<b>von Daniel Gros</b><BR /><BR />Vor einigen Jahren herrschte weltweit ein breiter Konsens über den Handel: je freier, desto besser. Nur nerdige Wirtschaftswissenschaftler verbrachten eine Menge Zeit damit, sich über handelspolitische Details den Kopf zu zerbrechen, und so ziemlich die Einzigen, die für Schutzmaßnahmen eintraten, waren Sonderinteressen. <BR /><BR />Insgesamt waren die Zölle relativ niedrig, die meisten Regierungen waren bestrebt, ausländische Investitionen anzulocken, und Technologietransfers galten als Mittel zur Verbreitung von Wohlstand. Das war einmal.<h3> Handel ist kein Nullsummenspiel</h3>35 Jahre, nachdem der Militärstratege Edward N. Luttwak den Begriff „Geoökonomie“ prägte, um zu beschreiben, wann die „Logik des Konflikts“ auf die „Grammatik des Handels“ trifft, findet das Konzept neuen Anklang.<BR /><BR /> In vielen Ländern herrscht zunehmende Einigkeit, dass man die Handelspolitik hauptsächlich durch die Brille der Geopolitik betrachten sollte.<BR /><BR />Doch wie Luttwak feststellte, ist ein geopolitischer Konflikt bestenfalls ein Nullsummenspiel: Die Gewinne der einen Seite sind die Verluste der anderen. Im Gegensatz dazu ist der Handel in der Regel ein Spiel, bei dem beide Seiten gewinnen – ganz gleich, wie lautstark Präsident Donald Trump behauptet, andere Länder würden die USA abzocken.<BR /><BR /> Dieses Spannungsverhältnis ist unvermeidlich; jeder Versuch, wirtschaftliche Maßnahmen für geopolitische Zwecke zu nutzen, wird irgendwann damit konfrontiert.<h3> Trumps kontraproduktiver Zollkrieg</h3>Und doch kommen die meisten politischen Entscheidungsträger nie so weit. Trump zum Beispiel verfolgt eine derart schlecht durchdachte Zollstrategie, dass sie nur kontraproduktiv sein kann. Nirgends wird dies deutlicher als in seinem Handelskrieg gegen China.<BR /><BR />Es sollte klar sein, dass man in einem Krieg versuchen sollte, dem Gegner mehr Schaden zuzufügen als sich selbst. Aber alle verfügbaren Simulationen der Auswirkungen der verschiedenen Zollszenarien, die in den letzten Monaten aufgetaucht sind, zeigen, dass die USA mehr verlieren würden als China. <BR /><BR />Das hat einen einfachen Grund: Auf die USA und China entfallen etwa ein Viertel bzw. ein Fünftel der Weltwirtschaft, aber China exportiert geringfügig mehr als die USA – und etwa 80 % dieser Ausfuhren gehen in andere Länder als die USA.<h3> Teure Zölle, geringe Wirkung</h3>Anders ausgedrückt: Die USA sind nicht in der Lage, China erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Aber durch die Verhängung hoher Zölle gegen China verteuern sie die Importe für ihre heimischen Unternehmen und Haushalte – sei es, weil diese die Zölle zahlen müssen (deren Kosten die Importeure an die Verbraucher weitergeben) oder weil sie auf teurere Importe aus anderen Ländern ausweichen müssen. Dies ist dürfte ein Hauptgrund sein, warum Trump einem Waffenstillstand mit China zugestimmt hat.<BR /><BR />Auf jeden Fall sind Zölle – selbst in Bezug auf andere Länder mit einer anderen wirtschaftlichen Größe und einem anderen Handelsvolumen – kein nützliches Instrument zur Schwächung eines geopolitischen Gegners. Das gilt auch für andere beliebte geoökonomische Instrumente wie die Beschränkung der Versorgung mit wichtigen Rohstoffen. So hat China Anfang dieses Jahres begonnen, Ausfuhrlizenzen für seltene Erden zu verlangen.<h3> Mythos der seltenen Erden</h3>Das mag auf den ersten Blick wie eine erfolgreiche Strategie aussehen. Schließlich wird der größte Teil des weltweiten Angebots an seltenen Erden für die Herstellung von High-Tech-Produkten verwendet. Doch ist die wirtschaftliche Bedeutung seltener Erden weitaus geringer als allgemein angenommen.<BR /><BR />Seltene Erden werden in zwei Formen gehandelt. Wenn Kommentatoren und Politiker beklagen, dass rund 70 Prozent der US-Importe von seltenen Erden aus China kommen, meinen sie relativ unverarbeitete Seltenerdmetalle. Die Gesamteinfuhren der USA von Seltenerdmetallen belaufen sich jedoch auf lediglich 22 Millionen Dollar jährlich – ein zu vernachlässigender Anteil an den Gesamtimporten der USA.<h3> USA mit Handelsüberschuss bei veredelten Produkten</h3>Viel wichtiger ist der Handel mit Seltenerdverbindungen von wesentlich höherem Wert, die einen größeren Verarbeitungsprozess durchlaufen haben. Und hier haben die USA einen großen Überschuss, insbesondere gegenüber China. Die US-Ausfuhren von Seltenerdverbindungen belaufen sich auf 355 Millionen Dollar – mehr als doppelt so viel wie die Einfuhren (161 Millionen Dollar) –, wobei fast 90 Prozent davon nach China gehen.<BR /><BR />Dies sollte nicht überraschen. Das verarbeitende Gewerbe in den USA ist eher klein und spezialisiert und konzentriert sich auf High-Tech-Nischenprodukte, so dass es keine großen Mengen an Seltenerdverbindungen benötigt. Allerdings werden seltene Erden zur Herstellung bestimmter militärischer Ausrüstung, wie z. B. Kampfjets, verwendet. Für eine einzige F-35 werden mehrere hundert Kilo seltene Erden benötigt. Aber es werden nur sehr wenige dieser Flugzeuge gebaut. Zugleich werden jährlich Milliarden von Smartphones und ähnlichen Geräten hergestellt – größtenteils in China.<h3> Risikoreiches Spiel mit der Versorgung</h3>Wenn China die Ausfuhr geringwertiger Seltenerdmetalle einschränkt, riskiert es die Versorgung mit den Seltenerdverbindungen, die sein Fertigungssektor benötigt. <BR /><BR />Dies könnte ein Grund dafür sein, dass die Reaktion des Marktes auf die Beschränkung gedämpft ausfiel: Obwohl die Preise für seltene Erden angesichts des dünnen Marktes stark schwanken, haben sie sich kaum bewegt, seit China die Exportlizenzen eingeführt hat. <BR /><BR />Nur bei zweien dieser Elemente sind die Preise deutlich – um 30 Prozent seit Januar 2025 – gestiegen, und sie liegen immer noch unter ihrem Höchststand von 2022.<h3> Geringer Schaden, begrenzte Wirkung</h3>Doch selbst wenn die Preise in die Höhe schießen sollten, wäre der Schaden für die US-Wirtschaft begrenzt, da sich diese Einfuhren nur auf etwa 20 Millionen Dollar belaufen. Selbst wenn Dauermagnete ohne seltene Erden zehnmal teurer wären, würden sich die Kosten für die USA auf lediglich 200 Millionen Dollar belaufen – ein Rundungsfehler für eine Volkswirtschaft von der Größe der USA.<BR /><BR />Und es gibt noch ein weiteres Problem mit derartigen geoökonomischen Instrumenten: Sie lassen sich in der Regel nur einmal anwenden. Wird das Angebot eingeschränkt – egal, ob durch Zölle, Ausfuhrgenehmigungen oder andere Mechanismen –, passen sich die Importeure schnell an, indem sie zum Beispiel alternative Lieferquellen erschließen oder Lagerbestände anlegen. Auf diese Weise sind sie dann in der Lage, weiteren Lieferbeschränkungen standzuhalten.<h3> Die Grenzen der Geoökonomie</h3>All dies sollte als Warnung dienen: Blinder geoökonomischer Aktivismus kann sich nicht nur als unwirksam, sondern sogar als kontraproduktiv erweisen. Das gilt für China ebenso wie für die USA.<BR /><BR /><b>Zum Autor</b><BR />Daniel Gros ist Direktor des europapolitischen Instituts der Università Commerciale Luigi Bocconi.