„Es hapert halt immer an einer schnellen Umsetzung“, sagt der Experte mit Blick auf viele Bauvorhaben, die schon seit einiger Zeit in der Warteschleife sind. <BR /><BR /><BR />„Was die laufenden Ausgaben betrifft, hat die Verwaltung Caramaschi sehr Gutes geleistet. Sie hat den Haushalt in Ordnung gebracht“, sagt Peter Gliera. Mit 243 Millionen Euro sind diese laufenden Ausgaben der größte Posten im Haushalt. „Die Einnahmen decken die laufenden Ausgaben. Die Schätzungen, die am Jahresbeginn mit dem Haushaltsvoranschlag gemacht werden, sind sehr korrekt und müssen nicht stark korrigiert werden“, stellt Gliera fest.<BR /><BR /><embed id="dtext86-50570725_quote" /><BR /><BR /> Auch die Dienstleistungen, welche die Gemeinde erbringe, seien „nicht so schlecht, wenn man sie mit anderen Gemeinden vergleicht“, findet Gliera. „Ob die Personalspesen zu hoch sind oder nicht, ist eine Frage der Meinung: Der eine sagt, wir brauchen viele Polizisten, der andere, nicht. Der eine sagt, die Straßen sind sauber genug, der andere sieht es anders.“ Das gelte auch für Sicherheitsaspekte – etwa ob es beim Bahnhofspark verstärkt Kontrollen brauche: „Das sind Einschätzungen, über die man diskutieren kann. Aber wenn man die Zahlen anschaut, kann man die Bemühungen, effiziente Dienstleistungen für die Bürger zu bringen, nur loben.“<BR /><BR />Kritischer sei der Investitionsteil, merkt Gliera an. „Das war in Bozen immer ein Problem.“ Der Fachmann macht dies besonders an einer Zahl fest: „Der Bürgermeister sagt, es gibt einen Verwaltungsüberschuss von 136 Millionen Euro. Dieser beweise die gute Leistung, die erbracht wird, und das gute Ergebnis.“ Doch genau in diesem Punkt gebe es ein Missverständnis: „Man verwechselt den Verwaltungsüberschuss mit dem Gewinn in der Privatwirtschaft: Ein Verwaltungsüberschuss einer Gemeinde bedeutet im Großen und Ganzen, dass sie die Gelder, die sie am Anfang des Jahres geplant hatte, nicht ausgegeben hat.“<BR /><BR /><b>Missverständnis Verwaltungsüberschuss</b><BR /><BR />Zur Erklärung: Am Anfang des Jahres erstellen die Gemeindeverwalter den Haushalt. „Nehmen wir an, darin sind 100 Millionen enthalten, von denen 60 Millionen in den laufenden Teil fließen, 40 Millionen sollen für Investitionen ausgegeben werden. Wenn die Verwaltung nun über Programme streitet und sich nicht einigen kann, wo eine Schule gebaut werden soll und diese deshalb nicht baut, obwohl vorgesehen war, dass diese Schule 20 Millionen Euro kosten wird – dann hat sie am Ende des Jahres einen Haufen Geld übrig. Das heißt aber nicht, dass sie besonders gut gewirtschaftet hat. Sie hat bloß das, was sie wollte, nicht machen können“, erläutert Gliera.<BR /><BR />Hat die Gemeinde Bozen also 136 Millionen ungenutzt liegenlassen? Gliera: „Es gibt dafür ein paar Entschuldigungen, die stichhaltig sind. Die Gemeinde Bozen hat im Jahr 2019 sehr viele zweckgebundene Rückstellungen gemacht: Das heißt, sie hat Gelder schon vinkuliert für Investitionstätigkeiten, die geplant und ausgeschrieben werden müssen. Das dauert seine Zeit.“<BR /><BR />73,4 Millionen Euro umfasst dieser zweckgebundene Überschuss: Er wird überwiegend zur Finanzierung der Ada-Negri-Schule (9,9 Millionen), der Archimede/Longon-Schule (8 Millionen), des Gemeindegebäudes (4,4 Millionen), des Seniorenwohnheims Don Bosco (12,2 Millionen) und der Aufschnaiter-Schule (23,7 Millionen) verwendet. <BR /><BR />„Es hapert halt immer an einer schnellen Umsetzung“, merkt Peter Gliera an. „Wenn ich daran denke, wie lange man wegen der Aufschnaiter-Schule herumgestritten hat… Das hätte schon vor 4 Jahren gemacht werden können. Und bei fast allen Projekten ist es so. Wenn diese Schulumbauten losgehen: Was das für ein Schub für die Bauwirtschaft wird! Die Südtiroler Unternehmen können diese Wettbewerbe gewinnen, zumindest einen Teil davon“, ist sich Gliera sicher.<BR /><b><BR />Politische Probleme und verfahrenstechnische</b><BR /><BR />„Caramaschi hat, als er zum ersten Mal angetreten ist, eine schnelle Verbesserung der Verkehrssituation versprochen. Was ist inzwischen passiert? Nicht besonders viel – nur das Rondell bei der Autoindustriale in Bozen-Süd wurde in eine Kreuzung umgewandelt“, illustriert Gliera. „Eine Verbesserung wäre nur möglich, wenn sich die Parteien besser abstimmen würden“, findet er. „Daran hat Bozen immer gekrankt. Das ist auf die große Anzahl an verschiedenen Parteien zurückzuführen.“ Aber nicht nur darauf: „Es liegt auch an den Ausschreibungsvorschriften. In Italien vergehen im Schnitt 14 oder 15 Jahre, bis man mit dem Bau eines etwas größeren Werkes beginnen kann. In Südtirol – der Modellprovinz – sind es im Schnitt auch 7 Jahre“, weiß Gliera.<BR /><BR />Aus der Verantwortung könne man die Stadtverwalter trotzdem nicht nehmen: „Das Land hat Geld angeboten, aber Bozen hat jahrzehntelang nichts vorgeschlagen. Wenn die Planung des Umfahrungstunnels gemacht wäre und man sich nur um die Finanzierung kümmern könnte, würde vieles schneller gehen.“ Trotzdem habe man „im Vergleich zu vor 20 Jahren in Bozen große Schritte gemacht“, sagt Gliera. <BR /><BR />Das vergangene Haushaltsjahr war vor allem durch die Covid-19-Pandemie geprägt. In dieser Beziehung ist Fachmann Gliera voll des Lobes für die Bozner Verwalter: „Sie haben das relativ gut gemacht. Sie haben alles ausgenutzt: Die Gelder, die sie bekommen haben, haben sie sehr sinnvoll ausgegeben – für Lebensmittelgutscheine, die Reduzierung von Parkgebühren etc. Der Staat hat sich relativ großzügig gezeigt. Aber es ist so: Ein guter Unternehmer, der imstande ist, alle möglichen Hilfen auszunützen, die es gibt – seien es gute Konditionen bei den Banken oder die verschiedensten Beiträge von Land, Staat und EU – der muss dafür aktiv werden. Das gilt auch für die Gemeinden. Wenn man nur dasitzt und jammert, kommt kein Geld herein. Wenn es einem auch nicht zu blöd ist, für kleine Beiträge ein Gesuch zu machen, dann bekommt man es hin. Wenn man dann aufgrund der Einnahmen die Ausgaben planen kann, kommt man auf einen grünen Zweig. Die Gelder haben sie auf der Seite. Die sind festgelegt. Diese famosen 75 Millionen – das ist ein schönes Programm für Investitionen“, lobt Gliera.<BR /><BR /><b>Bürger sind zufrieden mit Stadtverwaltung</b><BR /><BR /> „Wenn man die Zeitungen und Leserbriefe verfolgt, kann man sagen, die Leute sind mehr oder weniger zufrieden mit dem, was passiert“, sagt Peter Gliera. „Die Gemeinde macht auch regelmäßig Umfragen zur Zufriedenheit – und die Zustimmungswerte sind sehr hoch. In den vergangenen Jahren hat es sich gut entwickelt.“<BR /><BR />Rechnungen zahlte die Stadtverwaltung 2020 nach spätestens 16 Tagen, heißt es vonseiten der Gemeinde. Bei anderen Städten dieser Größenordnung dauere es im Schnitt 36 Tage. „Dabei wurde nicht bis zur Fälligkeit gewartet, sondern im Schnitt 16 Tage vor Fälligkeit bezahlt. Vergleichbare Städte bezahlten ihre Rechnungen im Schnitt einen Tag nach Fälligkeit“, weiß Peter Gliera. Er sagt, das sei ein gutes Zeichen für die Organisation der Verwaltung: „Das ist ein sehr entscheidendes Element. Wenn die Gemeinde schnell zahlt, ist das ein Vorteil für alle.“