Wie der Verband den Fahrermangel in den Griff bekommen will, weshalb der Bahntransport noch unattraktiver geworden ist und welche Hoffnungen Baumgartner in Matteo Salvini setzt, sagt er im Interview. <BR /><BR /><b>Herr Baumgartner, mit dem Ende ihrer Amtszeit als Anita-Präsident geht für Sie ein Lebensabschnitt zu Ende. Ist die Bilanz Ihrer Jahre an der Verbandsspitze positiv?</b><BR />Thomas Baumgartner: Ich finde schon. Ich habe mich in diesen Jahren stark bemüht, einen Sektor, der auf viele tausend kleine Unternehmen aufgesplittert ist, angemessen zu vertreten und verschiedene Interessen unter einen Hut zu bekommen. Der Transport- und Logistikbereich in Italien generiert einen Anteil von 9 Prozent am Bruttoinlandsprodukt, doch er wird von der Industrie und dem Handel oft als reiner Kostenfaktor und nicht als Mehrwert betrachtet. Dabei ist eine gut funktionierende und professionelle Logistikbranche von wesentlicher Bedeutung, vor allem in einem stark exportierenden Land wie Italien. Zum Glück hat sich die Wahrnehmung in den vergangenen Jahren geändert und man begreift immer mehr, dass eine effiziente Logistik von wesentlicher Bedeutung ist.<BR /><BR /><embed id="dtext86-59590621_quote" /><BR /><BR /><b>Sie haben viel Lobbying in Rom betrieben, was haben Sie dabei erreicht?</b><BR />Baumgartner: Wir haben uns in vielen Bereichen eingesetzt: für die Erneuerung der generell veralteten Lkw-Flotten, um dadurch mehr Sicherheit und eine geringere Umweltbelastung zu erreichen, für Maßnahmen zur Abfederung der hohen Energiekosten, für Anpassungen der Straßenverkehrsordnung an die technologischen Entwicklungen und wir haben uns vor allem um die Motorisierungsstellen gekümmert, in denen wir unsere Lkw jährlich prüfen lassen und die in Italien im Gegensatz zu Deutschland in öffentlicher Hand sind. In Südtirol funktioniert die Motorisierung gut, weil wir eine Autonomie haben. In anderen Regionen ist es nicht so und es gibt Fälle, in denen man bis zu 10 Monate auf die Jahresprüfung warten muss. Die Gefahr ist, dass Lkw ohne Revision unterwegs sind.<BR /><BR /><b>In Sachen Brenner-Transit scheint sich hingegen wenig getan zu haben. Das Problem ist immer noch ein Zankapfel zwischen Rom und Wien...</b><BR />Baumgartner: Die Nordtiroler Verbote verstoßen gegen die europäischen Regeln, da muss die EU tätig werden. Es darf nicht sein, dass wir in einem europäischen Verbund leben und die Regeln nicht respektiert werden. Verkehrsminister Matteo Salvini macht sich jetzt sehr für die Sache stark. Er hat angekündigt, dass er sich im Juni mit seinem deutschen Amtskollegen Volker Wissing für ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einsetzen wird. Es ist wichtig, dass Österreich die Transitverbote zurücknimmt, damit eine gemeinsame Lösung für umweltschonende Maßnahmen gesucht werden kann.<BR /><BR /><b>Meinen Sie, dass Salvini etwas erreichen wird?<BR /></b>Baumgartner: Ich hoffe schon. Über das Thema hat Premierministerin Giorgia Meloni kürzlich bei ihrem Treffen mit dem österreichischen Kanzler Karl Nehammer in Rom gesprochen, die Frage wird also auf oberster Ebene diskutiert. Italien ist sich der Wichtigkeit des Handelsaustausches bewusst, denn das Land exportiert 60 Prozent seiner Waren nach Mittel- und Nordeuropa. Es darf nicht sein, dass einige europäische Normen geachtet und andere missachtet werden.<BR /><BR /><embed id="dtext86-59590625_quote" /><BR /><BR /><b>Ein anderes wichtiges Thema sind die Personalprobleme, mit denen der Logistik- und Transportsektor konfrontiert ist ...</b><BR />Baumgartner: Durch die EU-Erweiterung sind in den vergangenen Jahren viele Fahrer aus dem Osten gekommen, was die Bezahlung gedrückt hat. Außerdem haben viele ein falsches Bild vom Beruf des Fernfahrers und halten ihn für gefährlich. Dabei belegen Statistiken, dass Unfälle, in denen Lkw involviert sind, weniger häufig vorkommen als Unfälle mit Pkw.<BR /><BR /><b>Warum ist für Jugendliche der Fernfahrer-Beruf weniger attraktiv geworden?</b><BR />Baumgartner: Nach einer europäischen Gesetzesänderung von 2015 muss jeder Fernfahrer für eine Qualifizierung 480 Stunden Schulung absolvieren. Der Lkw-Führerschein kostet zwischen 5000 und 6000 Euro und man erhält ihn erst mit 21 Jahren. Viele Jugendliche haben in diesem Alter bereits einen Job und wollen nicht die Stelle wechseln. Vor der Gesetzesänderung wurden jährlich 60.000 Lkw-Führerscheine pro Jahr ausgestellt, im vergangenen Jahr waren es nur 17.000. Viele Fernfahrer gehen in Pension und es fehlen inzwischen 80.000 Fahrer. Hinzu kommt, dass wegen des Krieges viele ukrainische Fernfahrer ausgefallen sind. Die Nachfrage nach Fahrern ist groß, jede Firma ist froh, wenn sie einen Fahrer mehr bekommt.<BR /><BR /><b>Was kann man dagegen unternehmen?</b><BR />Baumgartner: Wir setzen uns für eine Erleichterung der Eignungsprüfung mit weniger Bürokratie und mehr E-Learning ein. Außerdem fordern wir, dass das Mindestalter für die Prüfung gesenkt wird. Wir haben Beihilfe vom Verkehrsministerium für die Senkung der Kosten des Führerscheines erhalten.<BR /><BR /><b>Wie ändert der zunehmende Onlinehandel die Logistik?</b><BR />Baumgartner: Man liefert jetzt in jedes Dorf, die Größe der Sendungen ist gesunken und es wird immer mehr in diese Richtung gehen. Der Logistiksektor ist resilient und passt sich an. Klar ist, dass der Eisenbahntransport noch unattraktiver geworden ist. Die Bahn ist ein Massentransportmittel und funktioniert als Verbindung zwischen großen Wirtschaftszentren mit hohem Sendungsvolumen, nicht aber für Kleinsendungen in der Peripherie oder im Stadtbereich.<BR /><BR /><b>Sie verfolgen die europäische Debatte in Sachen Verbrennungsmotoren. Welche Entwicklungen bahnen sich für den Transportsektor an?</b><BR />Baumgartner: Die Batterietechnik ist für Lkw nicht geeignet. Das Gewicht der Batteriepakete kann bis zu 10 Tonnen erreichen, damit verringert sich das Ladegewicht des Lkw. Die Reichweite der Batterie beträgt außerdem nur 400 Kilometer gegenüber den bis zu 1200 Kilometern eines Dieselmotors. Auch die Wasserstoff-Technologie ist noch nicht ausgereift. Wir müssen uns daher für die Dekarbonisierung bei Lkw mit thermischen Motoren einsetzen, das geht mit Biomethan und E-Fuels. Damit kann man die CO2-Emission verringern.<BR />