Ab Ende März müssen viele Südtiroler, Unternehmen und Private, ihre Kredite wieder normal bedienen. Das pauschale Stundungsangebot der Banken gibt es nicht mehr, weshalb die Aussetzung von Raten zur reinen Verhandlungssache zwischen Kreditgebern und Schuldnern wird. Die Details. <BR /><BR /><BR /><BR /><i>Von Rainer Hilpold und Arnold Sorg</i><BR /><BR /><BR /><BR />Stundungen, also die Aussetzung von Kredit- und Darlehensraten, waren 2020 ein wichtiges Instrument der Wirtschaftshilfe für Unternehmen und Private, die durch die Folgen der Covid-19-Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten geraten waren. Konkret konnte die Rate bzw. in den allermeisten Fällen die Kapitalquote der Rate, die den Löwenanteil ausmacht, für 12 Monate ausgesetzt werden, wenn der Schuldner bis Corona seinen Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß nachgekommen war, man spricht dabei auch von Krediten „in bonis“. <BR /><BR /><BR />Banken, auch in Südtirol, gewährten betroffenen Kunden auf Basis von Stundungspaketen auf lokaler Ebene oder aufgrund entsprechender Abkommen der italienischen Bankenvereinigung ABI im Frühjahr 2020 Stundungen pauschal, ohne großen bürokratischen Aufwand und – was noch wichtiger ist – ohne negative Folgen für die Einstufung des Schuldners. Hintergrund waren entsprechende Leitlinien der europäischen Bankenaufsicht (EBA), die diese „Sonderbehandlung“ grundsätzlich ermöglichten, indem das Regelwerk für Risikoeinstufungen der Kreditnehmer aufgrund der Pandemie vorübergehend ausgesetzt wurde. <BR /><BR /><BR /><b>„EBA-Richtlinien lassen keine Spielräume“</b><BR /><BR /><BR />Dieser Zeitraum der nahezu folgenlosen Stundungen ist seit Herbst vorüber und dürfte „Überraschungen vorbehalten“, auch nicht verlängert werden, sagt Martin Seeber, Leiter des Bereichs Firmenkunden bei der Raiffeisen Landesbank Südtirol. Wer also mit Ende März 2020 seine Raten auf Eis gelegt hat, wird ab Ende März 2021 diesen Kredit wieder bedienen müssen. „Die EBA gibt den Banken da auch keine Spielräume für Pauschallösungen mehr“, sagt er. Alleingänge einzelner Staaten seien aus Gründen der Vergleichbarkeit und Harmonisierung im europäischen Bankenwesen auch nicht erlaubt. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-47882341_quote" /><BR /><BR /><BR />Was bedeutet das nun konkret für Schuldner, die auch jetzt noch außer Stande sind, ihre Kredite zu tilgen? „Im Prinzip sind nun wieder Einzelfallentscheidungen nötig. Das heißt, es erfolgt die Überprüfung der jeweiligen Situation und dann wird entschieden, ob ein weiterer Aufschub der Zahlungen gewährt werden kann oder nicht.“ Allerdings ist eine weitere Stundung dann nicht folgenlos. Ein Beispiel: „Stimmt die Bank einer Stundung im Ausmaß von weiteren 6 Monaten zu, braucht es in jedem Fall eine Neuverhandlung des Kreditvertrages.“ <BR /><BR /><BR />Im Zuge dessen könnte sich auch der Zinssatz ändern – in der Regel nicht zum Vorteil des Kunden. Wobei Seeber verspricht, nicht am Zinssatz schrauben zu wollen: „Da versuchen wir wirklich sehr umsichtig zu agieren.“ <BR /><BR /><BR />Wie bei jeder Stundung verlängert sich natürlich die Laufzeit und somit steigen auch die Kosten. Und nicht nur das: „Die Kreditposition verändert sich von einem so genannten performing loan (stage 1) zu einem under-performing loan (stage 2)“, so Seeber. Sie bleibe aber „in bonis“, sofern die Stundung zu einem Zeitpunkt genehmigt werde, in dem es noch keine Rückstände oder Überziehungen gebe.<BR /><BR /><BR /><b>Banken müssen höhere Rückstellungen bilden</b><BR /><BR /><BR />Eine weitere Stundung wirkt sich zum einen kurzfristig auf die Bank aus, die für diese Position entsprechende Rückstellungen bilden muss. Für den Kunden dürfte dies längerfristig zur Folge haben, dass er sich bei neuen Krediten in Zukunft schwerer tun könnte: „Das ist aber kein Automatismus. Wir werden auch da mit sehr viel Augenmaß vorgehen. Nur weil einer jetzt eine Stundungsverlängerung in Anspruch nimmt, muss das nicht zwangsläufig bedeuten, dass er in Zukunft keine Kredite mehr von uns bekommt.“ <BR /><BR /><BR />Erst bei Rückständen und Überziehungen, die den aufsichtsrechtlichen Zeitraum von 90 Tagen überschreiten, wird aus den Krediten ein wahrscheinlicher Zahlungsausfall (non performing loan – NPL – stage 3). <BR /><BR /><BR />Bei der Beurteilung, ob jemand eine weitere Aussetzung genehmigt bekommt, spielen aktuell mehrere Faktoren eine Rolle, betont Seeber: „Wir achten auf das wirtschaftliche Umfeld insgesamt und auf die spezifische Situation des Betriebs. Das heißt, es wird die provisorische Bilanz des Jahres 2020 analysiert und es werden verschiedene Szenarien für das laufende Jahr durchgespielt bzw. das ist in vielen Fällen bereits passiert. Wir haben die Betroffenen kontaktiert und mit ihnen nach Lösungen gesucht.“ <BR /><BR /><BR />Zusammengefasst: Weitere Stundungen werden nun nicht mehr pauschal gewährt, weil es die Regeln der europäischen Bankenaufsicht nicht zulassen. Weitere Stundungen der Kredite müssen von der Bank von Fall zu Fall entschieden werden. Wird diese Notwendigkeit zeitgerecht von den Kunden angemeldet und vom Bankinstitut positiv bewertet, so können die Kredite zumindest „in bonis“ bleiben und vorgesehene Rückstufungen beschränkt werden. Die Bank ihrerseits muss bei weiteren Stundungen das folglich höhere Ausfallrisiko entsprechend durch Rückstellungen absichern. Macht ein Institut dies in einem größeren Umfang, verschlechtert sich wiederum dessen Rating. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-47882345_quote" /><BR /><BR /><BR /><BR />Was ist aber, wenn auch weitere Stundungen nicht ausreichen und der Neustart in einigen Branchen ausbleibt? „Wir werden die Lage sicherlich dauernd im Blick behalten und sie in einigen Monaten neu bewerten. Aktuell gebe es im Tourismus und tourismusnahen Bereichen die größten Schwierigkeiten, die Kredite wieder fristgemäß zu bedienen“, so Seeber.<BR /><BR /><BR /><b>„2021 wird für Betriebe schwieriger als 2020“</b><BR /><BR /><BR />Man könne davon ausgehen, dass für viele Betriebe in Südtirol das Jahr 2021 das schwierigere werde, als 2020, sagt Ernst Summerer, Direktor der Abteilung Kredite der Südtiroler Sparkasse, vor allem im Tourismus – damit zusammenhängend aber auch im Handel, im Handwerk, oder auch in der Milchwirtschaft. Wie viele Betriebe diese Krise nicht überleben werden, sei nicht abzuschätzen, „aber eine gewisse Flurbereinigung wird es geben“, sagt Summerer. <BR /><BR /><BR />Besteht damit die Gefahr, bei einer noch länger anhaltenden Krise, dass die Banken auf einem Berg von Problemkrediten sitzen bleiben und damit selbst in Krise geraten könnten? „Natürlich sind auch die Banken besorgt, denn je größer die Schwierigkeiten in der Wirtschaft sind, desto größer sind auch die Auswirkungen auf die Banken.“ Der Vorteil des Südtiroler Bankensektors sei, dass es in den vergangenen Jahren eine starke Bereinigung gegeben habe, was die Problemkredite anbelangt. „Ein gewisses Polster ist also vorhanden.“ <BR /><BR /><BR />Südtirols Wirtschaft hänge aber stark vom Tourismus ab. „Die Hotellerie hat bei den Banken derzeit rund 2,5 Milliarden an Krediten laufen, sie ist also stark verschuldet.“ Zu „normalen“ Zeiten sei dies kein großes Problem, da die Renditen in diesem Sektor gut seien. „Wenn aber die Rendite sinken, dann wird die Verschuldung ein größeres Problem“, so Summerer. <BR /><BR /><BR />Der Kreditexperte sieht für die Zukunft aber nicht das große Problem bei den Banken, da diese relativ breit aufgestellt sind, sondern für die gesamte Wirtschaft, da diese stark vom momentan arg in Leidenschaft gezogenen Tourismus abhängig ist.