Bei der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) häufen sich derzeit Anrufe und Mails von besorgten Südtirolern, die eine Police der Eurovita abgeschlossen haben. Ebendiese ist zuletzt in eine ernste Schieflage geraten. Der Hintergrund: Die Versicherungsgesellschaft hatte einen Stresstest nicht bestanden. Demnach müssen es Versicherungen finanziell verkraften können, sollten 40 Prozent der Sparer ihr Geld zeitgleich abziehen. Weil Eurovita durchgefallen ist, wurde sie zunächst unter kommissarische Verwaltung und seit kurzem unter Sonderverwaltung gestellt. Gleichzeitig lief die Suche nach frischem Geld, um den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen. Notwendig ist eine Kapitalerhöhung in Höhe von 250 bis 300 Millionen Euro, um eine Auflösung von Eurovita abzuwenden. Das Durchfallen beim Stresstest hat unmittelbare Folgen für die Versicherten: Die Aufsichtsbehörde Ivass hat verfügt, dass vorzeitige Auszahlungen – zum Teil oder zur Gänze - der Lebensversicherungen bis zum 30. Juni 2023 nicht möglich sind. <h3> Hoffen auf ein Happy End</h3>„Den Kunden bleibt nur, zu hoffen, dass Eurovita wieder auf die Beine kommt. Verbraucherinnen und Verbraucher können zurzeit nur abwarten, bis eine Lösung auf dem Tisch liegt“, sagt Stefanie Unterweger, Versicherungsexpertin bei der VZS. „Die Versicherungs- wie auch die Bankenbranche sind dabei, Lösungen zu erarbeiten, auch weil andernfalls das Vertrauen in die Branchen wohl irreparabel angeknackst wäre.“ So wie es aussieht, werden die die führenden italienischen Versicherungsgesellschaften und die über 50 Partnerbanken von Eurovita die Kapitalerhöhung stemmen, darunter auch die Südtiroler Sparkasse, die als Partnerbank von Eurovita deren Produkte in den Filialen vertrieben hat. <BR /><BR />Selbst wenn der Fall Eurovita gut ausgeht, – wonach es im Moment aussieht – lohnt sich ein allgemeiner Blick auf den Markt für Lebensversicherungen, der durchaus komplex ist. Gemeinsam mit der VZS-Expertin versuchen wir zu ermitteln, für welche Bedürfnisse eine Lebensversicherung sinnvoll ist und in welchen Fällen man gut und gerne darauf verzichten kann. <h3> Lebensversicherung ist nicht gleich Lebensversicherung</h3>Die Bezeichnung Lebensversicherung ist nur ein Sammelbegriff für mehrere Arten von Lebensversicherungen. Da gibt es einmal die Ablebensversicherungen, auch Risikolebensversicherungen genannt: „Dabei geht es in erster Linie darum, die Angehörigen finanziell zu unterstützen, falls beispielsweise der Hauptverdiener stirbt“, so Unterweger. „Ziel ist es, zu verhindern, dass Ehepartner und Familienmitglieder in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Auch kann es nützlich sein, mit einer Ablebensversicherung den Hypothekenkredit abzusichern, damit die Hinterbliebenen nicht Gefahr laufen das Dach über dem Kopf zu verlieren.“ <BR /><BR />Bei einer Ablebensversicherung könne man mit vergleichsweise niedrigen monatlichen Beträgen viel erreichen, sprich Auszahlungssummen im Ablebensfall von 100.000 Euro und mehr, wobei die zu zahlenden Beträge mit steigendem Alter stark steigen. Das Fazit der Expertin: „Ablebensversicherungen sind sicherlich eine sinnvolle Sache.“<BR /><BR />Davon zu unterscheiden seien die Erlebensversicherungen, auch kapitalbildende Lebensversicherungen genannt. Sie sind im gesamten deutschsprachigen Raum nach wie vor sehr beliebt – „auch in Südtirol“, wie Unterweger betont. „Leider, möchte ich dazusagen.“ Obwohl es unterschiedlichste Erlebensversicherungen gibt, ist laut der VZS-Expertin allen gemein, dass sie – anders als Ablebensversicherungen – nicht dazu dienen, Risiken zu übernehmen, die man selbst nicht übernehmen kann, sondern es geht den Verbrauchern ums Sparen. <BR /><BR />„Ohne zu tief in die Vertragstypen einzusteigen, kann man festhalten, dass dabei meist einmalig, monatlich oder 3-monatlich ein bestimmter Betrag eingezahlt werden muss, wie bei einem Sparplan. Dieser Betrag wird entweder hergenommen, um in einen Fonds zu investieren, der von der Versicherungsgesellschaft selbst aufgelegt wurde, oder aber das Geld fließt in Aktien oder andere Assets über Produkte von Vermögensverwaltungsgesellschaften, teilweise handelt es sich um ummantelte Investmentfonds, wobei man sich fragen kann, wozu es dann den Versicherungsmantel überhaupt braucht.“ <BR /><BR />An eine kapitalbildende Lebensversicherung geknüpft, ist die Hoffnung der Kunden, am Ende der Laufzeit ein stattliches Vermögen – entweder ganz oder in Raten – ausbezahlt zu bekommen, um dann finanziell besser da zu stehen. <BR /><BR />Übrigens gibt es auch Kombinationen aus Ablebens- und Erlebensversicherungen: „Die Auszahlungssumme für die Hinterbliebenen ist dabei in der Regel aber deutlich niedriger als bei reinen Ablebensversicherungen.“ Ihr Tipp: „Die Themen Ansparen und Risikoabsicherung strikt trennen. Vor allem im Bereich der Erlebensversicherungen bzw. bei Sparverträgen gibt es sehr viele, sehr schlechte Produkte auf dem Südtiroler und dem italienischen Markt.“<h3> Die Kosten</h3>Die heute noch weite Verbreitung von kapitalbildenden Lebensversicherungen hänge erstens mit dem doch recht aggressiven Vertrieb der Produkte zusammen, zweitens mit der Bequemlichkeit vieler Menschen, die sich mit dem Thema Altersvorsorge und Finanzen nicht beschäftigen wollen und drittens mit dem Ruf, den sich diese Versicherungen in früheren Zeiten erarbeitet haben: „In den 1980er- und 1990er-Jahren waren Produkte mit einem recht attraktiven Garantiezins die Normalität. Zugleich mussten die Renditen nicht versteuert werden, das ist seit Anfang der Nuller-Jahre anders. Die Verträge, die in den letzten 20 Jahren aufgesetzt wurden, sind mit den Altverträgen nicht zu vergleichen, die für die Versicherer eher ein Verlustgeschäft waren.“ <BR /><BR />Wer heute eine Erlebensversicherung mit laufender Prämienzahlung abschließe, müsse in erster Linie mit sehr hohen Kosten rechnen: „Es gibt meist Einstiegskosten und dann regelmäßige Verwaltungskosten. Je mehr Einzelbewegungen es gibt, desto höher sind die Kosten. Bei monatlichen oder 3-monatlichen Beitragszahlungen können da auf lange Sicht schnell enorme Ausgaben entstehen.“ <h3> Die fehlende Flexibilität</h3>Neben den Kosten ist die fehlende Flexibilität ein großes Problem bei vielen kapitalbildenden Lebensversicherungen. „Es werden mitunter Produkte mit Laufzeiten von bis zu 40 Jahren verkauft. Eine derart lange Vertragsbindung kann kaum einer einhalten. Wenn jemand vorzeitig aussteigen will, weil er die Liquidität benötigt, muss er mit saftigen Pönalen rechnen.“ <BR /><BR /><embed id="dtext86-59118009_quote" /><BR /><BR />Augenscheinlich wird das anhand eines Beispiels, das kürzlich auf dem Tisch der VZS-Versicherungsexpertin landete: „Ein junger Südtiroler hat im Jahr 2018 eine Erlebensversicherung abgeschlossen mit einer Laufzeit von 35 Jahren. Nach 5 Jahren möchte er nun aussteigen. Obwohl er bislang rund 7700 Euro eingezahlt hat, würde er nur 68,89 Euro ausbezahlt bekommen. Das bedeutet ein stolzes Minus von 7.644,60 Euro – und das bei einem vermeintlich sicheren Produkt“, so Unterweger. Und noch ein bemerkenswertes Vertragsdetail: „Anhand der vorliegenden Unterlagen würde er erst nach 28 Jahren Prämienzahlung genau denselben Betrag ausbezahlt bekommen, den er einbezahlt hat. Das ist absurd“, so ihr vernichtendes Urteil. <BR /><BR />Wie aber kann das sein, dass von 7700 Euro nur noch knapp 69 Euro übrig bleiben würden? „Neben der Pönalen spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass Versicherer bei diesen Produkten einen nicht unerheblichen Teil der Kosten, die während der gesamten Laufzeit anfallen würden, in den ersten Jahren verrechnen dürfen.“ Dabei komme es keineswegs selten vor, dass jemand vorzeitig aussteigen muss, weil er das Geld brauche. „Wer kann schon in jungen Jahren abschätzen, wie sein Kapitalbedarf in Zukunft aussieht? Wohl kaum jemand.“<h3> Die Renditen</h3>Aber dann werden wohl wenigstens die Renditen bei Erlebensversicherungen sagenhaft sein, oder? „Nein, in der Regel ist das nicht der Fall. Ganz im Gegenteil: Auch da verdienen die Versicherungsgesellschaften wieder mit. Zudem müssen die Renditen, sofern überhaupt etwas übrig bleibt, ganz normal versteuert werden, wie bereits erwähnt. Unter diesen Umständen rate ich dazu, lieber bei einem Sparbuch oder einem ähnlichen Produkt zu bleiben, da gibt es zwar auch wenig bis keine Zinsen, aber tatsächlich risikofrei.“ Kurzum: „Eine Erlebensversicherung braucht aus den genannten Gründen niemand.“<h3> Das Gegenparteirisiko</h3>Apropos Risiko: Wie sieht es eigentlich aus, wenn der Versicherer, an den ich die Prämie überweise, pleitegeht? „In diesen Fällen muss der Versicherungsnehmer im Gegensatz zu anderen Anlageprodukten mit Verlusten rechnen. Fairerweise muss man aber dazu sagen, dass es bis heute in Italien noch nie vorgekommen ist, dass eine Versicherungsgesellschaft liquidiert werden musste. Der Fall Eurovita wäre der erste in der Geschichte gewesen. Und so wie es aussieht, kann auch dieser potenzielle Liquidierungsfall abgewendet werden.“<BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR />