Die Regierung muss sich sofort mit einer Reihe von schweren Problemen auseinandersetzten: Der russische Aggressionskrieg gegen die Ukraine, die dramatisch gestiegene Energiepreise und eine extrem hohe Inflationsrate, wie es sie zuletzt in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gegeben hat. Dazu kommen die Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank, was die Begebung neuer Staatsanleihen teurer machen dürfte.<BR /><BR />Der Handlungsspielraum der Regierung Meloni ist aus verschiedenen Gründen eingeschränkt. Um weitere EU-Mittel für den Aufbauplan (PNRR) zu erhalten, müssen die mit Brüssel abgestimmten Projekte termingerecht umgesetzt werden. Gleichzeitig müssen die Reformvorhaben verwirklicht werden, die eine Bedingung für weitere Zahlungen aus Brüssel bilden. Ohne diese Reformen würde es nämlich keine der dringend benötigten Überweisungen mehr geben, die zum Teil sogar geschenktes Geld sind.<h3> Maßnahmen gegen hohe Energiepreise</h3>In der EU sind es vor allem die extrem gestiegenen Gas- und Strompreise, die sowohl für viele Familien als auch für zahlreiche Betriebe eine schwere Belastung darstellen. Die Vorgängerregierung Draghi hat bereits mit 3 Hilfspaketen versucht, die schlimmen Auswirkungen der Energiekrise zu mildern. So wurden Kostensteigerungen für die energieintensiven Unternehmen zum Teil mit entsprechenden Steuerguthaben aufgefangen. Auch die Netzkosten für Strom- und Gasversorgung wurden auf Staatskosten gesenkt. <BR /><BR />Es wären aber besondere Maßnahmen auf EU-Ebene erforderlich, um in erster Linie die Gaspreise zu senken. Eine Einigung hat es bereits über gemeinsame Gaseinkäufe gegeben, außerdem haben sich die EU-Länder zu freiwilligen Energieeinsparungen verpflichtet.<BR /><BR /> Für eine EU-weit geltende Deckelung des Gaspreises hat es hingegen noch keine Lösung gegeben. Unterschiedliche Vorschläge betreffen eine Gaspreisbremse oder einen gedeckelten Gaspreis, der sich an den Preisen in Asien orientiert. Auch ein Preiskorridor ist im Gespräch, der es den Unternehmen im Gasgeschäft ermöglichen könnte, das Gas in der EU mit einem Preisunterschied von bis zu 5 Prozent nach oben oder nach unten zu verkaufen. Sollte es zu Versorgungsengpässen kommen, würde die EU dann Gas zu aktuellen Preisen auf dem Weltmarkt einkaufen. Die Differenz zum festgelegten Preiskorridor müssten von den Mitgliedsländern subventioniert werden. <BR /><BR />Welche Lösung tatsächlich gefunden wird, sollte sich in den kommenden Wochen zeigen. Italien ist besonders an einer Deckelung des Gaspreises interessiert, weil Gas für die Wärmekraftwerke sehr wichtig ist und so entscheidend für den teuren Strom verantwortlich ist. <h3> Terminals für Flüssiggas</h3>Italien hat sich bereits unter der Regierung Draghi bemüht, die rückläufigen Gaslieferungen aus Russland mit Gas aus anderen Ländern zu ersetzen. Das geschieht zum Teil über die Gaspipelines mit Algerien und Aserbaidschan. Dazu kommen noch verstärkte Importe von verflüssigtem Erdgas aus Ländern wie den Katar, den USA und Angola. Um diese wichtigen Lieferungen voll nutzen zu können, müssten zusätzlich zu den 3 bestehenden Flüssiggasterminals (Panigaglia, Livorno und Rovigo) noch weitere 2 Terminals auf entsprechend ausgerüsteten Schiffen in der Hafenstadt Piombino (Toskana) und in Ravenna in Betrieb gehen.<BR /><BR /> Der Terminal in Piombino sollte schon im Frühjahr in Betrieb genommen werden, doch dagegen wehrt sich die Stadtverwaltung, der ein Bürgermeister von Fratelli d’Italia vorsteht, also der Partei von Regierungschefin Meloni. Ob es ihr gelingen wird, eine Einigung zu erzielen, muss sich noch zeigen. <BR /><BR />Italien ist nämlich auf zusätzliche Importe von Flüssiggas dringend angewiesen, um den Bedarf zu decken. Zusätzlich soll die Förderung aus den italienischen Erdgaslagerstätten in der Adria und im ionischen Meer ausgeweitet werden, was bisher vor allem Umwelt- und Landschaftsschützer verhindert haben. <h3>Treibstoff bleibt weiter verbilligt</h3>Die vorübergehende Senkung der Produktionssteuer auf Erdölprodukte um 30 Cent hat die Regierung Draghi eingeführt und mehrmals verlängert. Mit 18. November läuft diese Steuersenkung aus, doch die neue Regierung dürfte schon bald eine Verlängerung der Steuersenkung bis zum Jahresende und vielleicht auch darüber hinaus beschließen. <BR /><BR />Noch in dieser Woche könnte es ein neues Hilfspaket für Familien und Unternehmen geben, um die Belastungen durch die extrem teuren Strom- und Gaspreise zu dämpfen. Außerdem muss das dritte Hilfspaket (Aiuti ter) der Regierung Draghi noch vom Parlament in ein Gesetz umgewandelt werden.<BR /><BR />Zur Finanzierung dieser Ausgaben sollen vor allem die gestiegenen Steuereinnahmen aus den indirekten Steuern wie der Mehrwertsteuer verwendet werden, die wegen der inflationsbedingten Preissteigerungen deutlich zugenommen haben.<h3> Inflationsanpassung und Energievergünstigungen</h3>Im kommenden Jahr ist bereits mit einigen große Ausgabenposten zu rechnen. Dazu zählt zum Beispiel die Inflationsanpassung der Pensionen ab Jahresbeginn. Um das finanzieren zu können, sind 2023 insgesamt 23 Milliarden Euro erforderlich. Hohe Ausgaben sollen zur Senkung der Energiekosten sowohl für die Familien als auch für die Unternehmen vorgesehen werden. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="827942_image" /></div> <BR /><BR />Vorrang haben also die Maßnahmen gegen die Energiekrise, wobei auch die deutschen Hilfsmaßnahmen gegen die Verteuerung von Gas und Strom zum Vorbild dienen können. Der Grundbedarf an Energie gemessen am Konsum der Vorjahre sollte in Deutschland weitgehend zu subventionierten Preisen zugänglich sein. Für den Verbrauch von Gas und Strom, der diese Grenze übersteigt, sollte hingegen Marktpreise verlangt werden. Das dürfte auch zu einem sparsamen Konsumverhalten anregen und so zu wichtigen Energieeinsparungen führen.<BR /><BR />Italien hat schon seit geraumer Zeit angeregt, dass die EU günstige Anleihen begeben und den Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen sollte, wie dies bereits zur Überwindung der Corona-Pandemie der Fall war. Dieser Vorschlag ist jedoch schon energisch von deutschen Finanzminister Christian Lindner abgelehnt worden. <h3> Wenig Spielraum für Wahlversprechungen</h3>Teure Wahlversprechen wie die Ausdehnung der Einheitssteuer (Flat Tax) für Selbständige von den bisherigen 65.000 Euro an Umsatz pro Jahr auf 100.000 Euro dürfte wohl nur schrittweise erfolgen. Und für die Senkung der Lohnnebenkosten um 5 Prozent dürften wohl die nötigen Finanzierungen fehlen.<BR /><BR />Der 110-Prozent-Superbonus für Haussanierungen soll, wie angekündigt, Änderungen erfahren. So soll dieser äußerst großzügige Steuerabzug von 110 auf 80 Prozent gesenkt werden und nur mehr für Erstwohnungen zugänglich sein. Nur für Bezieher von niedrigen Einkünften soll noch ein Superbonus von 100 Prozent gelten. <h3> Größte Eile für Haushaltsentwurf</h3>Die Wahlen und die relativ knappe Zeit für die Regierungsbildung haben dazu geführt, dass der Haushaltsentwurf für 2023 noch nicht von der Regierung verabschiedet werden konnte. Es sollte jedoch feststehen, dass das Haushaltsdefizit im kommenden Jahr nicht mehr 4,5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt erreichen sollte. Deshalb wird dringend nach neuen Einnahmen gesucht, zu denen auch eine Überprüfung aller Ausgabenposten im Staatshaushalt (spending review) zählt, wie das bisher praktisch von allen Regierungen versprochen wurde, was aber kaum zu spürbaren Resultaten geführt hat. Wir lassen uns also diesmal überraschen.<h3> Steuer auf Paketzusteller im Onlinehandel</h3>Der Onlinehandel baut auf einem effizienten Logistiksystem auf, das der weltweit tätige Riesenkonzern Amazon besonders erfolgreich entwickelt hat. Die Paketzustellung – mit wenig umweltfreundlichen Fahrzeugen betrieben – soll nun mit einer eigenen Steuer belegt werden. Von dieser Steuer sollen nur Frächter befreit sein, die elektrische Kleinlaster oder solche mit Hybridantrieb einsetzen. Weil von dieser Steuer hauptsächlich italienische Frächter betroffen wären, hat es bereits energische Proteste der zuständigen Verbände gegeben.<BR /><BR />Änderungen soll es für die Besteuerung der Sonderprofite geben, die zurzeit hauptsächlich mit der Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen erzielt werden. An der Strombörse wird nämlich der Preis von den sehr teuer arbeitenden Gaskraftwerken bestimmt.<h3> Steigende Zinsbelastung für Staatshaushalt</h3>Die Europäische Zentralbank (EZB) hat vergangene Woche die Leitzinsen erhöht. Dazu kommt noch die Entscheidung, dass die von der EZB im großen Stil angekauften Staatsanleihen bei Fälligkeit nur mehr teilweise zum Kauf neuer Anleihen verwendet verwendet werden sollen. Für Italien bedeutet das, dass man für den Kauf neuer Anleihen verstärkt auf die internationalen Anleger setzen muss. Noch hat sich diese Entwicklung nicht nachteilig bemerkbar gemacht, doch es ist anzunehmen, dass Italien für die neu begebenen Staatsanleihen bald höhere Renditen wird bieten müssen.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="827945_image" /></div> <BR /><BR />Dabei kommt auch der Kreditwürdigkeitsbewertung des italienischen Staates durch die Ratingagenturen (Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch) große Bedeutung zu. Eine übertriebene Steigerung der Staatsverschuldung könnte sogar dazu führen, dass die Bewertung von der Investmentqualität auf das Niveau von Spekulationsanleihen abrutschen könnte. Das würde dann zu sehr gefährlichen Kursverlusten der italienischen Anleihen und so zu einem empfindlichen Anstieg der Renditen führen. Für Italien wäre dann wohl eine Rettung durch die EZB erforderlich, die jedoch an strenge Auflagen geknüpft wäre.<BR /><BR /> Die Regierung muss deshalb sehr vorsichtig sein und das Defizit im kommenden Jahr in zumutbaren Grenzen halten.<BR /><BR />