<b>Herr Moser, Sie gehen in die zweite Amtszeit. Was ist Ihr wichtigstes Ziel?</b><BR />Philipp Moser: Auf Verbandsebene stehen wir sehr gut da, wir wollen uns aber weiter profilieren und auch unsere neue Direktorin Sabine Mayr wird ihre neuen Spuren hinterlassen. Großes Thema ist unter anderem die Stadt- und Ortsentwicklung, ein Bereich, den wir weiter ausbauen werden – immer mit dem Ziel, dass unsere Orte weiter attraktiv für Einheimische und Gäste bleiben. Auch, was die gesetzlichen Regelungen angeht – Stichwort Handelsgesetz, Nahversorgung, Urbanistik –, wurde in den vergangenen Jahren einiges umgesetzt, sodass wir gut aufgestellt sind. Aber aus politischer Sicht sind einige Dinge noch offen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="895346_image" /></div> <BR /><b>Die wären?</b><BR />Moser: Das größte Thema ist: Die Politik ist nicht immer verbindlich. Man schaue sich das Beispiel Twenty an. Es kann nicht sein, dass nach 10 Jahren noch immer keine Rechtssicherheit herrscht. Aber auch bei kleineren Dingen zeigt sich immer wieder, dass es sich oft um eine Politik der Versprechungen handelt. Das andere große Thema ist, dass wir eine schnelle und effiziente öffentliche Verwaltung brauchen. Der Vergabemechanismus bei öffentlichen Aufträgen ist ein Horror. Viele unserer Mitglieder nehmen gar nicht mehr an Ausschreibungen teil, weil das derart aufwändig ist. Wir bräuchten eigentlich einen eigenen Landesrat oder eine Landesrätin, der für Vereinfachungen zuständig ist.<BR /><BR /><b>Die Bürokratie ist doch ein Dauerthema, geht da wirklich nichts weiter?</b><BR />Moser: Alle reden nur darüber, aber niemand tut etwas. Und in der Zwischenzeit nimmt die Bürokratie immer weiter zu. Dabei hat der Südtiroler Wirtschaftsring in Vergangenheit schon viele Vorschläge zum Bürokratieabbau vorgelegt, einige kleine wurden umgesetzt, aber das Thema wurde nie wirklich mit Engagement angegangen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-59536813_quote" /><BR /><BR /><b>Heuer im Herbst wird gewählt: Wahlzeiten sind gute Zeiten für Wünsche und Forderungen. Was würden Sie sich sonst noch von der Politik wünschen?</b><BR />Moser: Dass die Politik die Unternehmer wertschätzt und anerkennt, was sie leisten. Es scheint mittlerweile Mode geworden zu sein, Lobbyverbände beziehungsweise die Wirtschaft als uncool bei Seite zu schieben. Wir werden auch gar nicht involviert. Aber wenn heute – nur um ein Beispiel zu nennen – in puncto Nachhaltigkeit maßgeblich das Engagement der Wirtschaft gefragt ist und entsprechende Maßnahmen von ihr gefordert werden, dann muss sie auch bei deren Ausarbeitung dabei sein. <BR /><BR /><b>Würden Sie also sagen, die Landesregierung ist unternehmerfeindlich?</b><BR />Moser: Bei manchen Maßnahmen fühlen wir uns als Wirtschaft nicht gut aufgehoben, die werden von oben aufgedrückt – und Schluss. Die Politik meint offensichtlich, dass es besser sei, nicht zu viel auf die Unternehmer zu hören, um nicht dem Vorwurf des Lobbyismus ausgesetzt zu sein.<BR /><BR /><embed id="dtext86-59536815_quote" /><BR /><BR /><b>Lassen Sie uns über ein weiteres drängendes Problem der Wirtschaft reden, den Arbeitskräftemangel. Lösungsvorschläge?</b><BR />Moser: Auch da muss die Politik tätig werden. Wir haben heute in Südtirol rund 14.000 Arbeitslose, von denen weit über die Hälfte arbeiten gehen könnten, es aber nicht tun, weil es auch angenehm ist, Arbeitslosengeld zu beziehen. Das kann es nicht sein. Zudem müsste man Menschen, die vor der Pension stehen oder schon in Pension sind, und die gerne arbeiten würden, die Möglichkeit dazu geben, ohne sie steuerlich zu bestrafen. Und drittens müsste man Frauen, den „zweiten“ Einstieg in der Arbeitswelt, also nach Abschluss der Familienplanung, erleichtern und sie dabei unterstützen, sowohl steuerlich und finanziell.<BR /><BR /><b>Gerade in diesem Punkt werden aber auch die Betriebe sich bewegen müssen – Stichwort flexible Arbeitszeiten, oder nicht?</b><BR />Moser: Auf jeden Fall. Nicht nur, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht, sondern auch was das ganze Thema Arbeitskräftemangel anbelangt, sind auch wir Unternehmer gefragt. Wir müssen einerseits schauen, den eigenen Betrieb so attraktiv wie möglich für Arbeitnehmer zu machen. Dazu gehören Lohnerhöhungen, aber nicht nur, es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, zum Beispiel „Fringe Benefits“, Teamevents usw. Und andererseits müssen wir in Digitalisierung investieren. Wir müssen versuchen, so viel wie möglich zu digitalisieren, um so Manpower frei zu bekommen, die man für die Kunden einsetzen kann. Natürlich geht das nicht in jeder Branche gleich gut, aber wo es geht, sollte man es tun. <BR /><BR /><embed id="dtext86-59536814_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Sie haben ein gutes Stichwort geliefert: Lohnerhöhungen. Die Gewerkschaften sagen, da geht bei den Südtiroler Wirtschaftsverbänden – auch beim hds – gar nichts weiter. Jetzt sagen Sie, es braucht Lohnerhöhungen? </b><BR />Moser: Ich bin ein großer Befürworter von höheren Gehältern. Denn damit wir international wettbewerbsfähig bleiben, müssen wir unsere Gehälter, die zurzeit tendenziell unter jenen der Nachbarländer liegen, anheben. Deshalb sage ich: Das ist ein großes Thema und ja, es braucht Lohnerhöhungen – <a href="https://www.stol.it/artikel/wirtschaft/gewerkschaften-fordern-hoehere-loehne-kundgebung-in-bozen-geplant" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">aber nicht auf dem Weg, den die Gewerkschaften fordern</a>. Lohnerhöhungen muss man individuell vereinbaren, aber flächendeckend funktionieren sie nicht. Ich kann nicht alle Sektoren in einen Topf werfen.<BR /><BR /><b>Warum nicht? Die Rekord-Inflation spüren ja auch flächendeckend alle…</b><BR />Moser: Wir führen zurzeit ja bereits mit den Fachgewerkschaften in unserem Sektor Kollektivvertragsverhandlungen in Rom. Die werden heuer abgeschlossen. Danach werden wir uns sofort mit den Fachgewerkschaften in Südtirol zusammensetzen und einen Zusatzvertrag auf lokaler Ebene aushandeln. Und klarerweise werden angemessene Lohnanpassungen gemacht. Aber ich kann nicht parallel in Rom und in Südtirol verhandeln.<BR /><BR /><b>Das ist ja schön und gut, aber eine Verkäuferin spürt die Preissteigerungen seit Monaten. Verstehen Sie, dass sie nicht noch 2 Jahre warten kann, bis die Verträge alle unter Dach und Fach sind?</b><BR />Moser: Zum einen dauert das nicht 2 Jahre, weil der gesamtstaatliche Kollektivvertrag nach Abschluss sofort gültig ist – und somit auch die Lohnerhöhung. Wir stocken dann nur auf. Und zweitens: Die Verkäuferin, die so argumentiert, wird von ihrem Chef eine Gehaltserhöhung fordern. Und wenn er sie nicht gewähren will, dann geht sie einfach zum Nachbargeschäft, weil dort bekommt sie mehr Geld.<BR /><BR /><b>Zum Schuss eine persönliche Frage: Haben Sie eigentlich auch selbst mal an eine politische Karriere gedacht?</b><BR />Moser: Nein. Die Verbandsarbeit ist eine wunderschöne Arbeit. Wir haben ein starkes Team, man kann viel gestalten. Zudem habe ich noch meinen Betrieb und die Familie. In der Politik müsste man die Verbandsarbeit aufgeben, die Arbeit im Betrieb wahrscheinlich auch oder sich zumindest anders aufstellen – und das möchte ich nicht. Zudem ist es um die Attraktivität der Politik schlecht bestellt.