Seit einigen Jahren kriselt es zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft. „Damit sich das wieder ändert, braucht es vor allem eine offene Diskussion darüber, was die eine von der anderen Seite erwartet“, sagt Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler. <BR /><BR /><BR /><i><BR />Von Rainer Hilpold</i><BR /><BR /><BR /><b>Herr Schuler, woran liegt es, dass sich das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Allgemeinbevölkerung abgekühlt hat?</b><BR />Arnold Schuler: Ich denke, dass das in erster Linie damit zu tun hat, dass die allermeisten Menschen heutzutage keine Selbstversorger mehr sind. Das war in Südtirol vor 100 Jahren noch ganz anders. Sogar bis in die 1950er- und 1960er-Jahre hinauf war die Gesellschaft noch stark bäuerlich geprägt. Heute ist das anders, die Produzenten von landwirtschaftlichen Lebensmitteln und die Abnehmer haben sich voneinander entkoppelt.<BR /><BR /><BR /><b>Haben Sie konkrete Zahlen dazu?</b><BR />Schuler: In Südtirol stellen 7 Prozent der Menschen landwirtschaftliche Produkte für 93 Prozent der Bevölkerung her. In der EU geht die Spanne noch weiter auseinander, sie liegt bei 3 und 97 Prozent. Diese Entwicklung ist einer der Hauptgründe, warum es unbedingt einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Landwirtschaft und Bevölkerung braucht. Dazu wird die Bereitschaft zum Dialog benötigt, um einen gemeinsamen Weg zu finden, weil wir letztlich alle im selben Boot sitzen.<BR /><BR /><BR /><b>Was kann die Landwirtschaft Ihrer Ansicht nach besser machen?</b><BR />Schuler: Die Landwirtschaft muss sich weiterentwickeln, zentrale Themen dabei sind sauberes Wasser, gesunde Böden, der Einfluss der Landwirtschaft auf die Artenvielfalt und auf das Klima. Eine offene Diskussion bietet dabei die Grundlage. Man muss die Dinge, die man macht, besser erklären und nachvollziehbar machen. Ob es um den Bereich der Pflanzenschutzmittel geht, die helfen, die Produktion zu sichern, oder um eine gewisse Intensität im Grünlandbereich, die notwendig ist, um den steigenden Lebensmittelbedarf zu decken. Die Erwartungshaltung der Konsumenten ist heute eine andere, sie fordern Antworten auf brennende Fragen. Allerdings erwarte ich mir dabei auch von der Bevölkerung eine gewisse Unvoreingenommenheit was die landwirtschaftliche Produktion betrifft und ich erwarte mir, dass jeder ehrlich zu sich selbst ist.<BR /><BR /><BR /><b>Sprechen Sie damit den Widerspruch: Bio fordern, billig kaufen an?</b><BR />Schuler: Zum Beispiel, ja. Es ist bekannt, dass sich viele zwar einen sehr hohen Prozentsatz an Bioprodukten aus der Landwirtschaft wünschen, am Ende aber im Regal trotzdem zum günstigeren Lebensmittel greifen. Diese Diskrepanz gilt es auch offen zu thematisieren.<BR /><BR /><BR /><b>Glauben Sie nicht, dass sich das Konsumverhalten in Richtung höherer Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards verändern wird?</b><BR />Schuler: Sicherlich, Nachhaltigkeit wird in den nächsten Jahren zum dominierenden Konsumthema werden. Mit entsprechenden Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion, aber wir wissen auch, dass das nicht von heute auf morgen geht. Die Umstellung der Produktion braucht ebenso Zeit, wie die Anpassung des Konsums, damit meine ich die Bereitschaft der Konsumenten für nachhaltig hergestellte Lebensmittel auch mehr zu bezahlen.<BR /><BR /><BR /><b>Um eine offene Diskussion über die Landwirtschaft der Zukunft zu führen, braucht es wissenschaftliche Fakten. Sind diese denn in ausreichendem Maße verfügbar?</b><BR />Schuler: International gibt es sehr viele Erkenntnisse, in Südtirol sind wir gerade dabei, auf breiter Basis Daten zu erheben. Wir prüfen etwa die Qualität von Boden und Wasser und untersuchen die Artenvielfalt in der Landwirtschaft. Den Ist-Zustand genau zu kennen und dann gezielte Maßnahmen zu setzen, sehe ich als Riesenchance für Südtirol. Wir dürfen nicht nur über Nachhaltigkeit reden, sondern müssen diese anhand von Fakten auch belegen können. <BR /><BR /><BR /><b>Wie soll es nach dem Webinar „LandWIRtschaft 2030“ weitergehen mit der Diskussionskultur zwischen Landwirtschaft und Bevölkerung?</b><BR />Schuler: Das Webinar ist ein Angebot an die Bevölkerung, Anliegen und Erwartungen an die Landwirtschaft vorzubringen. Ich will nicht nur gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern und den unterschiedlichen Interessensvertretern ein Zukunftskonzept für die Landwirtschaft erarbeiten, sondern auch mit der Südtiroler Bevölkerung. Ein solches Konzept lässt sich nämlich nur gemeinsam erstellen und umsetzen. <BR />