade und auch nicht klug. Denn der Schlaf ist lebensnotwendig.<BR /><BR /><embed id="dtext86-55070862_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Stichwort digitale Medien. Wie sollen wir damit umgehen, um unseren Alltag gehirngerecht zu gestalten?</b><BR />Prof. Busch: Die digitalen Medien sind nicht an allem Schuld. Sie ermöglichen uns auch viele Vereinfachungen. Doch das alles überrollt uns gerade mit einer solchen Geschwindigkeit, dass wir nur schwer lernen, damit gut umzugehen. Dabei mag es unser Gehirn nicht, wenn wir ständig hin und her schalten und unsere Aufmerksamkeit wechseln müssen. Jeder kennt den Zustand des sogenannten „Flows“, wenn wir ganz in eine Sache versinken. Genau diese „Flow“-Zustände sind wahre Glückszustände für unser Gehirn, die uns auch sehr leistungsfähig halten.<BR /><BR /><b>Sie sagen, wer mutig ist, muss ein Stück Kontrolle abgeben. Haben wir diesbezüglich aus der Pandemie etwas gelernt?</b><BR />Prof. Busch: Die Pandemie hat uns gezwungen, von unserem vielen Denken Abstand zu nehmen, von unserem Wunsch, immer alles perfekt machen und kontrollieren zu wollen. Und wir haben gelernt, mehr ins Ausprobieren zu kommen, etwas hemdsärmliger zu agieren. Und das hat gut getan, weil wir gemerkt haben, dass denken zwar wichtig ist, es aber in einer übertriebenen Dosis auch zu Bedenken führen kann. Und dass wir Probleme eigentlich über das Handeln lösen können und nicht so sehr über das Diskutieren und Nachdenken. Und wenn wir das aus der Pandemie mitziehen, dann können wir das nächste Mal vielleicht etwas leichter an Probleme herangehen.<BR />