Gestern Abend sprach Manfred Pinzger beim HGV-Jahresempfang, der früheren Landesversammlung, auf Schloss Freudenstein über die Aufgaben für Tourismus und Politik, ungerechtfertigte Kritik und ambitionierte Ziele. <b><BR /><BR />Herr Pinzger, die Sommersaison war auch heuer wieder ein voller Erfolg. Schön für die Hoteliers, in manchen Gegenden mit viel Tourismus aber auch eine Belastungsprobe für die Einheimischen – Stichwort: Verkehr. Ist das dem HGV auch bewusst?</b><BR />Manfred Pinzger: Wie schon mehrmals betont: Man kann sicher nicht dem Tourismus allein die Schuld zuschieben. Wir sind uns bewusst, dass durch den Tourismus Verkehr entsteht, aber zum einen sind wir nun mal ein Durchzugsland und zum anderen produzieren wir alle selbst mehr Verkehr als in Vergangenheit – auch aufgrund der wirtschaftliche Entwicklung. Jedoch ist die Infrastruktur immer dieselbe. Da ist der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den vergangenen 30 Jahren zu wenig Rechnung getragen worden.<BR /><BR /><b>Sehen wir mal davon ab, einen Schuldigen zu suchen: Welchen Beitrag kann der Tourismus heute leisten, um die Belastung zu reduzieren? Und welchen die Politik?</b><BR />Pinzger: Als Urlaubsland haben wir bisher viele Anstrengungen unternommen, unsere Gäste für eine Anreise mit dem Zug und dem Fernbus zu motivieren. Wir haben in Südtirol mit Partnern einen Shuttle vom Zugbahnhof zum Urlaubsquartier aufgebaut. Wir haben vor Ort die öffentlichen Verkehrsmittel gestärkt. Wir haben die Gäste animiert, im Urlaub sich mit den Öffis fortzubewegen. Doch das Wichtigste ist ein funktionierendes System. Schauen wir in die Schweiz: Dort sind die öffentlichen Verkehrsmittel alle perfekt auf die Minute genau getaktet. Wir in Südtirol haben zwar ein breites Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln, aber so gut wie in der Schweiz funktionieren sie lange nicht, da sind wir Lichtjahre davon entfernt. Mittlerweile haben wir auch ein gutes Gästeaufkommen aus der Schweiz, doch von einer Zugverbindung von der Schweiz nach Südtirol reden wir seit bald 30 Jahren, ohne dass etwas weiter geht. Es wird nur geredet und geredet und geredet. Wenn man aber von Zürich bis Meran in knapp 3 Stunden anreisen könnte, wäre das doch eine super Geschichte. Auch was die Durchbuchbarkeit von Zugtickets angeht, gäbe es noch zu tun. Ein Ticket von Hamburg bis Bozen durchzubuchen, ist nicht einfach, das sind immer noch 3 Gesellschaften. Da ist auch die Politik gefordert. <BR /><BR /><b>Stichwort Öffis: Harte Diskussionen gab es kürzlich um die geplante neue landesweite Gästekarte, die die heutigen 17 verschiedenen Gästekarten ersetzen soll. Die Kritik: Die Gäste würden gratis fahren, während die Einheimischen zahlen...</b><BR />Pinzger: Da haben einige die Tatsachen verdreht. Ich zum Beispiel zahle heute freiwillig als Betrieb für die Vinschgau-Card 90 Cent pro Nächtigung, im Jahr rund 15.000 Euro. Wenn ich meinen Gästen die Zugtickets zum normalen Preis zahlen würde, würde ich mir 14.000 Euro sparen. Denn ich zahle ja für alle Gäste ein, aber nur ein kleiner Teil nutzt das Angebot. Fakt ist, dass mit der neuen Gästekarte wesentlich mehr Geld in die öffentlichen Kassen fließen wird, als effektiv verfahren wird. Das ist heute schon so und morgen dann noch mehr, weil dann ja nicht mehr – so wie es heute der Fall ist – der einzelnen Betrieb entscheidet, ob er die Mobilitätskarte kauft, sondern der jeweilige Tourismusverein beschließt, ob er – und mit ihm alle Betriebe im Ort – der Guest Card beitritt. Ich hoffe, dass die Gesellschaft versteht, dass wir da einen finanziellen Mehrwert leisten.<BR /><BR /><b>Wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, geht es nicht nur um den Verkehr, sondern auch um andere Aspekte, etwa den Verbrauch von Wasser, Energie usw. Sie sagen selber, „das Ziel, uns stärker ressourcenschonend und enkeltauglich auszurichten, müssen wir noch beherzter angehen – auf allen Ebenen“. Was könnte man konkret tun?</b><BR />Pinzger: Insgesamt haben wir nicht schlechte Voraussetzungen. Denken wir zum Beispiel an die regionalen Produkte, die heute eine extrem große Rolle spielen – vom Wein bis zum Gemüse. Das müssen wir noch verstärken und ausbauen. Auch beim Energieverbrauch kann man noch etwas tun. Sicher ist es nicht einfach, das Angebot zu reduzieren und nur 2 statt 3 Saunen einzuschalten, denn der Gast fordert ja ein gewisses Angebot, schließlich zahlt er dafür. Dennoch haben wir da noch ziemlich viel Luft nach oben. Und Nachhaltigkeit ist ein Trend, den wir frühzeitig mitnehmen müssen, um als Urlaubsregion nicht ins Hintertreffen zu geraten. Das machen wir zum einen im Schulterschluss mit der IDM, mit der wir ein Konzept entwickelt haben, wie auf Destinationsebene ein nachhaltiges Wirtschaften umgesetzt werden soll, zum anderen bieten wir als HGV den Betrieben ein entsprechendes Paket an, wie sie sich da besser aufstellen können. Denn der Klimawandel und die schwindenden natürlichen Ressourcen lassen sich nicht wegdiskutieren. Der respektvolle Umgang mit Natur, Umwelt und Lebensmitteln ist das Gebot der Stunde, wenn wir weiterhin einen lebenswerten Planeten haben und zugleich eine attraktive Urlaubsdestination bleiben wollen.<BR /><BR /><b>Wird Nachhaltigkeit wirklich ein Entscheidungskriterium für Gäste sein?</b><BR />Pinzger: Nicht nur aber auch. Das Angebot des Hauses wird immer ausschlaggebend sein, aber dass mehr Gewicht auf eine nachhaltige Destination gelegt wird und dass ein in diesem Bereich zertifizierter Betrieb bestimmte Vorteile gegenüber anderen hat, das wird kommen.<BR /><BR /><b>Auch der Südtiroler Klimaplan gibt in puncto Nachhaltigkeit Ziele für den Tourismus vor. So soll unter anderem, der Energieverbrauch im Gastgewerbe bis 2037 um 35 Prozent gesenkt werden und der Stromverbrauch im Gastgewerbe soll im Jahresschnitt zu 70 Prozent aus eigener Produktion gedeckt werden. Ist das machbar?</b><BR />Pinzger: Das sind sehr ambitionierte Ziele. Die erreichen wir nur, wenn alle Kräfte zusammenspielen. Wir sind auf Schiene, weil wir verstehen, dass diese Aspekte mitentscheidend für eine Buchung sind, doch das ist ein gesamtgesellschaftliches Thema. Ich glaube, dass dabei alle Verbände, auch die Sozial- und nicht nur die Wirtschaftsverbände, noch Sensibilisierungsarbeit leisten müssen, um die Leute mitzunehmen. Momentan haben die Menschen – verständlicherweise – andere Sorgen, da hat Nachhaltigkeit nicht höchste Priorität. Wir hoffen dass wir aus dieser vor allem für Familien schwierigen wirtschaftlichen Situation bald herauskommen, um konkrete Klimaziele umsetzen zu können. <BR /><BR /><b>Lange Diskussionen gab es über das Landestourismusentwicklungskonzept (LTEK). Der HGV hat immer betont grundsätzlich dahinter zu stehen, aber ganz glücklich sind Sie nicht damit... </b><BR />Pinzger: 2018 hat eine repräsentative Umfrage bei unseren Mitgliedern ergeben, dass die große Mehrheit dafür ist, bei touristischen Neubauten im Land eher die Handbremse anzuziehen. Deshalb haben wir uns dafür ausgesprochen, und das ist auch im Entwicklungskonzept so festgeschrieben. Wir haben aber auch gesagt, dass wir Entwicklungsmöglichkeiten für die bestehenden Betriebe brauchen – und da wurden wir ziemlich eingeschränkt. Damit sind wir nicht einverstanden. Denn der jungen Generation, die einen Betrieb übernimmt, muss man auch Entwicklungen zugestehen. Deshalb kommt es jetzt darauf an, wie gut die Bettenbörse in der Praxis funktioniert. Wenn sie nicht funktioniert, wird man in absehbarer Zeit eine Korrektur machen müssen. Gleichzeitig ist für uns auch klar: Wenn man der quantitativen Erweiterung einen Riegel vorgeschoben hat und wenn man zunehmend auf Qualität setzen will, dann ist es eine Grundvoraussetzung, dass man bei der qualitativen Erweiterung Spielraum zulässt. <BR /><BR /><b>Nächstes heißes Eisen: die Ortstaxe. Sie sollte laut einem Plan stärker der IDM zugute kommen, weniger den Tourismusvereinen. Was sagen Sie dazu?</b><BR />Pinzger: Wir bringen heute 8 bis 9 Millionen Euro über die Ortstaxe bei der IDM ein. Wenn das in Zukunft mehr werden soll, weil die Ortstaxe eventuell erhöht wird, dann sind wir gesprächsbereit – unter der Voraussetzung, dass den Tourismusvereinen nichts genommen wird. Die Gelder, die über die Ortstaxe eingenommen werden, sollen weiterhin für den Tourismus reserviert werden, auch wenn es Anfragen von den verschiedensten Seiten gibt. Und wenn auf Ortsebene ein Tourismusverein dann entscheidet, dass er sich an den Kosten des Hallenbades beteiligen will, dann soll es so sein, aber dafür brauchen wir keine gesetzliche Regelung. <BR /><BR /><b>Ein Thema, das die Wirtschaft belastet, sind die Energiekosten. Einige Betriebe werden sich überlegen, ob sie in diesem Winter öffnen oder nicht. Ihre Prognose? </b><BR />Pinzger: Für Weihnachten und Silvester ist die Buchungssituation gut. Danach kommt das sogenannte Jännerloch. Ich bin überzeugt, dass die Topdestinationen aber auch Top-Betriebe in den peripheren Lage auch dann gut gebucht sein werden, sollte nichts Unvorhergesehenes passieren. Einfache Betriebe in peripheren Lagen werden sich jedoch im Jänner schwer tun, die Häuser zu füllen. Und wegen der exorbitanten Energie- und Lebensmittelkosten überlegen sich viele, den Betrieb dann zeitweilig zu schließen. Das ist natürlich insgesamt sehr negativ für die Destination. Denn wir leben ja von der Belebung und dem Leben im Dorf – und der Vielfalt. Wenn Betriebe geschlossen sind, ist das bedenklich.<BR />