<b>Der Fall:</b><BR />Nach dem Ableben der betagten Mutter hatten ihre beiden Söhne das Gefühl, in ihren Pflichtteilsrechten verletzt worden zu sein. Ihre Schwester hatte nämlich jahrzehntelang mit der Mutter zusammengelebt und in dieser Zeit immer wieder Geldzuwendungen erhalten. Im Moment der Erbschaftseröffnung, also am Todestag der Mutter, war dann kein nennenswertes Vermögen mehr vorhanden. <BR /><BR /><b>Wie die Gerichte entschieden:</b><BR />Die Brüder zogen vor das Landesgericht Teramo und argumentierten in ihrer Pflichtteilsergänzungsklage, die zu Gunsten der Schwester getätigten Schenkungen müssten „gekürzt“ werden. Zur Bemessung der Pflichtteile seien die von der Erblasserin getätigten Zuwendungen (das sogenannte Donatum) also miteinzubeziehen und mit dem Vermögen zum Todestag (auch Relictum genannt) zu summieren. Dann erst könnten die Pflichtteilsansprüche berechnet werden. <BR /><BR />Die Beklagte hingegen verwies auf das lange Zusammenleben unter einem Dach mit der Mutter, was unter Beachtung von Art. 742 des Zivilgesetzbuchs mit sich bringen würde, dass die erhaltenen Beträge nicht der Ausgleichung unterliegen und zur Bildung der Erbmasse also nicht herangezogen werden dürfen. Hier handelte es sich nicht um einzelne Schenkungen größerer Beträge, sondern im Laufe der Jahre waren im Wochen- oder Monatsrhythmus immer wieder kleine Geldmengen übergeben worden, die dazu da waren, die täglichen Bedürfnisse von Mutter und Tochter zu bestreiten, also Lebensmittel zu kaufen und sonstige kleinere Besorgungen zu tätigen. Wenn man zusammenlebt, macht öfters einer mehr im Haushalt oder im Garten, während der andere im Gegenzug ein Mehr an Spesen übernimmt, gerade zwischen engsten Verwandten. Es sei einfach ein gegenseitiges Geben und Nehmen gewesen. <BR /><BR />Sowohl das Landesgericht in Teramo als auch das Oberlandesgericht L’Aquila teilten aber die Auffassung der Kläger und erkannten die Pflicht der Schwester, einen Teil der erhaltenen Geldbeträge an die Brüder auszuzahlen. Von der Rente der Mutter, die mit 98 Jahren verstarb, seien in der Zeit zwischen 1981 und 2005 monatlich rund 400 Euro an die Tochter gegangen. Diese Monatszahlungen müssten nun Berücksichtigung finden. <BR /><BR />In erster und zweiter Instanz unterlegen, wandte sich die Frau noch an das Kassationsgericht. Mitunter macht sich Beharrlichkeit bekanntlich bezahlt und in Rom wandte sich das Blatt. Im Beschluss Nr. 18814 vom 04.07.2023 verwiesen die Höchstrichter auf Art. 742 ZGB, dessen erster Absatz wie folgt lautet: „Der Ausgleichung unterliegen weder Auslagen für Unterhalt und Erziehung noch die wegen Krankheit übernommenen noch die üblichen Auslagen, die für Bekleidung oder für eine Eheschließung getätigt wurden“. <BR /><BR />Die Kläger haben im Verfahrensverlauf keinen Beweis dafür erbracht, dass es sich bei den Beträgen, die die Mutter regelmäßig der einzigen mit ihr wohnenden engsten Verwandten übergab, tatsächlich um Schenkungen gehandelt hat. Die Absicht der Rentnerin war hier nämlich nicht, ihre Tochter zu bereichern, sondern vielmehr, eigenen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, die sich allein aufgrund des Zusammenlebens ergaben. <BR /><BR />Vom Kassationsgerichtshof ist das Verfahren an das Oberlandesgericht L’Aquila rückverwiesen worden, wo ein anderer Richtersenat nun zu Gunsten der Beschwerdeführerin entscheiden wird. <BR /><BR />* <i>Martin Gabrieli ist Rechtsanwalt in Lana.</i>