Mitgründer und Pur-Südtirol-Geschäftsführer Günther Hölzl spricht im Interview über Wachstum, Herkunftsangaben, Online-Marktplätze und die Suche nach Exzellenz. <BR /><BR /><b>Herr Hölzl: Wenn Sie hören, dass das Gastgewerbe verpflichtet werden soll, die Herkunft der Produkte in der Speisekarte anzugeben, was geht Ihnen da durch den Kopf?</b><BR />Günther Hölzl: Ich muss ehrlich sagen, dass ich nichts davon halte, den Betrieben von oben herab etwas diktieren zu wollen. Neben dem bürokratischen Aufwand, der mit der Kennzeichnung verbunden wäre, würde eine solche Maßnahme nicht dazu führen, dass die Begeisterung für lokale Produkte gesteigert wird. Im Gegenteil: Es wird eine Abwehrhaltung erzeugt. Zudem geht eine verpflichtende Herkunftsangabe an der Realität der Betriebe vorbei. Zunächst einmal sollte man gemeinsam mit Akteuren am Markt, etwa mit der Hogast, schauen, was und welche Mengen es an lokalen Produkten gibt und wie es mit der Verfügbarkeit im Jahresverlauf aussieht. Dann kann man gemeinsam schauen, wie sich der Einsatz von lokalen Produkten in der Gastronomie und Hotellerie verbessern bzw. steigern ließe. Wobei ich schon auch sagen muss, dass man die Betriebe nicht unterschätzen sollte: Sehr viele wissen sehr wohl, dass es einen Mehrwert bedeutet, wenn man dem Gast erklären kann, woher etwas kommt. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="874214_image" /></div> <BR /><BR /><b>Sie leben mit den Pur-Märkten ja vom selbst auferlegten Herkunftsversprechen.</b><BR />Hölzl: Richtig. Wir sind im Jahr 2009 mit der Idee gestartet, Südtiroler Produkten eine Plattform zu bieten. Damals gab es zwar schon gute heimische Produkte, aber sie waren vielfach kaum bekannt. Das wollten wir ändern, indem wir Märkte entwickeln, in denen wir lokale Produkte nicht nur verkaufen, sondern auch über ein gastronomisches Angebot erlebbar machen, sie ansprechend präsentieren, einschließlich einer zeitgemäßen Kommunikation. Viele haben gedacht, dass wir kaum 6 Monate überleben würden mit ausschließlich heimischen Produkten, doch es hat eigentlich von Beginn an gut funktioniert. Heute gibt es 5 Pur-Südtirol-Märkte, die sich allesamt etabliert haben. <BR /><BR /><b>Bei der Auswahl und Vielfalt der Produkte dürfte sich sehr viel getan haben in den letzten 14 Jahren…</b><BR />Hölzl: Zweifellos. Am Anfang hatten wir große Mühe, die Geschäftsfläche in Meran zu füllen; wir sind mit 400 Produkten gestartet. Mittlerweile sind es an die 2700 verschiedene in den Geschäften plus 500 weitere saisonale frische Artikel. Wir beziehen lokale Produkte von über 500 Herstellern aus Südtirol, wobei wir im Gegensatz zu früher tatsächlich die Qual der Wahl haben: Fast wöchentlich bekommen wir Anfragen von Produzenten, die mit ihren Erzeugnissen ins Sortiment aufgenommen werden wollen. Wir haben sehr klar definierte Auswahlkriterien für neue Produkte und aufgrund dieser, werden spannende Produkte auch regelmäßig neu aufgenommen. Insgesamt kann man schon sagen, dass sich die Vielfalt bei den lokalen Produkten in den letzten Jahren enorm vergrößert hat. <BR /><BR /><b>Woran liegt das – am „Pur-Südtirol-Effekt“ oder daran, dass sich viele Produzenten dadurch eine höhere Wertschöpfung erhoffen?</b><BR /> Hölzl: Da spielen sicher mehrere Faktoren mit. Ein wichtiger ist, dass es in vielen landwirtschaftlichen Betrieben einen Generationswechsel gegeben hat. Daneben gibt es einige junge Produzenten, auch Quereinsteiger, die selbst etwas auf die Beine stellen wollen, ambitioniert und leidenschaftlich sind und Wert auf eine hohe Qualität legen, dazu zählt auch der Nachhaltigkeitsaspekt. Ein weiterer Punkt ist, dass immer mehr Bauern verstanden haben, dass es sinnvoll ist, sich mehrere Standbeine aufzubauen. Diese Bemühungen auf Produzentenseite treffen auf eine steigende Zahl an Konsumenten, die das auch zu schätzen wissen. Dass das so ist, hat möglicherweise auch mit unseren Märkten zu tun. <BR /><BR /><b>Dennoch dürften auch Sie in den vergangenen Monaten mit Energiekrise und Co. harte Preisverhandlungen mit den Produzenten geführt haben, oder?</b><BR />Hölzl: Die hat es gegeben, ohne Frage, die waren aber auch wichtig. Auch wenn wir uns im Premium-Segment bewegen, heißt das nicht, dass wir die Preise beliebig nach oben hin anpassen können. Das wollen wir auch gar nicht, schließlich sind wir kein Feinkostladen. Der typische Pur-Käufer kauft regelmäßig den Wochenbedarf an hochwertigen regionalen Lebensmitteln bei uns ein und ihm ist auch ein gutes Preis-Leistungsverhältnis wichtig. <BR /><BR /><b><BR />Worum ging es in den Gesprächen?</b><BR />Hölzl: Es gibt einen laufenden, konstruktiven Austausch mit vielen Produzenten. Was wir häufig zu vermitteln versuchen, ist: Wenn ein Kleinstproduzent ein herausragendes Produkt herstellt, kann er dafür einen entsprechenden Preis aufrufen. Handelt es sich um einen Kleinstproduzenten, der gut, aber nicht herausragend produziert, muss auch er daran arbeiten, die Kosten besser in den Griff zu bekommen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Entweder, indem er Prozesse verbessert bzw. die Produktion ausbaut oder sich mit einem anderen Produzenten zusammentut. <BR /><BR /><b>Wie stark ist Südtirols Lebensmittelproduktion, wenn es um herausragende Erzeugnisse geht?</b><BR />Hölzl: Es gibt verschiedene Bereiche, in denen wir Exzellenz produzieren; im Käsebereich könnte ich einzelne kleine Sennereien nennen, auch im Weinbereich gibt es positive Beispiele. Es könnten insgesamt aber deutlich mehr sein. Die allermeisten Erzeugnisse am Markt sind durch die Bank von einer guten bis sehr guten Qualität, aber seltener wirklich herausragend. Auch wenn die Schweiz nur bedingt mit Südtirol vergleichbar ist, können wir in Sachen Exzellenz-Produktion noch einiges dazulernen, in der Spitze also noch zulegen. Dort wird viel mehr darauf geachtet, sich auf etwas zu spezialisieren und das dann so außergewöhnlich und unverkennbar gut zu machen, wie es kaum ein anderer hinbekommt. Für ein Land oder eine Region ist es wichtig, dass es solche Produzenten gibt, da sie anderen zum Vorbild dienen. <BR /><BR /><b>Woran liegt es, dass in Südtirol hie und da die Exzellenz fehlt?</b><BR />Hölzl: Ein wichtiger Grund ist sicher der Tourismus. Einerseits ist es gut, dass wir so viele Touristen haben, die Wertschöpfung ins Land bringen und die lokalen Produkte kaufen und konsumieren. Andererseits geht dadurch ein Stück weit die Bereitschaft bei einigen Produzenten verloren, in der Qualitätspyramide ganz nach oben wandern zu wollen. Weil eben auch ein gutes bis sehr gutes Produkt genügend Abnehmer findet.<BR /><BR /><b>Touristen dürften auch eine wichtige Kundengruppe in den Geschäften sein…</b><BR />Hölzl: Natürlich, noch wichtiger ist sie für unsere 6. „Filiale“, den Onlineshop. Der wird zum überwiegenden Teil von Gästen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien besucht. Wöchentlich gehen zu Spitzenzeiten bis zu 2000 Bestellungen ein. <BR /><BR /><b> Sie haben also bereits einen Online-Marktplatz für Südtiroler Produkte erschaffen. Bestimmt haben Sie mitbekommen, dass es Pläne gibt, einen Südtirol Marketplace auf die Beine zu stellen, in dem touristische Angebote, der Handel usw. unter einem Dach gebündelt werden sollen. Wie finden Sie das?</b><BR />Hölzl: Vorausgeschickt, dass ich die Details des Projekts nicht kenne, kann ich nur sagen, dass die Idee zwar gut klingt, es aber sehr aufwändig ist, ein E-Commerce-Projekt einer gewissen Größenordnung zum Laufen zu bringen. Wir haben unseren Shop 2012 eröffnet, also vor 11 Jahren. Seit einiger Zeit können wir ihn etwas mehr als kostendeckend betreiben. Die Anforderungen vor allem im Bereich der IT und Logistik sind enorm, zugleich verzeihen Konsumenten wenig bis gar nichts. Ebenso ist sehr viel Aufbauarbeit nötig, um auffindbar zu sein bzw. so begehrenswert, dass man auch gefunden werden will. <BR /><BR /><b>Wäre der Marketplace nicht eine Konkurrenz für Sie?</b><BR />Hölzl: Nein. Alles, was dazu beitragen kann, dass Südtiroler Produkte eine weitere Vitrine erhalten, sehe ich grundsätzlich positiv. <BR /><BR /><b>Was viele nicht wissen, ist, dass zu Purnamh mehr gehört als „nur“ die Pur-Südtirol-Märkte und der Online-Shop. Klären Sie uns auf.</b><BR />Hölzl: Wenn wir bei regionalen Produkten bleiben, zählt der Verbund Ah! Natur dazu, mit dem wir lokale Produkte von 50 Südtiroler Bauern und Manufakturen vermarkten. Sie landen nicht nur in den Regalen unserer Märkte, sondern auch bei vielen inhabergeführten Lebensmittelgeschäften in der Region. Daneben sind wir an verschiedenen Unternehmen beteiligt; an der Metzgerei Holzner in Lana, an der Seibstock Manufaktur in Martell, die vor allem Fruchtaufstriche herstellt, sowie an Pastalpina, einem Produzenten von Pasta und Brot aus alten Getreidesorten mit Sitz in Lana. <BR /><BR /><b>Immer schon dabei war das Weinfachgeschäft Meraner Weinhaus, zuletzt dazugekommen sind die bekannten Biofachgeschäfte von Naturalia in Meran und Bozen…</b><BR />Hölzl: Richtig. Auch Naturalia befindet sich seit Kurzem unter unserem Purnamh-Dach. Wir sind sehr froh mit dem Zukauf, weil das Biokonzept von Naturalia sehr gut zu uns passt. <BR /><BR /><b>Regional ist das Sortiment aber nicht…</b><BR />Hölzl: Bei 8500 Produkten, die Naturalia im Regal führt, wäre das auch nicht möglich. Man kann nicht ein Komplettsortiment an biologisch hergestellten Lebensmitteln nur mit regionalen Erzeugnissen bieten; das ist Stand heute nicht möglich. Unser Ziel ist es aber schon, den Anteil nach und nach auszubauen. Ebenso kann ich mir gut vorstellen, irgendwann auch ein gastronomisches Konzept in die Filialen zu integrieren – ähnlich wie bei den Pur-Südtirol-Märkten. Wir haben gesehen, dass dieses Erleben der Produkte über ein hauseigenes Speisenangebot sehr wichtig ist. <BR /><BR /><b>Wie viel setzt Purnamh im Jahr um?</b><BR />Hölzl: Der Umsatz beläuft sich auf über 20 Millionen Euro und wir beschäftigen an die 170 Mitarbeiter, davon viele auch in Teilzeit. Verglichen mit dem konventionellen Lebensmitteleinzelhandel sind das sehr bescheidene Zahlen, selbst wenn wir in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen sind. Dazu muss ich sagen, dass es nie unser Ziel war, möglichst groß und kapitalkräftig zu werden. Ginge es uns nur um unsere eigene Wertschöpfung, wären wir damals 2009 in unseren damaligen Jobs geblieben – ich hatte ein gut laufendes Weinfachgeschäft, mein Geschäftspartner Ulrich Wallnöfer war Geschäftsführer im Verkauf und Marketing bei der Firma Pedross in Latsch.<BR /><BR /><b>Worum geht es Ihnen in erster Linie?</b><BR />Hölzl: Ein wichtiger Grund, warum wir die Pur-Südtirol-Idee überhaupt verwirklicht haben, war, dass wir unseren Kindern irgendwann sagen wollten, dass wir etwas Sinnhaftes im Leben machen, mehr als nur Geld zu verdienen und uns selbst zu verwirklichen. Dieses Sinnhafte haben wir darin gefunden, hochwertige, fair und nachhaltig hergestellte Lebensmittel aus der Region anzubieten und damit auch einen gewissen Kulturwandel in Südtirol zu unterstützen. Diese Idee unterstreichen wir auch durch das Umsetzen der Gemeinwohlbilanz und -Ökonomie als ganzheitlich gelebtes Konzept der Nachhaltigkeit und das schon seit 2011.