Eine Reform des Steuersystems in der Europäischen Union scheint unumgänglich, will man den Wettbewerb fairer gestalten – doch es gibt noch einige Problem auf dem Weg dorthin. <BR /><BR /><BR />Vor wenigen Tagen haben sich die Finanzminister der 7 leistungsstärksten Industriestaaten der Welt auf das Jahrhundertprojekt globale Steuerreform geeinigt. Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz sprach von einer „Steuerrevolution“ und einem historischen Schritt. Kein Wunder, schließlich war man sich – zumindest im kleinen Kreis der G7 – einig, dass man mit einem Steuersystem, das im Wesentlichen aus den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts stammt, gegen die Geschäftspraxis von global agierenden Tech-Konzernen nicht ankommt. <BR /><BR />Im Kern sind die Ziele der G7 einerseits, die Einführung eines globalen Mindeststeuersatzes im Umfang von 15 Prozent, andererseits eine Kehrtwende beim Steuergrundsatz: weg vom Ortsprinzip, hin zum Umsatzprinzip. <BR /><BR /><b>Wer am meisten draufzahlt</b><BR /><BR />Kurz gesagt: Die großen Konzerne sollen in dem Land Steuern zahlen, in dem sie ihren Umsatz machen und nicht mehr wie bisher, wo sie ihren Sitz haben. Google soll also dort versteuern, wo es seine Daten einsammelt und Werbung verkauft. Handelsplattformen wie Amazon sollen in dem Land Steuern zahlen, in dem ihre Kunden einkaufen.<BR /><BR /> Pro Jahr entgehen den G7 allein durch die 5 Tech-Konzerne Alphabet (Google), Amazon, Apple, Facebook und Microsoft potenzielle Steuereinnahmen in Höhe von rund 20 Milliarden US-Dollar. Geld, das man besonders in Zeiten massiv steigender Staatsschulden infolge der Coronapandemie gut gebrauchen könnte. Hauptleidtragende sind vor allem jene Firmen, die diese Steuer-Ausweichmöglichkeiten nicht haben. <BR /><BR /><embed id="dtext86-49315401_quote" /><BR /><BR />„Es ist ein wichtiges Signal, dass die G7-Länder das Problem erkannt und sich grundsätzlich auf eine gemeinsame Linie in Sachen globaler Steuerreform verständigt haben“, so der Südtiroler EU-Abgeordnete Herbert Dorfmann. Er behandelt das Thema aktuell als Mitglied eines dafür eingerichteten Sonderausschusses im EU-Parlament. Denn obwohl fast die Hälfte der G7-Staaten auch Teil der EU sind, gibt es derzeit nicht DIE europäische Position beim Thema Steuern. <BR /><BR />„Besonders kleinere Länder stellen sich aktuell quer. Länder wie Irland, die durch ihre langjährige Niedrigsteuerpolitik Unternehmen aus aller Welt erfolgreich angelockt haben. Aber auch Luxemburg, die Niederlande und zunehmend Staaten im Osten Europas, allen voran Ungarn“, so Dorfmann. In diesen Ländern liegen die Steuersätze teilweise deutlich unter 15 Prozent, im Falle Ungarns sogar bei unter 10 Prozent. Zum Vergleich: Frankreich erhebt Unternehmenssteuern von über 30 Prozent, Deutschland und Italien liegen knapp darunter. <BR /><BR /><b>Das Problem für Europa</b><BR /><BR />Das Problem seien jedoch nicht nur die teils zu niedrigen Steuersätze, meint Dorfmann. „Es liegt auch an anderer Stelle: Tatsächlich ist es so, dass viele der Konzerne mit den Regierungen der Länder, in dem sie ihren Sitz haben, Besteuerungsmodelle auf Basis von Sonderverhandlungen entwickeln. Das endet dann häufig so, dass die Bemessungsgrundlage soweit herabgesetzt wird, dass das Unternehmen keine oder kaum mehr Steuern zahlen muss. Das darf so nicht sein. Die Regierungen sind häufig damit zufrieden, dass Arbeitsplätze und Know-how ins Land kommen. Diese gängige Praxis ist ein großes Problem für Europa, so wird aus dem Wettbewerb der Standorte ein unlauterer Wettbewerb.“ <BR /><BR />Der so genannte „Code of Conduct“, also die Benimmregeln für die Mitgliedsländer, müsste dahingehend abgeändert werden, dass keine Sondervereinbarungen mit Firmen mehr ermöglicht werden. Dies wiederum müsste rigoros angewandt und kontrolliert werden, fordert er.<BR /><BR /><b>Noch ein weiter Weg</b><BR /><BR />Die Mehrheit im EU-Parlament stehe hinter den Ansätzen der Steuerreform auf globaler und europäischer Ebene. Das Mehrheitsprinzip genügt im Rat jedoch nicht, es braucht den Konsens aller Mitgliedsländer. „Die derzeitigen Regeln in den EU-Verträgen verlangen, dass Steuerregelungen von allen 27 EU-Staaten unterstützt werden müssen“, so Dorfmann. <BR /><BR />„Diese Unterstützung gibt es derzeit nicht. Darum könnte der Weg hin zu einer EU-weiten Einigung noch ein längerer sein. Ich hoffe aber, dass am Ende die Vernunft siegen wird. Wir müssen zu einer Lösung kommen, da langfristig ein faireres und solidarischeres Steuersystem und in weiterer Folge ein anhaltend funktionierender EU-Binnenmarkt allen zugutekommt, auch jenen Ländern, die sich aktuell aus nationalstaatlichen oder anti-europäischen Überlegungen heraus dagegen sperren.“<BR />