Ohne Diskussion stimmten die Finanzminister der 27 EU-Staaten einer Erklärung zu, in der die Kommission zum Dialog mit diesen beiden Ländern aufgefordert wird. Die Kommission soll dem Ministerrat vor Ende der belgischen EU-Ratspräsidentschaft, also vor Ende Dezember, über die Gespräche Bericht erstatten, wie es in dem Beschluss heißt.Der Kodex stammt von 1997. Er entspricht nicht einer EU-Richtlinie (Gesetz) und ist nicht rechtsverbindlich. Er dient der Identifizierung und zum Teil der Unterbindung von „schädlichen Steuerpraktiken“, durch die ausländische Unternehmen angelockt werden sollen. Bisher wurden EU-intern rund 400 solche nationale Steuerbestimmungen untersucht, über 100 wurden seither geändert oder abgeschafft.Experten hätten in der Schweiz und Liechtenstein konkrete Fälle „solcher Praktiken“ ausgemacht, hieß es aus EU-Ratskreisen. Schon im Zusammenhang mit den Diskussionen zwischen der Schweiz und der EU in Sachen Holdingbesteuerung hatte die EU-Kommission verschiedentlich die Besteuerungsmodalitäten kritisiert, die „auf Stufe der Kantons- und Gemeindesteuern den Wettbewerb verfälschen“.Die Frage, wieso sich die EU-Kommission zuerst mit der Schweiz und Liechtenstein befasst, und zum Beispiel nicht mit den USA, sollte laut EU-Diplomaten „nicht überbewertet“ werden. Oder wie es Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden beurteilte: „Die Drittstaaten sollten sich nicht aufregen“.Von „positiven wirtschaftlichen Verflechtungen“ mit den beiden Nachbarländern sprach Österreichs Finanzminister Josef Pröll nach dem Rat. „Nun laden wir die Nachbarn ein, sich partnerschaftlich einer guten Sache anzuschließen“, sagte Pröll.Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) nimmt Kenntnis davon, dass die EU-Kommission mit der Schweiz einen Dialog über die Anwendung des Kodex aufnehmen soll. Für den Bundesrat sei „der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensstandorts prioritär“, hieß es auf Anfrage in Bern weiter.Zudem erinnert das EFD daran, dass die Schweiz mit der EU-Kommission bereits einen Dialog zur kantonalen Unternehmensbesteuerung (Holdingsteuer) führt. Allerdings ist dieser Dialog in der dafür zuständigen EU-Expertengruppe seit Monaten blockiert. Unter anderem Italien verhindert dort einen Kompromiss.Aus Liechtensteiner Regierungskreisen verlautete, dass jeder neue Dialog im Gesamtzusammenhang gesehen werden müsse. Deshalb sollte sich in dem neuen Fall eine Diskussion ergeben, die alle Aspekte einbezieht. Dabei geht es Liechtenstein unter anderem auch um einen nicht-diskriminierenden Zugang zum Binnenmarkt.Der Anstoß für den Dialog mit Drittländern stammt von einer EU-Expertengruppe. Diese befasst sich seit Jahren mit „schädlichen Steuerpraktiken“ bei der Unternehmensbesteuerung innerhalb der EU. In ihrem Bilanzbericht zum Ende der spanischen Ratspräsidentschaft schlug sie vor, dass der Rat die Kommission zu einem Dialog mit Drittländern auffordern soll.Bei der Frage, welche Drittstaaten und Steuerpraktiken zuerst angegangen werden könnten, heißt es im Bericht: Priorität sollte benachbarten Drittländern „mit möglicherweise schädlichen Steuerpraktiken“ gegeben werden, „namentlich Liechtenstein und der Schweiz“.sda