Die internationalen Finanzmärkte sprachen vom „spanischen Wirtschaftswunder“. Spanien wurde zum Musterknaben der EU und zum nachahmungswürdigen Vorbild für alle neuen EU-Mitglieder. Spanisch wurde zur neuen Modesprache. Auch das Ansehen spanischer Firmen wuchs. Spaniens Großunternehmen wie Telefonica, Santander oder Zara expandierten in Lateinamerika und Europa. Spanien war „in“.Heute, 2012, sehe die Situation ganz anders aus, erklärt Carlos Clavero, Direktor des spanischen Marketingunternehmens Instituto DYM aus Barcelona. „Die Wirtschaftskrise, die Spanien seit nunmehr vier Jahren durchlebt, hat das Ansehen des Landes, aber auch der im Ausland agierenden spanischen Unternehmen sehr geschadet“, betonte Clavero im Gespräch mit der APA. Die „Marke Spanien“ befinde sich „im Sturzflug“, meint der Marketingexperte. Sogar Frankreichs vor kurzem aus dem Amt geschiedene Präsident Nicolas Sarkozy nahm während seiner Wahlkampagne Spanien als negatives Beispiel. „Schauen Sie, wo sich Spanien nach sieben Jahren Sozialismus befindet. Kein Franzose möchte die Situation erleben, welche zuvor die Griechen und heute die Spanier durchleben“, sagte Sarkozy.„Natürlich muss man nicht alles ernst nehmen, was Politiker während einer Wahlkampagne von sich geben. Dennoch zeigt es, wie sich das Ansehen Spanien verschlechtert hat. Heute denken viele Ausländer bei dem Begriff Spanien an Arbeitslosigkeit, Rezession und Wirtschaftskrise“, so der Marketingexperte, dessen Instituto DYM erst vor wenigen Monaten durch eine Umfrage in 48 Ländern zu diesem Ergebnis gekommen ist.Die makroökonomischen Zahlen Spaniens werden im Ausland mit harter, vielleicht zu harter Objektivität gesehen, meint er. Eine auf absehbare Zeit nicht endende Rezession, eine Rekordarbeitslosigkeit von 24 Prozent der aktiven Bevölkerung und ein Haushaltsdefizit von derzeit 8,5 Prozent lassen auch kaum andere Schlüsse zu. Spanische Staatsanleihen werden trotz der zahlreichen Wirtschaftsreformen immer noch mit sechs Prozent beziehungsweise über 400 Basispunkten, auf den internationalen Finanzmärkten gehandelt.Vor allem die spanischen Autonomien sind hoch verschuldet. Nachdem die US-Ratingagentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit von neun der insgesamt 17 spanischen Regionen herabgestuft hatte, haben viele Regionen große Probleme, überhaupt noch zu bezahlbaren Interessen an frisches Geld zu kommen. Katalonien und die Balearen rangieren nach der Herabstufung nur knapp über Ramschniveau und müssen sich derzeit mit Zinsen von bis zu sieben Prozent Geld leihen. Die Region Valencia muss sogar deutlich höhere Zinssätze zahlen als EU-Krisenländer wie Griechenland, Portugal oder Irland.Zwar weist die spanische Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy (PP) Vergleiche mit der finanziellen Notlage in Ländern wie Irland, Portugal oder Griechenland zu Recht zurück. Dennoch: Das schlechte Image der „Marke Spanien“ ist da – spätestens seitdem auch die Financial Times 2008 Spanien in die EU-Sorgenkinder-Gruppe, die sogeannten PIIGS, aufgenommen hat.Gegen das gesunkene Ansehen versucht die spanische Regierung demnächst mit einer diplomatischen Marketingoffensive anzugehen. Doch die ersten Schäden sind bereits entstanden. Auch Gildo Seisdedos, Marketingexperten an der Madrider IE Business School, gibt zu, dass sich das „Ansehen Spaniens radikal vom internationaler agierenden Global Player zum Krisenland gewandelt hat“. Dennoch glaubt er nicht, dass die Wirtschaftskrise die internationale Aktivität spanischer Firmen einschränke. Einerseits würden Marken wie das Modeunternehmen Zara oder die Großbank Santander von ausländischen Kunden nicht direkt mit der spanischen Wirtschaftskrise oder gar mit Spanien in Verbindung gebracht. Andererseits seien die spanischen Großunternehmen bemüht, sich als international aufgestellte und global agierende Firma zu verkaufen, die nicht vom eher kleinen Heimatmarkt abhängt, sagte Seisdedos zur APA. apa